SPIESSER-Autor Christoph hat studiert, und merkte schnell, dass das nichts für ihn ist. Die Folge: Studienabbruch. Wie ein Stigma trägt er es nun in Bewerbungsgesprächen mit sich herum. Wie er damit umgeht, und was es danach für Möglichkeiten gibt – er sagt es euch!
24. June 2014 - 12:48 SPIESSER-AutorIn anonymer Nutzer.
Freud, Jung oder Descartes? Ich vertraue auf mein Bauchgefühl und kreuze Jung an. Richtig wäre Freud gewesen – Prüfung nicht bestanden. Ich bin wütend auf mich selbst. Nächtelang frage ich mich, was das alles soll und welche Perspektive mein Leben überhaupt hat. Ich stelle fest: Psychologie ist nichts für mich. Ich bin ein Kreativer. Der Studienabbruch ist nur konsequent - alles andere wäre Selbstbetrug. Doch wie geht es weiter? Und vor allem: Wie reagiert die Arbeitswelt auf mich?
Soll das die Zukunft sein?
Studienabbrecher sollen von vielen Arbeitgebern geschätzt werden, habe ich mal gelesen: Sie zeigen, dass sie Entscheidungen treffen können. In der Warteschlange bei der Agentur für Arbeit fühle ich mich anders: wie am Boden angekommen, als wäre ich vor einem bösen Gewitter erfolgreich geflüchtet. „Ich habe mein Studium abgebrochen und will zurück in meinen Beruf.“, erkläre ich am Empfang der Agentur für Arbeit. Die Frau, die sich hinter ihrem PC versteckt, fragt abschreckend routiniert nach meinem Personalausweis, als wäre er die Eintrittskarte in eine Spaßveranstaltung: das Leben in der sozialen Hängematte und ich in der Hauptrolle. Werde ich jetzt zum Sozialfall?
Im Wartebereich treffe ich eine Bekannte. Sie hat ebenfalls ihr Studium abgebrochen, doch wie ich später erfahre, bekommt sie keine Leistungen von der Agentur. Anspruch auf finanzielle Unterstützung hat nur, wer vor dem Studium in die Arbeitslosenkasse eingezahlt hat. Glück gehabt, dass ich bereits eine kaufmännische Ausbildung absolviert habe. Mir wird empfohlen, Arbeitslosengeld I zu beantragen. Dass bis zum Erhalt der Leistungen noch viele Wochen vergehen würden und die Gelder nicht einmal genügen, um meine Wohnung zu bezahlen, überrascht mich erst später. Sicher, von „Hotel Mama“ gibt es etwas zugesteckt, aber ich fühle mich unwohl. Ich will auf eigenen Beinen stehen. Dass der Studienabbruch bedeutet, hilfsbedürftig zu werden, steckt mir schwer in den Knochen.
Bill Gates zeigt: Studienabbruch kann sexy sein.
Inzwischen wächst in mir eine Stimme, die heraus will. Schriftsteller oder Journalist, das wäre genau das Richtige – und das geht ja auch ohne Studium. Im Grunde stehen einem ohne Hochschulabschluss fast genauso viele Wege offen wie mit. Microsoft-Gründer und Milliardär Bill Gates ist dafür das wohl prominenteste Beispiel. Genauso zählen Steve Jobs, Steven Spielberg, Mark Zuckerberg, Barbara Schöneberger, Herbert Grönemeyer, Günter Jauch, Charles Darwin und Vincent van Gogh und viele weitere dazu. Zugegeben, wer als Arzt oder Rechtsanwalt arbeiten will, der braucht zwangsläufig ein Studium. Ansonsten haben Studienabbrecher aber alle Chancen auf eine schöne Zukunft. Die Frage ist nur: Wie setzt der Mensch seine Segel? Und wofür ist er bereit, seine Energie einzusetzen?
