73 Nationen, ein goldener Cup, 13 Spiele bis zum Titel. In Barcelona fand Mitte Dezember die Weltmeisterschaft statt. Fußball? Fehlanzeige. Hier musste Köpfchen eingesetzt werden, denn es wurde Magic: The Gathering gespielt. Wie SPIESSER-Praktikantin Renée den Tag beim World Cup erlebt hat, berichtet sie hier.
25. December 2015 - 09:22 SPIESSER-Autorin Oriella.
Ich betrete die gut gefüllte Halle. Um mich herum sind lauter verschiedene Grüppchen in auffälliger Kleidung. Links neben mir tuscheln mehrere Guatemalteken, in farbenfrohen Strickjacken mit aufgestickten Namen sowie Nation. Auf der anderen Seite der Halle ragen vier große Strohhüte aus der Menge und hinter mir betreten vier Schotten in Kilt den heiligen Boden.
Ich bin heute hier, um mir den World Cup in Magic: The Gathering anzuschauen und weiß noch gar nicht richtig, was mich eigentlich erwartet. Die letzten Wochen habe ich eifrig versucht, mich in das Spiel einzufinden, dennoch habe ich den Eindruck, dass ich die Komplexität des Spiels noch nicht im Mindestens durchdrungen habe.
Wer nicht weiß worum es geht, hier die Kurzerklärung: ähnlich wie in alten Pokémon-Zeiten geht es darum mit seinem eigenen Kartendeck einen Gegner zu besiegen. Die Karten sammle ich mir durch neue Packungen oder durchs Tauschen mit Freunden.
Das Spiel gibt es seit den 90ern und wurde seitdem immer weiter entwickelt, jedes Jahr kommen neue, aufwendig gestaltete Karten auf den Markt, mittlerweile gibt es auch eine Onlineversion und regelmäßige Treffen von Spielern in über 7000 Läden auf der ganzen Welt.
Dieser World Cup ist dafür der beste Beweis, heute treten hier 73 Nationen an. Von Mazedonien über Island bis hin zu Panama sind alle Regionen vertreten. Der World Cup läuft über drei Tage. Am ersten Tag beginnt der Cup mit dem Deckbuilding. Jedes Team baut sich drei Decks aus zwölf zufällig gewählten Kartenpackungen.
konzentrierte Ruhe in der Halle
Wenn diese erste Phase abgeschlossen ist, beginnen die Spielrunden. Es treten immer nur drei Spieler eines Teams an, der vierte Spieler ist beratend mit dabei. Eine Runde geht grundsätzlich 50 Minuten. Wenn dann noch kein Ende gefunden wurde, wird um fünf Züge verlängert. In jeder Runde setzt jeder Spieler es daran als erster zwei Spiele zu gewinnen. Die Mannschaft, die als erste zwei dieser Einzelspiele gewonnen hat, gewinnt das Match.
Heute wird es sieben Runden geben, anschließend wird ausgewertet und die besten 32 Teams sind für den zweiten Tag des Cups qualifiziert.
Am zweiten Tag ähnelt das Vorgehen einer Fussball-WM. Es werden Gruppen zusammengestellt und die besten zwei Teams der Gruppe kommen ins Viertelfinale. Danach folgt das Halbfinale und das Finale – ganz klassisch.
Die Sieger des Wochenendes bekommen 12.000$ pro Person und einen beeindruckenden goldenen Cup. Als größte Favoriten gelten Dänemark, Japan und die USA. Japan hat einen Spieler aus der Hall of Fame im Team, der schon zweimal die Protour, eine Tournee aus mehreren Einzeltunieren, gewonnen hat. Dänemark ist Titelverteidiger dieses Cups, aber auch die USA hat starke Spieler im Team, Kapitän ist der Spieler des Jahres 2014-15 Mike Sigrist.
Als die Runden beginnen legt sich eine tiefe Ruhe über die Halle, die Konzentration lässt sich beinah greifen. Während die meisten Spiele zeitgleich an kleinen Tischchen nebeneinander gespielt werden, gibt es vorne einen abgetrennten Bereich, der von Flaggen gesäumt ist. Hier findet das Feature-Match statt, dass live im Internet übertragen wird. Na klar, 36 Spiele können natürlich nicht alle gleichzeitig gefilmt werden. Die dafür ausgewählten Spiele, werden meist von Favoriten oder einem überraschenden Underdog gespielt oder weil es eine interessante Geschichte dahinter gibt. Sie werden kommentiert von Profis des Spiels, die – wie ich später entdecken darf – in einer kleinen Kabine hinter den Kulissen sitzen und das Ganze auch nur über Kameras verfolgen.
Deutschland schlägt sich in den ersten Runden ziemlich gut, die USA überraschen mit einem schwachen Spiel und Japan ist auch eher im Mittelfeld angesiedelt.
Je länger der Tag geht, desto anstrengender wird es für mich, konzentriert zu bleiben. Und dabei spiele ich gar nicht! Eine Mittagspause von 30 Minuten ist angesetzt, ansonsten gibt es nur kurze Pausen zwischen den Runden.
Am frühen Abend ändert sich die Stimmung in der Halle. Einige Teams haben sich jetzt schon für den zweiten Tag qualifiziert und sind euphorisch, andere haben es nicht geschafft und sind gedrückter Stimmung und wieder andere müssen jetzt noch einmal alles geben, um weiter zu kommen. Schließlich versammeln sich alle im Presseraum, um in der Übertragung zu erfahren, wer es nun geschafft hat. Die deutsche Mannschaft hat für den ersten Tag einen grandiosen vierten Platz ergattert und konnte die letzte Runde schon ausfallen lassen.
Um mich herum jubelt es bei jedem neuen Team, das erfährt, dass es weiter gekommen ist. Ich freue mich mit ihnen, obwohl ich sie doch eigentlich gar nicht kenne. Eine wirklich schöne Stimmung. Als ich die Halle schließlich verlasse, bin ich ganz gespannt, wie es für die anderen wohl weitergeht und es juckt mich in den Fingern, auch wieder eine Runde zu spielen.
Ausblick:
Meine Zeit in Barcelona ist vorbei, aber über den Livestream kann ich weiter mitfiebern. Am nächsten Tag konnte sich die deutsche Mannschaft nicht für das Viertelfinale qualifizieren, dafür schaffte es Österreich bis ins Halbfinale, in dem sie sich jedoch gegen den späteren Sieger des Cups Italien geschlagen geben mussten.
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