Woher wollen wir denn heute wissen, was genau Goethe uns mit seinem Gedicht sagen wollte? Wollte er uns überhaupt etwas sagen? Vielleicht hat ihn nur gerade etwas bewegt, was er zu Papier bringen wollte! Denn: Denkt wirklich jeder Autor über jedes Wort nach und dessen tiefere Bedeutung? Das glaube ich eher nicht. Vor allem wenn es um Kurzgeschichten geht. Kann es nicht einfach sein, dass der Autor der Leserschaft Vergnügen bereiten wollte? Nein, natürlich nicht, er wollte uns das Ende der Welt vorhersagen!
Es gibt aber auch Autoren, die das ähnlich sehen. Zum Beispiel Tsugumi Ohba. Der hat die Geschichte zu Death Note geschrieben, die sich ganz kurz zusammengefasst darum dreht, dass jemand durch eine geheime Waffe Schwerverbrecher umbringt, um eine friedliche Welt zu schaffen. Hier würden passionierte DeutschlehrerInnen jetzt wieder den Kampf zwischen Gut und Böse hineininterpretieren, was aber überhaupt nicht das ist, was der Autor möchte. Denn in einem Interview antwortet er auf die Frage, ob er mit seiner Geschichte etwas zum Ausdruck bringen wollte, wie folgt:
"Nein eigentlich nicht. Ich finde es unwichtig eine Debatte über Gut und Böse zu führen und zu erörtern ober Light (der Mörder der Verbrecher) richtig gehandelt hat oder nicht."
Sicherlich gibt es auch Dichter und Autoren, die sich tiefere Gedanken zu ihren Texten machen, aber das ist denke ich eher die Minderheit. Jedenfalls unter den Kurzgeschichten-Autoren.
Muss man also überall sonstwas hineingeheimnissen?
das ist ja der gag am interpretieren, dass jeder seine eigene Meinung dazu hat. Und wenn man nur das schreiben darf, was der Lehrer sich vorstellt, um eine gute Note zu bekommen, dann haben ganz eindeutig die Lehrer den Sinn der Interpretation falsch verstanden.
da kann ich nur zustimmen. Es macht Spaß im Unterricht zu sehen, was er für verschiedene Meinungen über Texte gibt, damit man darüber diskutieren kann. Aber das in einer Arbeit nur die Meinung der Lehrer zählt, ist einfach unfair. Dann heißt es gleich, man hat den Sinn nicht erkannt und somit das Thema verfehlt. Vielleicht hat der Lehrer ja auch einfach nur unsere Interpretation falsch gedeutet ;)
Nicht die Interpretation der Texte ist sinnlos, sondern die BEWERTUNG dieser Interpretationen!
ich finds eigentlich ganz cool textinterpretationen zu machen, wenn ma so die hintergründe zu den gedichten, autoren kurzgeschichten oder was auch immer kennt, dann findet man eigentlich immer was. ich geb dir recht, ich denke auch nicht, dass die autoren immer die absicht hatten, einen tieferen sinn in ihre werke hineinzuprojezieren, aber wenn man seiner fantasie freien lauf lässt, kann es auch spaß machen aus kleinsten details etwas herauszuziehen;)auch wenn das vom autor nicht beabsichtigt war..
wer braucht so was..
und wen interessiert das??
^^
Sicher war schon jeder Schüler mal der Meinung, dass es total sinnlos ist, dieses Gedicht oder jene Geschichte dermaßen auseinanderzunehmen, sie systematisch zu zerrupfen um dann eventuell auf eine mögliche tiefere Wahrheit zu stoßen...
Auch ich war öfters dieser Meinung, wenn ich mal wieder vergessen hatte, die für mich völlig irrelevanten Gedankenstriche zu interpretieren, die aber wohl das Zögern des Autors und dessen Unsicherheit auf dramatische Weise reflektieren sollten.
Im Laufe der Deutschjahre und der damit vorbeiziehenden Deutschlehrer hat sich das jedoch geändert. Zwar bin ich bei GEdichten immer noch der Meinung, dass man nicht alle Worte, die mit dem gleichen Buchstaben anfangen auf eine tiefere Bedeutung hin untersuchen muss, aber gerade bei Büchern oder aber Kurzgeschichten ist mir mit der Zeit der Sinn dieser Beschäftigung aufgegangen: Das Nachdenken!
Während es sein kann, dass man eine Kurzgeschichte zum Unterhaltungszweck einfach nur "durchliest", ist es möglich, dass eben viel übersehen wird. Das ist mir spätestens bei unserem Abi-Sternchenthema "der Prozess" von Kafka aufgegangen. Beim ersten Lesen kommt man leicht dazu, zu sagen: der Mensch hatte nicht alle Tassen im Schrank (was nebenbei gemerkt auch stimmt). Insgesamt hab ich das Buch jedoch dreimal durchgelesen, mir die Deutungsvarianten angeschaut und bin immer tiefer in den Text eingetaucht. Es gibt nämlich neben der mehr oder weniger bekloppten Oberfläche noch eine tiefere Botschaft - das zumindest ist meine Überzeugung. Klar reichen da die Theorien von einem jüngsten Gericht bis hin zur Gesellschaftskritik und Vorausahnung des dritten Reichs, aber selbst wenn es nur eine autobiografische Verarbeitung irgendeines unbekannten Ereignisses ist, ist es doch interessant darüber nachzudenken, wie ein Mensch darauf kommt, gerade das zu schreiben, was er schreibt. Ich glaube, dass zumindest gute Autoren (wir reden hier nicht über bloße Unterhaltungsliteratur wie Twilight und dergleichen) tatsächlich mit ihren Texten eine Absicht verfolgen. Abgesehen von Kafka wird das auch in Bölls, Brechts und Remarques Werken deutlich und wenn wie bei letzterem diese Botschaft auch nur darin besteht, die Ereignisse seiner Zeit und die Gesellschaft in seiner Gegenwart aufzuzeichnen, ist es eben doch eine Botschaft.
Das Interpretieren bringt uns dieser Botschaft näher... was jetzt besagte Kurzgeschichten angeht, gibt es neben "In der Strafkolonie" von Kafka (ja, ich weiß ich bin ein bisschen kafkaesk geworden ^^) auch noch modernere Geschichten, bei denen keiner die Existens eines Hintergrunds leugnen können wird. Lest mal die Kurzgeschichten von Judith Hermann. Ihr kommt ums Interpretieren nicht herum. Und meiner bescheidenen Meinung nach ist das auch gut so. Text ist nicht gleich Unterhaltung, Lesen sollte uns auch etwas mitgeben!