Vor einem Jahr stach die „Lifeline“ das erste Mal in See, sechs Missionen folgten, 1019 Menschen wurden aus Seenot gerettet (Stand August 2018). Während das konfiszierte Schiff der „Mission Lifeline“ auf Malta festgehalten wird, sprach Vorstandsmitglied Axel Steier mit SPIESSER-Redakteurin Polina über Nachtschichten, Glückshormone und Gegenwind.
23. November 2018 - 14:51 SPIESSER-Autorin Individuot.
Als „Dresden-Balkan-Konvoi“ – später „Mission Lifeline“ – starten im Oktober 2015 Freiwillige aus Dresden die Unterstützung von Menschen auf der Flucht. Sie sammeln Sachspenden, transportieren diese nach Serbien und versorgen dort Flüchtlinge. Dann wird die Balkanroute geschlossen. Die Flüchtlingsroute verändert sich, verlagert sich auf das Mittelmeer. 2015 sterben auf diesem Weg über 3700 Menschen, 2016 sind es sogar mehr als 5000.
„Wir haben keine Freunde˝
„Durch diese Bilder wurde für uns die Notwendigkeit offensichtlich, aktiv zu reagieren. Durch den Dresden-Balkan-Konvoi hatten wir schon Spenden gesammelt und dachten: Jetzt könnten wir eine Nummer größer gehen“, erklärt Mitbegründer Axel Steier. Im Herbst 2017 war es dann so weit – das auf den Namen „Lifeline“ getaufte Schiff brach zur ersten Mission auf. Was zu einer Mission alles dazugehört? Axel erklärt: „Material muss beschafft und verladen werden, die gut ausgewählte Crew muss stehen – das ist keine Wanderfahrt, sondern eine riesige logistische und finanzielle Herausforderung.“
Freunde, Bekannte, mittlerweile auch Freiwillige aus aller Welt haben sich sechs Mal dieser Herausforderung gestellt. Axel selbst war nur bei der ersten Mission dabei und unterstützte bei den anderen am Telefon. „Ich bin dann zwar nicht auf dem Schiff, aber die gesamte Kommunikation läuft über uns und wir wissen ziemlich genau, was Sache ist“, erzählt Axel. Ein Schichtplan macht es möglich, dass 24 Stunden jemand erreichbar ist. Trotzdem könne man sich glücklich schätzen, wenn man vier Stunden Schlaf bekommt, erzählt Axel und erklärt: „Wir telefonieren dann mit dem Auswärtigen Amt und klären, welche Staaten die Menschen aufnehmen. Die kennen uns alle, aber die wollen natürlich nichts mit uns zu tun haben. Wir haben keine Freunde.“
„Wir wollen so schnell wie möglich wieder aktiv werden”
Strikter sei er geworden, lasse sich nicht mehr so schnell zu etwas überreden. Trotzdem nimmt Axel fast jede Presseanfrage an – so wie Ende August von Spiegel online. Dabei traf er Torsten Küllig, der 2016 die „Mission Lifeline“ wegen „Einschleusung von Ausländern“ angezeigt (Korrektur vom 6.11.2018: Ursprünglich stand an dieser Stelle in diesem Beitrag „angeklagt“ – dieser Begriff wurde an dieser Stelle falsch verwendet, da nur Staatsanwälte anklagen, nicht Bürger) hatte. „Umstimmen kann ich den nicht – das war mir aber schon vor dem Gespräch klar. Aber hey, dafür waren wir im Spiegel!“, kommentiert Axel grinsend. Denn Aufmerksamkeit bringt Spenden, Aufrufe von Promis wie den „Ärzten“ sowieso, und das ist es, worum es geht.
Aktuell sammelt die „Mission Lifeline“ 475.000 Euro für ein neues Schiff. Was dann folgt? „Wenn der Kauf abgewickelt ist, muss das Schiff registriert und ausgebaut werden. Da das ein langwieriger Prozess ist, überlegen wir uns derzeit Zwischenlösungen, um in diesem Herbst noch rauszufahren. Wir wollen so schnell wie möglich wieder aktiv werden“, gibt Axel die Richtung vor. Zum Teil sehen sie die Menschen, die sie retten, wieder – ein schönes Gefühl. Es ist jedoch nicht vergleichbar mit dem bewegenden Moment, wenn man Menschen aus dem Wasser auf das sichere Schiff zieht. „Man schöpft unwahrscheinlich viel Emotionalität daraus und es ist ein fast rauschhafter Zustand“, sagt Axel nachdenklich und fügt hinzu: „1019 Menschen hat die ‚Mission Lifeline‘ gerettet, aber das spielt keine Rolle – wir hätten es auch für eine Person gemacht.“
Text: Polina Boyko
Bilder: Matthias Popp
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