Die braungefleckte Banane oder das hart gewordene Brot – oft landen sie im Müll. Insgesamt werden in Europa jedes Jahr 90 Millionen Tonnen essbare Lebensmittel weggeworfen. Um darauf aufmerksam zu machen, hat der Koch und Journalist David Gross eine Tour durch Europa gemacht – und mit dem gekocht, was andere wegwerfen. SPIESSER-Autorin Alea hat mit ihm ganz unverwerflich gesprochen.
26. October 2015 - 11:20 SPIESSER-Autorin Flying Lucy.
Mülltauchen, auch Containern genannt, geschieht meist nicht aus Geldmangel oder Not, sondern ist ein bewusstes politisches Statement. Es geht um Konsumkritik und -verweigerung. Bei uns lässt sich von dem leben, was sich im Müll findet.
Du hast eine Ausbildung zum Koch gemacht. Habt ihr da viel weggeworfen?
Meine Erfahrungen, vor allem in der Spitzengastronomie, waren katastrophal: Noch vor fünf beziehungsweise zehn Jahren war Verschwendung sehr weit verbreitet. Nach dem Motto: Filetstücke sind gerade gut genug, alles andere wird weggeschnitten. Das galt nicht nur für Fleisch und Fisch, sondern auch für Gemüse. Seit ein paar Jahren findet ein Umdenken statt. Es gibt eine Küche, die bewusst damit umgeht, die gab es schon immer. Aber es gibt auch diese etwas abartige Spitzengastronomie, die viel zu viel Müll produziert.
Die Kochshows im Fernsehen haben mich immer geärgert: Prominente zaubern was Tolles mit Zutaten, die aus der ganzen Welt eingeflogen werden müssen. Deshalb wollte ich meine eigene, radikale Kochshow machen, die mit dem auskommt, was es im Müll gibt. Man muss sich fragen: Wie kommt es dazu, dass Lebensmittel so wertlos geworden sind? Um was zu ändern, brauchen wir ein Umdenken auf allen Ebenen. Wir brauchen die richtigen Gesetze und politischen Signale. Und wir brauchen Bewusstseinsbildung bei den Konsumenten, also zum Beispiel in Schulen. Wenn Unternehmen umdenken, werden sie sehen, dass es ihnen wirtschaftlich etwas bringt, weniger wegzuwerfen. Aber zu glauben, die Unternehmen machen das freiwillig, von heute auf morgen, ist naiv.
Ist die Lebensmittelverschwendung also eine Generationenfrage?
Natürlich. Dass sich dieses System entwickeln konnte, dass in Wien, der größten österreichischen Stadt, so viel Brot weggeworfen wird, wie in Graz, der zweitgrößten österreichische Stadt am Tag verbraucht wird. Wenn ich das meiner Großmutter erzähle, kann sie das nicht glauben. Wenn man den Hunger nach dem Krieg erlebt hat, dann ist es völlig unvorstellbar, was heute passiert. Das Spannende ist der Brückenschlag zwischen zwei Generationen: Die Großelterngeneration ist durch das eigene Erleben sehr sensibilisiert, aber auch für Kinder und Jugendliche ist der achtsame Umgang mit Lebensmitteln ein viel größeres Thema geworden.
Man muss aus der Not eine Tugend machen: Die Krise, die sich in vielen europäischen Ländern dramatisch auswirkt, hat dazu geführt, dass sich in Spanien und Griechenland im Lebensmittelbereich viel getan hat. Bei „Foodsharing“ sind in Athen zigtausende Menschen dabei. Sie sammeln die Lebensmittel ein, die irgendwo übrig bleiben und kochen gemeinsam. Da kann neue Solidarität entstehen.
David Gross - „Wastecooking“
David Gross wurde 1978 in Salzburg geboren. Er ist nicht nur passionierter Mülltaucher, sondern auch Journalist, Filmemacher und ausgebildeter Koch. 2012 gründete er „Wastecooking“: Das Kollektiv bringt Köche und Mülltaucher zusammen und kocht mit Lebensmittelresten aus dem Müll. Mit seinem Wastemobil reiste er durch fünf europäische Länder und macht mit Kreativität auf den Wegwerfwahn aufmerksam. Dokumentiert wurde seine Reise unter anderem auf arte.
Hast du Tipps für Veränderungen im Alltag?
Das Wegwerfen beginnt mit dem Einkaufen. Wer mit Hunger einkauft, kauft zu viel. Es ist auch nicht klug, Großpackungen zu kaufen, wenn man nicht eine zehnköpfige Familie zuhause hat. Dem Mindesthaltbarkeitsdatum kann man nur bedingt vertrauen, eigentlich nur bei Fleisch und Fisch, denn da gibt es ein Risiko. Bei fast allen anderen Produkten empfehle ich, die eigenen Sinne heranzuziehen: riechen und schmecken, ist das noch gut? Ich habe Produkte gegessen, die mindestens zehn Jahre abgelaufen waren. Warum brauchen Salz, Zucker oder Kaffee ein Mindesthaltbarkeitsdatum? Weil der Handel weiß, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum dazu führt, dass die Leute abgelaufene Sachen wegschmeißen und etwas Neues kaufen. Diesen Teufelskreislauf muss man unterbrechen.
Mit deiner mobilen Küche bist du durch Österreich, Deutschland, die Niederlande, Belgien und Frankreich gereist. Du warst mit der Müllabfuhr unterwegs, hast Kühlschränke nach Resten durchsucht, die Kantine des EU-Parlaments besucht – und überall aus Resten tolle Gerichte gezaubert. Würden dich auch andere Kontinente reizen?
Lebensmittelverschwendung ist ein globales Thema. Die Bananen, die in Costa Rica gepflückt und dann in Plastik verpackt um die halbe Welt geschickt werden, landen bei uns im Mülleimer. Die Nachfrage, die wir kreieren, ist zu einem Drittel künstlich. Dadurch steigen aber die Preise und das hat Auswirkungen auf die Preise von Grundnahrungsmitteln auf der ganzen Welt. Es gibt tatsächlich einen Zusammenhang zwischen unserem Wegwerfen und großen Missständen in anderen Teilen der Welt. Es gilt, diese globale Dimension aufzuzeigen.
Text: Alea Rentmeister
Fotos: wastecooking
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