Die Selbstfindung noch nicht abgeschlossen, die berufliche Zukunft noch völlig offen und schon für die Zukunft eines anderen Menschen verantwortlich. Ein Studium mit kleinem Baby zu beginnen garantiert nicht zwangsläufig eine Niederlage, aber es ist sicherlich auch kein Kinderspiel.
21. November 2019 - 08:59 SPIESSER-AutorIn Mitdenkerin.
Das Durchschnittsalter von Erstgebärenden in Europa steigt. Das bekommt man als 28-Jährige mit 6-jährigem Sohn in einer Welt voller Kinderloser immer wieder zu spüren. Nach dem erstaunten „Du hast ein Kind?“ folgt zuverlässig die Frage „Wie alt bist du?“ Ich dachte, man fragt Frauen nicht nach ihrem Alter. Aber das gilt offensichtlich nicht, wenn sich die gefragte Frau in einem Zustand befindet, in dem das Alter selbstverständlich von äußerster Wichtigkeit ist. Wenn dann noch erstaunt die Frage „Aber es war nicht geplant, oder?“ folgt, dann ist die Linie der Unhöflichkeit kaum noch weiter zu überschreiten.
Das alles begleitete mich durch die letzten fünf Jahre Studium. Bereits die ersten Studienwochen waren nicht so, wie man sich den Beginn dieses Lebensabschnittes vorstellt. Eröffnungsvorlesungen, Uniführungen und Ersti-Partys fielen für mich weitestgehend aus. Ich befand mich mitten in der Kita-Eingewöhnung mit meinem damals Einjährigen, der alles andere als glücklich war, dass Mama jetzt nicht mehr rund um die Uhr verfügbar sein sollte. Das Ende der Eingewöhnung bedeutete leider nicht das Ende der Zeitprobleme. Man konnte nicht pünktlich zu den frühen Vorlesungen, da die Kita erst um acht aufmacht; man konnte nicht zu den späten, da die Kita um 17 Uhr wieder schließt. Es blieb bei den Stunden dazwischen. Während meine Kommilitoninnen und Kommilitonen um acht aufstanden und um neun entspannt mit dem Lernen anfangen konnten, startete mein Tag schon um 5:30 Uhr: duschen, Haushalt, Kind wecken, frühstücken, Kind überreden sich anzuziehen, unter Zeitdruck das Kind selbst anziehen, los zur Kita und schnell in die Uni. Dort angekommen, sollte ich eigentlich die begrenzte Zeit konzentriert nutzen. In der Realität brauchte ich aber regelmäßig erstmal eine Pause, um überhaupt folgen zu können.
Meine Lebensrealität unterschied sich fundamental von der meiner Mitstudierenden. Es fühlte sich so an, als führe ich zwei Leben, das einer Familienmutter und das einer normalen Studierenden. Und die Kombination von beidem? Das stellte meinen persönlichen Perfektionismus vor ungeahnte Hürden.
Bin ich damit allein?
Mir wurde recht schnell bewusst, dass es nicht nur mir so ging. Das ist der Alltag jeder berufstätigen Frau mit Kind, die ich im Laufe meines Mutterdaseins kennen gelernt habe. Wann bringe ich das Kind zur Kita? Mein Kind ist krank, ich kann nicht schon wieder zu Hause bleiben. Bei allen bleibt Arbeit liegen. Und wenn es nicht die „Arbeit-Arbeit“ ist, dann ist es der Haushalt oder die richtige Erziehung und Förderung des Kindes. Eine verschobene Deadline oder ein verpasster Elternabend; der Kleiderschrank ist leer, der Wäschekorb aber voll und der Kopf auch. Immer.
Dabei hatte ich den anderen Müttern gegenüber einen entscheidenden Vorteil: die fehlende Anwesenheitspflicht. Ich musste mich niemandem gegenüber für Fehlstunden rechtfertigen oder eine bestimmte Anzahl an Wochenstunden ableisten. Bis auf mir selbst – und dem BAFöG-Amt – war es allen ziemlich egal, wie lange ich für mein Studium brauchte. Ich nutzte oft die Möglichkeit einer kurzen Lernpause, nahm mir meinen Sohn an irgendeinem Vormittag und verwendete diesen stattdessen für effektive Familienzeit. Dabei konnte ich mich frei nach seinen und meinen eigenen Bedürfnissen richten. Diese Flexibilität war ein Luxus, den nur wenige haben. Zusätzlich befand ich mich in der glücklichen Situation, extrem viel Unterstützung zu erhalten. Meine Familie konnte finanzielle Engpässe abfangen und übernahm den Babysitterjob nicht nur kostenfrei, sondern auch noch liebend gern und meine Kommilitoninnen liehen mir nicht nur ihre Notizen, sondern auch einige Male ein offenes Ohr.
Der Druck auf Eltern in unserer Leistungsgesellschaft ist hoch. Die Mütter kommen dabei noch etwas schlechter weg als ihre männlichen Leidensgenossen. Sie müssen darüber hinaus nicht nur gute Hausfrauen sein, sondern auch aufgeklärte Feministinnen und erfolgreiche Karrierefrauen. Das alles ist unmöglich zu schaffen. Für Frauen, die sich nach anderem als dem Vollzeitmutterdasein sehnen, gibt es leider nie den richtigen Zeitpunkt für die Familienplanung. Das ist ungerecht, aber zum Glück gehören wir zum starken Geschlecht.
Mein Studium im Rückblick
Wenn ich selbst über die vergangene Zeit sinniere, fällt mir erstaunlicherweise auf, dass alle Konflikte und Konfrontationen für mich nie wirklich dramatisch waren; dass die absolute Krise ausblieb. Ein Blick ins zufrieden schlafende Gesicht meines Sohnes schaffte es immer, dass ich den Schlafmangel vergaß und – zumindest zeitweise – auch die Ungleichbehandlung. Der tägliche Kampf für das Wohl des Kindes, der natürliche Drang es in jeder Lage zu beschützen, der eigene Struggle mit der Konsequenz in Erziehungsfragen, haben meine Belastbarkeit enorm erhöht und mein Selbstwertgefühl gestärkt. Und der innere Stolz, dass man das alles „trotzdem“ geschafft hat, ist unbestreitbar vorhanden.
Im fortgeschrittenen Studium lassen sich meine beiden Leben recht gut miteinander vereinbaren. Man knüpft Kontakte zu anderen studierenden Eltern. Man gibt sich damit zufrieden, nicht alles zur Perfektion bringen zu können. Die Respektsbekundungen überwiegen die erstaunten Fragen nach dem Alter. Das mag daran liegen, dass sich langsam aber sicher die ersten Fältchen in meinem Gesicht breit machen oder dass natürlich auch meine Mitstudierenden altern und die Elternschaft kein unvorstellbares, weit entferntes Mysterium mehr ist.
Jede Mutter leistet Unglaubliches und schafft nie alles. Das ist so und das ist okay. Ich gebe weiter mein Bestes, als weniger selbstzweifelnde Frau, als mindestens passable Mutter und als zufriedenstellende Studentin.
Text: Stephanie Grätz Teaserbild: Photo by Dakota Corbin on Unsplash
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