Ibbenbüren scheint friedlich und ruhig. Kaum zu glauben, dass die Donots hier groß geworden sind. Laut vertreten die fünf Rocker ihre politische Meinung auf der Bühne. Doch was passiert, wenn statt eines tosenden Publikums 19 gespannte Augenpaare auf politische Statements warten? Als Vertretungslehrer an ihrer ehemaligen Schule, dem Johannes-Kepler-Gymnasium, sprach die Band über Flüchtlinge, Engagement und ihre Heimat.
21. September 2015 - 14:05 SPIESSER-Autorin Elektroprinzessin..
Ingo: Einen wunderschönen guten Morgen! Wir freuen uns sehr, dass wir heute eine Vertretungsstunde zum allgegenwärtigen Flüchtlingsthema machen dürfen. „Refugees Welcome" liest man überall, auf der anderen Seite hört man eine Menge Angst, Hass und Hetze. Wir arbeiten seit ein paar Jahren mit „Kein Bock auf Nazis“ zusammen, einer Kampagne, die sich für Völkerverständigung und gegen die ganze braune Suppe einsetzt. Das war uns schon immer ein großes Anliegen, aber seit letzter Woche ist das Thema an eine große Öffentlichkeit gelangt. Wir haben den Bundesvision Song Contest genutzt, um im TV ein Zeichen zu setzen. Ich freue mich sehr über den Zuspruch, vor allem in den sozialen Medien. Wie viel bekommt ihr von dem Problem eigentlich mit?
Laura hatte sich die Donots als Vertretungslehrer gewünscht. SPIESSER hat den Wunsch erfüllt!
Laura: Bei mir ist es so, dass ich im Alltag nichts davon mitbekommen habe, aber viel durch die Medien.
Clara: Bei uns in Ibbenbüren wurden die Flüchtlinge in der Sporthalle untergebracht. Da ist der Unterricht ausgefallen. Dann haben die Schüler woanders Sport gemacht, sind nach draußen gegangen, man hat sich damit arrangiert. Man muss ja irgendwie helfen!
Paula: Zu Hause diskutieren wir das nicht, aber durch die Arbeit meiner Mutter beim Deutschen Rotes Kreuz habe ich davon erfahren. Das Problem war vor allem, dass die Flüchtlinge keine Beschäftigung hatten, schon allein wegen den Sprachkenntnissen.
Jan-Dirk: Das ist das Problem! Diese Menschen sind durch die Hölle gegangen, um in Sicherheit zu sein und hier können sie die Sprache nicht, kennen niemanden – aber jeder möchte sich sinnvoll einbringen.
Ingo: Genau, da kann es schnell zu einer Ghettoisierung kommen. Viele Menschen machen sich einfach keine Gedanken darüber, was es bedeutet, Flüchtling zu sein. Sie denken, die Leute kommen hierher und nehmen uns Geld weg.
Guido: Jeder redet immer von Menschlichkeit und wenn es dann drauf ankommt, zu teilen, ziehen sich viele aus der Sache raus. Ich habe in Ibbenbüren einen Flüchtling kennengelernt, der seit einem halben Jahr hier ist und er hat mir erzählt, dass er keine Freunde hat. Das ist doch unvorstellbar! Wir machen jetzt manchmal was zusammen.
Donots
Das erste Konzert spielen die Donots im April 1994 in einer Scheune im niedersächsischen Ibbenbüren. Seither ist viel passiert bei den fünf Jungs: 1995 nahmen sie das erste der bis heute insgesamt neun Alben auf. Die Donots unterstützten Rockgiganten wie Blink 182, die Totenhosen oder Green Day auf der Bühne. Seither sind sie im hiesigen Rockhimmel etabliert. Mit ihrer Single „Dann ohne mich“ vom ersten deutschsprachigen Album „Karacho“ erreichten sie beim BVSC 2015 den zweiten Platz.
Ihr wollt die Donots live sehen? Dann checkt hier die Tour Daten.
