Mit 11 hat Franziska aufgehört, zur Schule zu gehen. Jetzt ist sie 14 und bereut ihre Entscheidung. Deshalb versucht sie, den verpassten Stoff nachzuholen. Und möchte Kindergärtnerin werden.
30. January 2008 - 10:25 SPIESSER-Redakteurin Onlineredaktion.
Eigentlich weiß ich gar nicht mehr genau, wann ich aufgehört habe, zur Schule zu gehen. So mit elf, glaube ich. Das klingt zwar wie ein blödes Klischee, aber ich bin nicht mehr hingegangen, weil meine älteren Geschwister es auch nicht mehr taten. Keine Ahnung, warum - ich habe sie nie gefragt. Jedenfalls war das ungerecht: Warum sollte ihnen der Lernstress erspart bleiben und mir nicht?
Zuerst bin ich zwar morgens aus dem Haus gegangen, habe dann aber irgend etwas anderes gemacht. Später bin ich ganz zu Hause geblieben, um durchs Fernsehprogramm zu zappen und mich um den Haushalt zu kümmern.
Meine Mutter wusste davon nichts - bis sie eines Tages früher nach Hause kam als sonst. Natürlich war sie alles andere als begeistert - das wäre wohl keine Mutter. Aber machen konnte sie auch nichts, ihre Argumente haben mich nicht mal ansatzweise überzeugt. Ich habe dann auch viel mit meinem Vater gemacht. Wir sind weggefahren, zum Beispiel zu Oma. Die war zwar auch nicht gerade begeistert. Aber was sollte sie denn tun, außer mir gut zuzureden?
Ich habe die Schule ja gehasst
Das ging ein halbes Jahr so, bis meine Schule das Jugendamt informiert hat. So kam der Kontakt zum Projekt Werk-Statt-Schule zustande. Hier können ehemalige Schulverweigerer den verpassten Stoff nachholen und sich auf das Berufsleben vorbereiten. Erst hatte ich darauf keinen Bock - ich habe die Schule ja gehasst - und bin einfach nicht hingegangen. Inzwischen habe ich die Chance aber wahrgenommen.
Die Form des Unterrichts gefällt mir richtig gut. Wir haben Deutsch, Mathe, Werkstatt, Biologie und fast alle Fächer, die auch auf einer ganz normalen Mittelschule unterrichtet werden. Aber der Unterricht läuft hier nicht so geordnet und spießig ab, die Themen werden nicht streng abgearbeitet. Oft sitzen wir zusammen und unterhalten uns einfach, das finde ich wichtig. Der gewöhnliche Unterricht an normalen Schulen ist viel zu unpersönlich.
Von meinen Freunden kamen immer nur die Standardkommentare: "Wieso machst du das?" und "Das ist doch total dämlich!". Geholfen hat mir das nicht, im Gegenteil: zum Trotz bin ich erst recht zu Hause geblieben. Manchmal haben sie mir auch Aufgaben vorbei gebracht. Die habe ich natürlich nicht gemacht.
Manche denken bestimmt, dass das Schwänzen mit meinem Baby zusammen hängt. Aber das stimmt nicht, Justin kam ja erst vor vier Monaten. Er war gleich der zweite Schock für meine Mutter. Trotzdem werde ich von meiner Familie unterstützt, ich besuche sie jeden Tag. Allerdings wohne ich nicht mehr zu Hause, sondern in einer Mutter-Kind-Einrichtung, wo mein Sohn betreut wird, während ich Unterricht habe.
Mir war nicht klar, was ich da tue
Ich habe großen Mist gebaut, das weiß ich. Ich würde das alles gerne rückgängig machen. Ich glaube, ein Jahr muss ich jetzt noch lernen, um meinen Hauptschulabschluss machen zu können. Dann absolviere ich ein Berufs-Vorbereitungsjahr. Mein Wunsch ist es, Kindergärtnerin zu werden. Das wollte ich schon immer, weil ich Kinder sehr mag.
Als ich mit dem Schulverweigern begonnen habe, war mir einfach nicht klar, was ich da tue. Ich habe nur an das Jetzt gedacht, ohne mir über die Zukunft Gedanken zu machen. Mein Berufswunsch steht aber fest, etwas anderes kommt für mich nicht in Frage. Ich hoffe auch, dass Justin mal ein guter Schüler wird. Und falls er auf die Idee kommt, die Schule zu schwänzen, kann ich ihm ja von meinen Erfahrungen erzählen. Ich glaube, das wird ihn zur Vernunft bringen.
Protokoll: Florian Zinner
Foto: André Forner
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