Die UN-Klimakonferenz ist im Endspurt. Seit anderthalb Wochen wird bei der COP23 darüber diskutiert, wie das Pariser Klimaabkommen konkret umgesetzt werden soll. Unter den Delegierten sind tausende Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft – und Jugendliche aus aller Welt, die dafür sorgen, dass auch ihre Stimme gehört wird. SPIESSER-Autorin Lara gehört zu den jungen Klimarettern und berichtet für uns vom Klimagipfel.
23. November 2017 - 12:17 SPIESSER-AutorIn lara.sc.
Wo soll ich anfangen? Nach meinem ersten Tag auf der UN-Klimakonferenz fiel ich erstmal völlig erschöpft ins Bett. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal mit so vielen Eindrücken und Informationen gleichzeitig konfrontiert wurde. Das fängt bei den Geheimtipps zu kostenlosem Kaffee und freien Steckdosen an und endet mit dem Wirrwarr an Abkürzungen, das für Neulinge kaum zu durchdringen ist. Zwischendurch sitzt man mal neben dem Gründer von Transparency International, spricht mit der früheren Umweltministerin von NRW oder schüttelt dem französischen Präsidenten die Hand.
Autorin Lara bei der COP23.
Es gibt viel zu viel zu tun
Fast überall darf man mithören und mitreden. Jugend-Arbeitsgruppen versuchen, ihre Vorschläge und Themen in den Entwürfen der einzelnen Verhandlungsstränge unterzubringen. Wenige davon werden es später vielleicht in die offiziellen Schriftstücke schaffen, die meisten werden in einer Schublade verschwinden. Protestaktionen müssen geplant und beworben werden – nach strikten Regeln, versteht sich. Der detaillierte Antrag muss 24 Stunden vorher eingereicht werden und der Protest darf sich nicht gegen ein konkretes Land richten. Hält man sich nicht an diese und weitere Vorgaben, oder nimmt sogar an einer „illegalen Aktion“ teil, fliegt im Zweifel die ganze Gruppe von der Konferenz. Das will niemand riskieren. Entsprechend viel Arbeit und Feingefühl wird in die Vorbereitung gesteckt: Jeder Satz muss sitzen und was zwischen den Zeilen steht, auch.
Unsere Klimadelegation organisierte zusammen mit einer anderen Jugendorganisation eine große Aktion zum Thema Kohleausstieg. Am Haupteingang machten wir auf den nur 50 km entfernten Braunkohlentagebau aufmerksam und boten unseren Gästen aus aller Welt „regionale Souvenirs“ in Form von Kohlebrocken an. Die Supermarktverkäuferin hatte uns am Tag zuvor die letzte Packung Grillkohle aus dem Lager geholt. Wer die Briketts nicht mit nach Hause nehmen wollte, konnte an vorbereiteten Kartons den Kohlausstieg vorführen. Die Delegierten waren von diesem Konzept begeistert und machten sich für die Fernsehteams gerne die Hände schmutzig. Am Ende landeten wir sogar im ZDF.
Kohle-Aktion: „Regionale Souvenirs“ gefällig?
Fronten. Snacks und Kampfgeist
Ein Klimagipfel macht aber nicht nur Spaß. Aus einer Zweier-WG auf eine Konferenz mit 25.000 Menschen geworfen zu werden, ist gewöhnungsbedürftig. Der Hals kämpft schnell mit der trockenen Klimaanlagenluft, die Augen sehnen sich nach Tageslicht. Die Preise in der Cafeteria übersteigen jedes Studentenbudget und man sieht regelmäßig, wie junge Delegierte das kostenlose Essen nach Diskussionsrunden plündern. Sogar eine geheime Facebookgruppe wurde dafür eingerichtet, mit Neuigkeiten rund um kostenlose Snacks.
Und logischerweise sind hier nicht alle an ambitionierter Klimapolitik interessiert. Da gibt es die Lobbyisten, die ganz offen zugeben, dass sie eine CO2-Steuer verhindern wollen und die Nuklear-Jugend, die sich für Atomenergie einsetzt und an deren Stand sich kein einziger Besucher verirren möchte. Die US-Regierung ersetzte eine Veranstaltung zu erneuerbaren Energien durch eine Diskussion über „saubere fossile Brennstoffe“ – und wurde prompt medienwirksam durch die Jugendorganisationen gesprengt. Alternative Fakten haben keine Chance.
Die Uhr tickt
Solche Veranstaltungen motivieren und lösen Kampfgeist aus. Sie zeigen, dass im Bereich Klimaschutz immer noch lautes Engagement nötig ist – aber auch, dass hier keiner den Mund hält, wenn es drauf ankommt. Wenn dann noch weitere Erfolge hinzukommen, ist die Stimmung wieder oben. Manchmal geht es nur darum, dass bestimmte Themen in den Verhandlungen endlich Beachtung bekommen. In diesem Jahr waren das die Meere, Genderfragen und die Rechte von indigenen Völkern. Bei Abschluss dieses Artikels haben gerade achtzehn Länder zusammen ihren Kohleausstieg angekündigt. Das gibt Power für den letzten Tag – ist aber letztlich wieder nur ein kleiner von vielen benötigten Meilensteinen. Es muss noch viel mehr viel schneller passieren, damit die durch Klimawandel entstehenden Schäden und Verluste weitgehend begrenzt werden können. Während man in Deutschland noch abwägt, müssen auf Fidschi, aufgrund des steigenden Meeresspiegels, schon Dörfer umgesiedelt werden. Die Uhr tickt. In Bonn hört man das. In Berlin hoffentlich auch.
Die Klimadelegation und SPIESSERin Lara mittendrin.
Text und Fotos: Lara Schech
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