„Ich könnte mir vorstellen, dass Sie irgendwann nur noch schreiben wollen. Sie bringen ein Buch heraus und dann sind Sie weg“, provoziert mich die Personalleiterin eines großen Gesundheitsunternehmens. Ich bewarb mich um die Stelle eines kaufmännischen Mitarbeiters. „Nein. Einen Erfolg als Schriftsteller sehe ich für mich in zehn oder zwanzig Jahren mal. Dazu braucht es Muse - und trotzdem noch einen Job für Brot und Butter.“, erkläre ich ihr. Eine Woche später bekomme ich die Absage und Erfolgswünsche für „meinen speziellen beruflichen Werdegang“. Visionen sind nicht willkommen – klare Worte erst recht nicht. Für seine Träume zu kämpfen, stößt nicht bei jedem Vorgesetzten auf Gefallen.
Umwege: nicht so gut beschildert wie Karrierepfade.
Eine Freundin sagte mir: „Ein Studium ist eigentlich nur eine Abkürzung für den eigenen Lebensweg.“ Dieser Spruch gefällt mir gut. Wer braucht schon eine Abkürzung, wenn es interessante Wege und Abenteuer gibt?
Was also tun? Hier sind ein paar Tipps, die Euch bei einer Entscheidung zum Studienabbruch helfen können:
1) Fragt Ihr Euch, ob das Studium noch richtig für Euch ist? Gibt es nichts mehr, was Euch motivieren könnte? Dann nehmt Euch ein bisschen Zeit – und findet heraus, was für ein Typ Mensch Ihr seid. Kommt auch mit Freunden oder Bekannten ins Gespräch, aber trefft die Entscheidung allein und in Einklang mit Eurem Bauchgefühl.
2) Sobald Ihr den Entschluss gefasst habt, das Studium abzubrechen, meldet dies sofort dem BAföG-Amt. Andernfalls müsst Ihr mit einem Ordnungsgeld und der Rückzahlung aller zu viel gezahlten Leistungen rechnen.
3) Meldet Euch rechtzeitig bei der zuständigen Agentur für Arbeit. Dort steht Euch auf jeden Fall eine Beratung zu. Arbeitslosengeld gibt es, sofern Ihr zuvor in die Arbeitslosenkasse eingezahlt habt.
4) Schaut auf Hilfsangebote wie www.studienabbrecher.com oder studifinder.de vorbei. Dort gibt es gute Hinweise und Informationen zum Studienabbruch und den vielen Perspektiven für die Zeit danach – auch mögliche Ausbildungsprogramme oder Auslandsaufenthalte werden hier präsentiert.
5) Für künftige Bewerbungsgespräche ist es ratsam, möglichst offen und selbstbewusst mit dem Studienabbruch umzugehen. Es ist wichtig, dass Ihr herausstellt, was Ihr persönlich aus dieser Erfahrung mitgenommen habt. Zeigt Eurem Gegenüber, dass Ihr zu Eurer Entscheidung steht und Euch trotzdem weiterentwickelt!
6) Manchmal genügt es auch, die Welt von einer anderen Perspektive kennenzulernen, um nach dem Studienabbruch neue Kraft zu finden. Ein Flug mit einer Cessna, ein Bungee-Sprung oder irgendetwas, das Ihr schon immer mal tun wolltet, solltet Ihr kurzfristig in Angriff nehmen. Und merkt euch immer: Ein Studienabbruch ist kein Beinbruch, sondern die Zeit für einen Neustart!
Genieße den Moment, liebe Pia. Wer weiß, was morgen kommt? Ich drücke Dir auf jeden Fall die Daumen und wünsche Dir viel Erfolg. Dein Glück ist bestimmt näher als Du denkst! ;-)
"Es gehört mehr Mut dazu, seine Meinung zu ändern, als ihr treu zu bleiben." (Friedrich Hebbel)
Ich hatte mir die Studienauswahl damals nicht leicht gemacht. Trotzdem musste ich feststellen, dass ich mit Psychologie völlig daneben lag. So what? That's life! Wir können uns die beste Studienberatung holen, die es gibt, tausende Zeitschriften und Fachbücher lesen - die Erfahrungen selbst kann uns niemand abnehmen. Und auch die Entscheidungen nicht.
