Was soll bloß aus Gustav werden? Lehrer vielleicht? Pustekuchen! Gustav ist doch kein egoistischer, aufmerksamkeitssüchtiger Schülerhasser. Was trotzdem für ein Lehramt-Studium spricht, steht hier im Blog.
01. December 2011 - 14:33 von SPIESSER-Autor Gustav.
Im Mund noch den fernen Geschmack des Mutterleibes, vor den Augen die aufregende Zukunft: Gustav ist bald raus aus der Nummer „Schule“. Kurz vorm Abi erzählt der NRW-Gesamtschüler in Blogform von seinem Endspurt in die Freiheit – und was sonst so los ist in der gymnasialen Oberstufe.
Bald ist die Schule vorbei. Dann bin ich endlich groß. Ich kann Student sein, frei sein, überall dabei sein! Irgendwas mit Medien machen! Oder – auch nicht schlecht – Schauspieler werden. Ich kann freiwillig irgendwas machen oder jetzt schon richtig dick Knete kassieren. Aber ... Vorschlag von Mutti ... ich kann natürlich auch was Vernünftiges werden. Lehrer zum Beispiel. Regelmäßiges Gehalt, Beamtenstatus und irre viel Freizeit inklusive. Das klingt doch nach was. Beziehungsweise: hat geklungen, bis ich Frau Patrovic kennengelernt habe.
Das mit der Frau Patrovic kam so: Mein Physiklehrer hat vergangenen Donnerstag den Raum verlassen, um Kopien anzufertigen (und sich eine Tasse Kaffee zu kippen, aber letzteres soll ich nicht publik machen). "Frau Patrovic, übernehmen Sie!", hieß es, und Frau Patrovic übernahm.
Frau Patrovic stand ängstlich vorne. Sie hat ein halbes Referendariat hinter sich, ebenso ihr Studium und ein erfolgreich bestandenes Eignungspraktikum. Sie stand mit den Händen in den Hosentaschen vorn und jammerte: Sollen wir vielleicht jetzt anfangen? *wimmer* Ich hab ... *jaul* ... hier ein kleines Arbeitsblatt ... *schnief* ... für Sie.
Nein, keiner will anfangen, wenn Frau Patrovic vorne steht. Dieses Rhetorik-Biest kann sich nicht durchsetzen. Das spürt man innerhalb der ersten Sekunden. Hinüber ist jeder Respektversuch gegenüber dieser Möchtegern-Autorität. Es geht hier nicht ums Gegeneinander, die Schule ist kein Schlachtfeld, und wir Schüler sind sicherlich fair genug, Anfängern eine Chance zu lassen. Aber wenn die Körpersprache der Lehramtsanwärterin signalisiert: Ich habe Angst vor euch, ich will zu meiner Mami, dann will ich der keine Chance geben. Dann hat die verloren. Basta.
Natürlich habe ich mich gleich unter den neuen Lehreramtsanwärterinnen umgeschaut und die ein oder andere gefunden, bei der ich sagen würde: Joa, die kann ruhig bleiben. Doch der Kern ist nach mehr als 4 Jahren Studium zu schüchtern, zu desorientiert, zu planlos. Und warum? Laut Patrovic gab es nicht eine anständige Rhetorik-Einheit im Lehramtsstudium. Die Studieninhalte sind abgehoben und praxisfern. Der künftige Deutschlehrer muss irgendwelche Mittelaltersprachen kennen, um hinterher Fünftklässlern den Genitiv zu vermitteln. Keine schönen Aussichten, wie ich finde.
Lehrer müssen eine dicke Haut haben, Lehrer zweifeln (gerade am Anfang) oft an sich selbst, Lehrer sind verdammt arme Schweine. Ja und nein. Wenn Lehrer motivierte Lehrer sind, dann gibt es – das schließe ich aus meinen Beobachtungen als Schüler – vielleicht mal schlechte Tage, aber das große Ganze ist spaßig und aufregend. Wenn Lehrer den Fehler begangen haben, Lehrer zu sein, obwohl ihnen lebenslang die Reife dazu fehlt, wird's übel. Da wachsen heute schon die künftigen Frührentner heran. Und der Unterricht wird ... langweilig.
Unterricht macht Spaß, wenn die Lehrkraft nicht rumzickt, man das ein oder andere Späßchen macht und irgendwie denkt: Ja, der passt zu uns. Auch autoritäres Verhalten liegt im grünen Bereich, wenn die Autorität eine natürliche Autorität ist, die Fachwissen anständig vermittelt und nicht auf superwichtig tut. Lehrer müssen ehrlich sein, sie selbst sein und nicht irgendeinem Idealbild des Lehrers erfolglos hinterherhecheln. Ich will mich verstanden fühlen. Pädagoge muss man sein – es zu werden ist unmöglich.
Der Silberstreifen am Horizont
Na, und was wird jetzt aus mir? In knapp 3.300 Zeichen habe ich jetzt über das Lehrersein gemeckert. Dabei spricht tatsächlich einiges dafür: Eine einigermaßen sichere Berufsaussicht zum Beispiel. Es gibt mehr Kohle als anderswo. Der Beruf ist vielseitig, ständig passiert Neues, Ungeplantes. Die tollsten Kollegen sind Kinder und Jugendliche. Also solche, die noch mit klarem Kopf die Welt entdecken, motivierbar sind, wenn man selber motiviert ist und neugierig und gut gelaunt.
Vielleicht ist es Glück, wenn man Lehrer ist. Also ... wirklich ist, mit der Betonung auf "IST". Nicht irgendwann mal ein angeblich affiges Lehramtsstudium hinter sich gebracht hat. Dann kommt man nämlich mit Schülerinnen und Schülern gut aus und kann hinterher sagen: In denen steckt ein Stück von mir, und darauf bin ich stolz. Jetzt gilt es nur noch herauszufinden, ob Schüler für mich die richtige Zielgruppe sind – oder ob ich doch lieber Schauspieler werde. Oder Maschinenbau studiere. Oder einfach den Sand in den Kopf stecke.
Kampf den Patrovics dieser Welt (Ausrufezeichen)!
Ob wohl auch eine Frau Patrovic unter Julias Professoren an der Uni weilt? Ich hoffe nicht. Die Antwort und mehr: Nächste Woche im Blog auf SPIESSER.de
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Ist das jetzt ein gutes oder schlechtes Zeichen?! ;)
Ich denk mal, nach diesem Artikel hast du dich zumindest pädagogisch schon mal qualifiziert! ;)
An sich richtig, aber lieber Gustav, wenn du meinen Informatik- Kurs kenntest, wüsstest du, dass man den schlicht nicht motivieren kann.
An sonsten stimme ich dir mal wieder volles Rohr zu.
Ich lieeebe diesen Blog. :D