Ingo: Ich hatte ein Erlebnis im Zug, was mir gezeigt hat, dass man mit einer kleinen Geste viel erreichen kann. Als ich vom Bundesvision Song Contest mit dem überfüllten Zug von Bremen Heim fahren wollte, sprach mich ein Mann aus dem Senegal an, der das Geld für ein Ticket zu seinem Onkel nach Solingen zusammengekratzt hat. Daraus wurde ein ultranetter Nachmittag. Ihm zu helfen, in Solingen anzukommen, war keine große Anstrengung für mich, aber er hat sich so willkommen und glücklich gefühlt!
Alex: Was glaubt ihr, woher der Hass kommt, durch den Flüchtlingsheime angezündet werden?
Marvin: Vielleicht hat man schon einmal schlechte Erfahrungen mit Ausländern gemacht.
Laura: Man liest häufig, dass die Flüchtlinge uns etwas wegnehmen wollen oder einen Platz einnehmen, den sonst auch ein Deutscher einnehmen könnte.
Jan-Dirk: Die dürfen doch gar nicht arbeiten, oder?
Ingo: Genau! Es ist tatsächlich erst nach einiger Zeit erlaubt, zu arbeiten. Und dann gibt es noch die Befürchtung, dass die Flüchtlinge sogar gleich zu Anfang mehr verdienen als Hartz IV-Empfänger und auch das ist nicht wahr.
Alex: In den Medien heißt es immer: „Es gibt eine Flüchtlingswelle." Das hört sich wie eine Bedrohung an, die über uns schwappt.
Ingo: Das Problem ist, dass sich an dieser Stelle rechte Parteien die Hände reiben und die brodelnde Stimmung für sich nutzen. Das betrifft vor allem die Leute, die noch keine gefestigte politische Meinung haben und dann ins rechte Lager gezogen werden. Man muss alles kritisch hinterfragen! Macht es euch Angst, dass es immer mehr Angriffe auf Flüchtlingsheime gibt?
Laura: Ich finde diese Entwicklung sehr erschreckend. Das sind ja schon längst keine Demonstrationen mehr, das sind richtige Angriffe und Belästigungen.
Paula: Die Angst ist schon da, wenn man sich überlegt, dass es auch in unserer Gegend passieren könnte.
Jaqueline: Man muss die Leute einfach mehr aufklären über die Flüchtlingssituation.
Jan-Dirk: Genau! Man sieht immer nur diese Bilder in den Medien, die suggerieren: Alles ist Terror! Keiner erklärt in Ruhe, wo die Flüchtlinge herkommen und wie wir mit der Situation umgehen können. Wissen ist besser als Angst. Man hat immer nur Angst vor dem Unbekannten.
Ingo: Ist die Problematik denn auch ein Schulthema?
Stillstehen fürs Erinnerungsfoto: Bitte alle lächeln!
Jaqueline: Jaqueline: Also letztes Jahr waren wir mit der Schule hier bei einem Flüchtlingstruck. Da konnte man verschiedene Stationen durchlaufen, wie es sich anfühlt, zu flüchten. Man hat Schüsse gehört, musste sich in 20 Sekunden entscheiden, welche drei Gegenstände man mitnimmt. Das war einerseits interessant, andererseits hatte man einfach Angst, weil man sich da richtig rein steigern konnte.
Ingo: Das ist doch ein Anfang! Wenn ihr irgendwas aus dieser Stunde mitnehmen sollt, dann das: das Thema geht jeden etwas an. Das Thema ist aktuell - jetzt ist die Zeit, in der ihr Initiative ergreifen könnt. Bitte schweigt nicht, wenn ihr online rechtsradikale Kommentare lest. Reagiert auf Facebook, zeigt die User an, zeigt Flagge! Das ist das Mindeste, das jeder von euch tun kann!
Fazit aus der Klasse:
Clara, 15
„Ich fand es sehr gut, war mal was Anderes! Ich habe das Thema auch noch nicht im Unterricht besprochen und da war es gut, da es ja ein sehr aktuelles Thema ist.“
Note: 1
Marvin, 16
„Als Lehrer waren sie locker drauf. Sie haben auch frei gesprochen und es gut gemacht.“
Note: 1
Laura, 16
„Sie sind sehr gut an ein so schweres Thema rangegangen, sodass sie uns das Thema wirklich nahe bringen konnten. Und sie sind sehr gut auf uns eingegangen.“
Note: 1
Text: Lara Gahlow
Video: Alexander Spelsberger
Fotos: Tobias Mönninghoff
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