Und wie viele Menschen gibt es, die ihr Studium durchgezogen haben, obwohl sie inneren Widerstand spürten: Sie stehen dann plötzlich mit Mitte 40 vor einem Scherbenhaufen und fragen sich, worin der Sinn des Lebens besteht. Deshalb finde ich es wichtig, wachsam zu bleiben. Egal, ob dann mehr oder weniger Kohle am Monatsende auf dem Konto ist - das Leben muss auch Spaß machen! Generation Y forever!
Mag sein, dass die Sicht darauf irgendwie verzerrt ist bei mir, aber ich habe bei vielen Studienabbrechern (und auch hier im Artikel wieder) den Eindruck von "Ich habe abgebrochen, weil das Studium nichts für mich war und schaue jetzt erstmal, was mir liegt, um dann das zu machen". Da stellt sich mir unweigerlich die Frage: Was soll das? Gehts noch? Denkt man da nicht drüber nach, BEVOR man sich für ein Studium entscheidet und nicht erst NACHDEM man eins abgebrochen hat?
Für die beiden Meinungen unbedingt abbrechen vs. trotzdem durchziehen gibt es sicher jeweils positive und negative Beispiele, die einfach subjektiv sind und, weil äußerst kontextabhängig, auch schwer zu verallgemeinern.
Naja, manche Ausbildungsberufe sind schon besser bezahlt als mancher Job mit Studium.
Ich weiß garnicht, wo dieser "Zwang" zum studieren herkommt.
"Wie?! Du hast Abi und studierst nicht?" Scheinbar muss man ja studieren, obwohl es auch Alternativen gibt. Und alles was mit "MINT" zu tun hat, werden händeringend Fachkräfte gesucht. Da hat man bessere Aussichten als mit einem Geowissenschaften oder soziale Arbeit Studium.
Ich hab auch nach einem Semester gesagt, dass ich keinen Bock mehr hab und die Ausbildung war eine viel bessere Wahl.
Ja, ich habe diesen Artikel gelesen. Und ja, auch ich habe mein Studium abgebrochen. Allerdings war das die Unsexiest decision ever! Sorry, aber so ist es.
Es kam noch erschwerend hinzu, dass ich schon während des Studiums Depressionen bekam und nach Studienabbruch wurde alles nur noch schlimmer.
Immerhin wurde ich wieder gesund und konnte mich die letzten zwei Jahre über Bewerbungsabsagen für verschiedenste Ausbildungen freuen. Jetzt habe ich eine Lücke von vier Jahren in meinem Lebenslauf und immernoch keinen Berufsabschluss.
Und ich bin 28 Jahre alt und wohne wieder bei meinen Eltern...
Also: Falls ihr in vollem Besitz eurer geistigen Fähigkeiten seid, dann zieht bitte das Studium durch. Von mir aus nur mit halber Kraft. Die Chancen sind einfach immernoch besser MIT Studienabschluss. "Wir sind hier nicht in Seattle, Dirk".
(Tocotronic)
Oder anders gesagt: Vom Tellerwäscher zum Millionär ist es ein weiter Weg.
Viele Grüße an alle Studienabbrecher und solche die es noch werden wollen!
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Ja, ich habe diesen Artikel gelesen. Und ja, auch ich habe mein Studium abgebrochen. Allerdings war das die Unsexiest decision ever! Sorry, aber so ist es.
Es kam noch erschwerend hinzu, dass ich schon während des Studiums Depressionen bekam und nach Studienabbruch wurde alles nur noch schlimmer.
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(Tocotronic)
Oder anders gesagt: Vom Tellerwäscher zum Millionär ist es ein weiter Weg.
Viele Grüße an alle Studienabbrecher und solche die es noch werden wollen!
Pia