Das Leben bietet uns heute so viele Möglichkeiten, aber wofür sollen wir uns nur entscheiden? SPIESSER-Autorin Katrin weiß auch nicht so genau, wo es für sie hingehen soll. Und vor allem nicht, warum sie es so machen sollte wie alle anderen.
27. January 2014 - 13:49 SPIESSER-Autorin cat3001.
Manchmal frage ich mich, warum ich studiere. Warum ich Abitur gemacht habe. Warum ich überhaupt irgendetwas mache.
Nennt man das den Sinn des Lebens? Die leeren Gesichter von Vorstandsmitgliedern morgens in der dreckigen U-Bahn sprechen ihre eigenen Bände. Jeden Tag, den Rest meines Lebens mich anderen anpassen?
Zwischen Businesskleidung und Familienvan meine Identität nicht verlieren? Wie soll das funktionieren?
Pflichtliteratur? Ja, damit kann man sich schon
eine ganze Weile beschäftigen. Foto: Abhi Sharma, flickr CC
Wie soll ich mich in etwas einfügen, dass ich nicht bin? Doch bin ich es nicht, bin ich nichts.
Wir beugen uns dem Druck des Systems, Tag für Tag, Schritt für Schritt. Ist das erwachsen werden? Oder ist das Individualität verlieren? Wünsche begraben und Leben aufgeben?
Ist das wirklich ein Leben, in dem ich mich jeder Konvention beuge, jedem Trend nachgehe und jede abgelehnte Bewerbung eine Depression bedeutet? Ich bin 21 Jahre alt und leide seit Jahren unter Zukunftsangst! Ist das normal? Muss das so sein?
„Kind, du machst bald Abi, was kommt danach? Du musst dich bewerben! Was kannst du denn überhaupt? Schreiben? Nein, Schreiben ist keine Möglichkeit, damit verdienst du nichts. Willst du denn keine Sicherheit im Leben? Lern lieber was anderes!“
Ob es mir Spaß macht? Egal. Ob ich das möchte, als meine Erfüllung ansehe und mich verwirklicht fühle? Irrelevant.
Bei der Arbeitslast muss man sich ja irgendwie
wach halten... Foto: Der Duale Student via Hendrik Böwer
„Du hast einen Studienplatz? Geisteswissenschaften? Naja, ich weiß nicht so recht. Zumindest hast du jetzt mehr Zeit zu überlegen, was du dann Vernünftiges lernen möchtest.“
So schnell kommt das 5. Semester. Möglichst viele Kurse belegen, den E-Bereich nicht vergessen und dann noch die 5 Hausarbeiten, die man mit sich mitschleppt, weil man in seinen Ferien doch noch einmal abschalten wollte. Bewerbungen schreiben, Jobmessen abklappern, vor dem Internet sitzen und nicht mehr wissen, wohin mit sich.
„Du weißt immer noch nicht, was aus dir wird? Zeit wird langsam knapp, findest du nicht?“
DOCH, finde ich! Ich habe keine Zeit, jung und unbeschwert zu sein, und ich bin nicht einmal G8! Totale Reizüberflutung, egal wohin man geht.
„Ihr Studenten, warum beschwert ihr euch überhaupt, ihr habt doch fast nur Ferien und müsst nichts machen.“
Selbst unsere Dozenten sehen uns mittlerweile mitleidig an, wenn sie die Kursbedingungen vorlesen. „Habt ihr eigentlich noch Zeit für Praktika oder Auslandssemester? Zeit, euch für die Uni zu engagieren oder was zu reißen? Zu demonstrieren, zu leben und euch auf dem Gelände zu besaufen?“ Eher weniger. „Bei uns war das noch einfach.“
Ein Ort, an den man sich als Student gleich
gewöhnen sollte: der heimische Schreibtisch. Foto: David~, flickr CC
Glaub ich gern. Ich weiß nicht wohin ich gehe, ich weiß nicht woher ich komme. Was wird aus mir? Die „Elite“ dieses Landes arbeitet mit Anfang 20 nur noch auf das Ende der Woche zu. Ist uns das so vorbestimmt? Müssen wir uns so beugen? Sind wir nicht diejenigen, die es leichter haben als alle anderen, privilegiert sind und uns den Arsch abfreuen müssten, noch nicht im Arbeitsalltag festzustecken? Nein, wir haben unseren eigenen Alltag. Vom Kurs nur schnell nach Hause, Essay, Präsentation, Klausurvorbereitung.
Ach, und das mit der Zukunft?
„Gute Frau, Sie sind hier beim Arbeitsamt. Sie studieren? Dann haben Sie kein Recht auf eine Berufsberatung. Geisteswissenschaften ohne klare Fachrichtung? Tja, melden Sie sich, wenn Sie ihr Zeugnis haben, Sie bekommen dann Stellen von uns zugeschickt. Sie sind AKADEMIKER, unsere Hilfe brauchen Sie nicht!“
Gut zu wissen.
Die geschätzten Kommilitonen und Kommilitoninnen, die man lieber nicht fragt, wo es sie irgendwann hin verschlägt. Eisige Blicke und eisernes Schweigen. Konkurrenzkampf im Hörsaal. Man könnte dem anderen ja die Stelle wegnehmen. Kann man so ein Verhalten eigentlich noch übel nehmen? Jeder kämpft alleine und am Ende bringt der Austausch von Arbeitsplätzen auch nicht viel.
Doch wie traurig ist das eigentlich? Jeder hat nur das vermeintliche Ziel im Auge. Große Wohnung, fester Arbeitsplatz, neuer Audi. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Und dennoch: Unbeschwerte Jugend? Studium, die beste Zeit des Lebens? Ich wünschte, es wäre so.
Text: Katrin Simoneit
Teaserfoto: Wimena Kane, flickr CC
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