Vertretungsstunde mit Pyranja: "Do you wanna go ahead, Annett?"
Mecklenburg-Vorpommern schickte Rapperin Pyranja zu Stefan Raabs Bundesvision Song Contest. Wir schickten sie zum Englischunterricht an ihre alte Schule, das Rostocker Ostseegymnasium.
19. April 2006 - 14:31 von SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
In ein paar Minuten beginnt am Rostocker Ostseegymnasium die zweite Stunde. Der Englischleistungskurs wartet verschlafen auf den Unterricht. Was die Schüler bisher nicht wissen: Nicht LK-Lehrerin Frau Müller, sondern eine waschechte Rapperin wird das Sagen haben.
Rap mit Biss
Pyranja heißt eigentlich Anja Käckenmeister und ist eine deutsche Rapperin. Mit dem Stück Nie Wieder vertrat sie Mecklenburg-Vorpommern beim Bundesvision Song Contest und landete auf Platz acht. Mittlerweile hat sie drei Alben herausgebracht und ist zusätzlich Mitglied der Rap-Formation Ostblokk.
8.39 Uhr. Pyranja betritt das Klassenzimmer. Eine Spur Unsicherheit kann sie nicht verbergen: Vertretungslehrer sein und vor einer Klasse zu stehen ist eben doch etwas anderes, als von der Bühne aus auf das Publikum hinabzublicken. Tief durchatmen also, kurze Begrüßung, und los geht's.
Pyranja: In dieser Stunde wollen wir uns mit… Oh sorry, it's an English lesson. Today we want to talk about "rap-business". Do you like such music?
Pyranja schaut sich um - und die Schüler schauen betreten zur Seite oder nach unten. Nur nicht auffallen, nur nichts sagen müssen. Im Lehrerton fordert Py deshalb Namensschilder. Die Klasse ist lammfromm und macht brav, was sie soll.
Pyranja: Okay, here is the text of Eminem's "Lose Yourself". First we listen to the song and then we translate it. And everybody is… einmal dran.
Der Kurs lauscht dem Rap und übersetzt anschließend mühelos. Vertretungslehrerin Pyranja hört konzentriert zu.
Denis: "…seine Handflächen sind nass, seine Knie weich. Da ist schon …'vomit' auf seinem Pulli, Mutters Spaghetti…" - what’s "vomit"?
Pyranja übersetzt, ohne mit der Wimper zu zucken: "Kotze". Lehrerin Frau Müller muss - notgedrungen - nickend zustimmen. Weiter geht's in der Reihe.
Pyranja: Do you wanna go ahead, Annett?
Annett: "…diese Chance kommt nur einmal, verpasse sie nicht…"
Pyranja: Wow, ein echter Leistungskurs. It's time we rap ourselves.
Mehr Vertretung?
Die haben wir! Und zwar massig! Wenn ihr einen Überblick über alle Vertretungsstunden haben wollt, dann schaut doch mal hier nach.
8.56 Uhr. Selber rappen ist angesagt! Zwar klingt das Gemurmel der Schüler eher wie das andächtige Gebet am Sonntagmorgen in der Kirche, aber zumindest sprechen und wippen die Zwölfer mit. Pyranja steht in Rapperpose und so gar nicht Lehrer-like vorn und will mehr von ihren Schülern wissen. Der Unterricht geht in Englisch weiter, hier aber in Deutsch.
Pyranja: Kann Musik ein Leben verändern?
David: Auf jeden Fall. Viele Rapper sehen darin eine Chance, sich ein besseres Leben zu finanzieren. Wenn um dich herum Gewalt und Drogen das Leben bestimmen, musst du dir einen eigenen Weg suchen.
9.06 Uhr. Da wollen die Schüler gleich mal wissen, ob Pyranja auch mit Gewalt und Drogen aufgewachsen ist. Aber die wiegelt ab.
Pyranja: Nein, nein. Ich komme nicht aus einem Brennpunkt. Als Jugendliche habe ich immer die Fanta-4-Texte nachgesungen. Und irgendwann habe ich statt Tagebuch selbst Raptexte geschrieben und performt.
David: Und woher kommt dein Name Pyranja?
Pyranja: Ich hatte 30 Minuten Zeit, um mir einen zu überlegen. Anja, hm…, Champanja…, Pyranja. Klingt dangerous, aber ich bin a shy and normal girl. Ich will keine Rolle spielen. Viele der "bösen Jungs" sind tatsächlich total smart. Beim ersten Treffen mit Fler dachte ich nur: Was, der liebe Bursche da ist fucking Fler!?
9.15 Uhr. Der Kurs will jetzt immer mehr von Pyranja selbst wissen.
Anne: Organisierst du die Auftritte allein, oder macht das ein Manager?
Pyranja: Manager just talk und wollen dafür eine Menge Geld. Das meiste mache ich also allein. Aber ihr glaubt gar nicht, wer vor einem Gig alles seine Hände im Spiel hat. Was meint ihr?
Klasse: Musiker, Veranstalter, Techniker…?
Pyranja: Richtig, und mehr. Es sind unglaublich viele Leute, die auch bezahlt werden wollen. Musik ist also auch Geschäft. Fans sehen nur den Auftritt, but it's just more.
9.25 Uhr. Die Vertretungsstunde ist nun auch mehr als just Unterricht. Die Schüler fragen Pyranja Löcher in den Bauch, bis es zur Pause klingelt. Am Ende bedanken sie sich artig und brav – wie es anscheinend so in der Natur dieses Leistungskurses liegt. Und das Klassenfazit zur Vertretungslehrerin? Klasse!
Protokoll: Maria Saegebarth
Pyranja ist schon weg.
Und wer kommt als nächstes in die Vertretungsstunde? Sagt uns doch, wen ihr einmal als Ersatzlehrer haben wollt und welches Unterrichtsfach euch unbedingt noch fehlt!
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