Fair-Trade-Produkte gibts mittlerweile in fast jedem Supermarkt. Aber was kaufen wir da eigentlich? Milena ist dem fairen Handel nachgegangen – und hat sich dabei fast verlaufen.
13. May 2016 - 11:49 SPIESSER-AutorIn millaialfons.
Neulich im Bioladen: Ich stehe vorm Regal und starre auf die Kaffeeauswahl. Es gibt ihn gemahlen, in ganzen Bohnen, für wenig oder mehr Geld, importiert aus Mexiko, Peru oder Äthiopien. Ich greife zu einer der teureren Tüten mit Fairtrade-Siegel – und fühle mich wie Mutter Teresa, die den Armen hilft. Aber warum eigentlich?
Fakt ist: In den vergangenen vier Jahren hat sich der Umsatz mit fair gehandelten Produkten laut Forum Fairer Handel, dem deutschen Netzwerk des fairen Handels, in Deutschland auf rund 650 Millionen Euro verdoppelt. Das entspricht in etwa dem Markenwert des FC Bayern München. Vor allem fairer Kaffee, Kakao, Tee und Südfrüchte landeten in den Einkaufskörben. Die meisten Produkte kommen aus Entwicklungsländern in Asien, Lateinamerika oder Afrika. Mittlerweile stehen fair gehandelte Waren nicht mehr nur in den 8.000 Weltläden sondern auch in mehr als 42.000 Supermärkten.
Fernab der harten Fakten ist die Welt des fairen Handels so komplex wie die Verschwörungstheorien um den Tod von John F. Kennedy, Einsteins Relativitätstheorie und das Innenleben eines Ameisenhaufens. Gleichzeitig.
Alles nicht so einfach
Foto: André Forner
Laut Definition der vier internationalen Dachorganisationen geht es bei Fair Trade um „eine Handelspartnerschaft, die [...] nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt.“ Fair stehe dabei für bessere Handelsbedingungen und das Ziel, die sozialen Rechte der Produzenten und Arbeiter zu sichern.
Das klingt alles schön gutmenschlich. Ziemlich schnell begegnet mir das erste Aber: Der wohlklingende Begriff „fairer Handel“ ist nicht geschützt. Das heißt, es gibt – im Gegensatz zu Bio-Lebensmitteln – keine gesetzlich vorgegebenen Standards, die fair gehandelte Ware erfüllen muss. Die Richtlinien des fairen Handels sind (nur) von internationalen Nicht-Regierungs- Organisationen festgelegt. Die wichtigsten Darsteller auf der Fair- Trade-Bühne sind die World Fair Trade Organization (WFTO) und die Fairtrade Labelling Organizations International e.V. (FLO). Während WFTO allgemein formulierte Standards für Fair-Handels- Organisationen festlegt, konzentriert sich FLO auf einzelne Produkte und vergibt das Fairtrade-Siegel.
Aber Achtung: „Fair Trade“ getrennt geschrieben steht allgemein für faire Produktionsbedingungen. Es ist „nur“ die englische Übersetzung von „fairem Handel“. Mit dem Fairtrade-Siegel hat das nicht zwangsläufi g etwas zu tun. Klebt Fairtrade als ein Wort zusammen, geht es dabei um den gesicherten Begriff von FLO. Anfang der 90er Jahre führte die FLO-Organisation TransFair e.V. das Fairtrade-Siegel ein. Inzwischen ziert es fast 2.000 Produkte. Sie erfüllen dieselben Standards. „Um das zu garantieren, gibt es eine Art Fairtrade-TÜV“, erklärt mir Dieter Overath, Geschäftsführer von Fairtrade Deutschland.
Doch worauf achten sie, um ein Produkt als fair einzustufen? „Die Fairtrade-Standards sind lang und ziemlich abstrakt“, sagt Overath. In einem Satz stünde das Siegel für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen. Händler müssen faire Preise und eine Fairtrade-Prämie für Entwicklungsmaßnahmen zahlen – auch, um die Umstellung auf Bio-Anbau zu finanzieren. Merke: Fair ist nicht gleich bio, sondern sozial. Allerdings tragen zwei Drittel aller in Deutschland verkauften Fairtrade- Produkte auch ein Bio-Siegel.
Same same but different
Doch das Fairtrade-Siegel kennzeichnet nicht alle fair gehandelten Produkte. Bei Fair-Handels-Organisationen wie den deutschen Importfi rmen GEPA oder El Puente steht das Firmenlogo auto matisch für Fair Trade, da sich die Unternehmen zu 100 Prozent dem fairen Handel und den WFTOStandards verpflichtet haben. GEPA hat bewusst das Fairtrade-Siegel von Produkten entfernt und setzt jetzt auf das fi rmeneigene fair+-Logo. Damit will die Importfirma zeigen, dass ihre Handelsgrundsätze über die FLO-Standards hinausgehen.
Die GEPA versucht beispielsweise, Schokolade 100-prozentig fair zu handeln, indem sie Kakao und Zucker aus dem Süden und auch die Milch aus dem Norden fair kauft. Für das Fairtrade-Siegel müssten aber nur 20 Prozent des Produktes aus fair gehandelten Zutaten bestehen. An der Qualität der Waren ändert das nichts, sagt Thomas Speck, einer der drei GEPA-Geschäftsführer: „Bei der Qualität muss man sich am Hersteller, also an der Marke orientieren und nicht am Siegel.“
Dieses Problem hat auch das kleine Unternehmen Coffee Circle erkannt. „Die verschiedenen Fair-Trade-Siegel sind alle nicht zeitgemäß. Bei uns übernimmt das die Transparenz im Internet“, erklärt mir Robert Rudnick, einer der drei Firmengründer. Welche Projekte unterstützt würden, sei bei den großen Siegel organisationen nicht immer erkennbar, meint er: „Ich finde Fairtrade nicht schlecht, aber die Organisationen betreiben Entwicklungshilfe wie eine Verwaltung“. Bei Fairtrade-Kaffee etwa komme viel zu wenig Geld bei den Bauern an – nämlich 30 Cent pro Kilo für soziale Entwicklungsprojekte. Und das, obwohl er viel mehr als normaler Kaffee kostet.
Anstatt eine dritte Organisation zu bezahlen, die sich um die Kaffeebauern kümmert, führt Coffee Circle direkt einen Euro pro Kilo Kaffee zurück – aber nur, wenn die Produktqualität stimmt. Dadurch kostet eine 500-Gramm-Packung so viel wie ein Männerhaarschnitt beim Friseur. „Was früher bio war, ist heute Fair Trade – die Supermarktketten wollen einfach nur ein Siegel auf die Ware pappen“, sagt Rudnick dazu.
Aber an was soll ich mich beim Einkaufen nun halten? Siegel helfen als Orientierung offensichtlich nur bedingt und dem Begriff Fair Trade kann man nicht blind vertrauen. Ethisch korrekter Konsum ist nicht einfach. Das nächste Mal im Bioladen werde ich wahrscheinlich immer noch zum Fairtrade-Kaffee greifen. Aber ich werde mich wohl nicht mehr ganz so gut dabei fühlen.
Man weiss gar nicht mehr, was man kaufen soll. Kauft man kein Fairtrade oder Bio hat man vielleicht ein schlechtes Gewissen. Aber auch bei Bio und Fairtrade Produkten gibt es keine 100%ige Sicherheit, dass das Geld was wir mehr ausgeben für ein gutes Gewissen auch bei beispielsweise den Kaffeebauern ankommt. Ich denke für manche gibt es tatsächlich eine Veränderung, wenn auch nur eine kleine, immerhin.
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