Dr. Peter Neher ist Priester, Manager und Organisator in einer Person. Warum sein Job alles andere als langweilig ist und was er mit der Kanzlerin zu tun hat, hat der Präsident des Deutschen Caritasverbandes SPIESSER-Autorin Anne Juliane verraten. Dazu gab's Tomatensuppe und belegte Brötchen.
29. August 2014 - 16:23 SPIESSER-Autorin JuliANNE.
Herr Dr. Neher, Sie haben eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert und waren danach als Seelsorger und Gemeindepfarrer tätig. Warum der eher ungewöhnliche Wechsel zum „Gutmenschen“?
Dr. Peter Neher
1955 im Allgäu geboren, absolvierte er von 1971 bis 1973 eine Ausbildung zum Bankkaufmann, schloss danach ein Studium der Katholischen Theologie und Pädagogik an. Später arbeitete er als
Seelsorger und Pfarrer. Seit Mai 2003 ist er Präsident des Deutschen Caritas-verbandes. Mittlerweile arbeiten 560.000 Menschen beruflich in 24.373 Einrichtungen und Diensten, die der Caritas deutschlandweit angeschlossen sind. Sie werden von rund 500.000
Ehrenamtlichen und Freiwilligen unterstützt.
Ich war mit 16 Jahren einfach ratlos, was ich nach der Schule machen soll. Handwerklich war ich nicht begabt, meine Mutter riet mir zur Banklehre. Während der Ausbildung stellte ich dann aber fest, dass mich das nicht wirklich glücklich macht.
Und dann haben Sie hingeschmissen?
Im Gegenteil: Ich habe die Lehre durchgezogen, meinen Abschluss gemacht und das Fachabitur nachgeholt. Nach dem Grundwehrdienst entschied ich mich 1976 für das Studium der Katholischen Theologie und Pädagogik. In meiner Familie hat der Glaube schon immer eine Rolle gespielt, von daher lag das nicht so fern. Im Jahr 1983 bin ich dann zum Priester geweiht worden.
Was sagte Ihre Familie zu der Neuorientierung?
Mein Vater war schon verstorben. Meine Mutter hat sehr nüchtern darauf reagiert. Sie meinte: „Wenn du meinst, es ist das Richtige für dich, dann mach das!“ Und sie ergänzte, dass es vermutlich kein ganz einfacher Weg werden würde.
Lag sie denn richtig mit der Vermutung?
Das Studium war schon fordernd. Auch die beruflichen Erfahrungen lassen einen nicht kalt. Vor allem ist mit dem Priesteramt ja auch die Ehelosigkeit verbunden. Und als 28-Jähriger weiß man natürlich nicht, was das Leben noch alles bringt.
Sie sind seit Mai 2003 Präsident des Deutschen Caritasverbandes. Gibt es ein Ereignis, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Im Jahr 2004 flog ich nach Kabul und besuchte dort eine Ausgabestelle für Lebensmittel. Die jungen Afghaninnen mussten zur Identifikation ihre Burkas lüften. Darunter kamen eingefallene und sorgenvolle Gesichter zum Vorschein. So einen Anblick kann man nur schwer vergessen. Ein Jahr später war ich in einer Gegend in
Indien, wo der Tsunami gewütet hatte. Dort zeichnete sich ein ganz anderes Frauenbild: Mit einem beeindruckenden Engagement nahmen sich die Inderinnen ihrer Familien an. Dieses Selbstbewusstsein – trotz all der Zerstörung um sie herum – hat mich nachhaltig beeindruckt.
Wie kann ich mir Ihren typischen Arbeitstag vorstellen?
Den gibt es nicht. (lacht) Als oberster Repräsentant der Caritas bin ich ziemlich oft auf Dienstreisen und besuche unsere Einrichtungen. Außerdem führe ich Gespräche mit Ministern, dem Bundespräsidenten und der Kanzlerin, um auf Problemlagen aufmerksam zu machen.
„Not sehen und handeln“ – so der Leitspruch vom Deutschen Caritasverband. Mal konkret: Wie hilft Ihre Wohlfahrtsorganisation?
Die Caritas hat Einrichtungen und Dienste für Menschen, die mal irgendwo gestrauchelt sind. Überall dort, wo das Leben nicht glatt läuft, da helfen wir – etwa bei der Schuldnerberatung, in Beratungsstellen für psychische Erkrankungen oder auch bei der Schwangerschaftsberatung. Von uns gibt es nicht nur fromme Worte, sondern konkrete Hilfestellungen.
Seit 2012 gibt es in Deutschland keinen regulären Zivildienst mehr. Die Diskussion um dessen Abschaffung trieb den Wohlfahrtsverbänden Sorgenfalten auf die Stirn. Auch dem Deutschen Caritasverband?
Ja und nein. Natürlich wurden mit dem Zivildienst auch Dienste ergänzt, die dann beim Wegfall zu organisatorischen Herausforderungen führten. Mir hat es aber nie Angst gemacht, dass unsere Einrichtungen dafür keine Alternativen finden könnten. Nach wie vor gibt es bei uns eine große Zahl von jungen Menschen, die freiwillig – jetzt eben über das Freiwillige Soziale Jahr sowie den Bundesfreiwilligendienst – zu uns kommen.
"Wenn man von einer Sache fest
überzeugt ist, sollte man diesen Weg
gehen."
Was braucht man für eine Karriere wie Ihre?
Karriere ist irgendwie der falsche Begriff. Ich wollte Priester werden, klar. Danach kam vieles auf mich zu. Natürlich benötigt man Kommunikationsstärke, also die Fähigkeit im Dialog überzeugend zu sein. Man braucht auch Entscheidungsfreude sowie Standhaftigkeit. Schließlich darf man nicht gleich umfallen, sobald mal Gegenwind aufkommt. Humor ist immer gut. Und was mir manchmal etwas fehlt: Gelassenheit.
Die Möglichkeiten, die wir jungen Menschen heute haben, sind enorm. Mich verunsichert das manchmal etwas. Was würden Sie uns für den Lebensweg raten?
Ihr solltet euch folgende Frage stellen: Wofür könnt ihr euch wirklich begeistern? Wenn man von einer Sache fest überzeugt ist, sollte man diesen Weg gehen. Macht nichts, nur weil andere das von euch erwarten! Mal ein reales Beispiel: Ich habe eine Patentochter. Die liebäugelte nach einem sehr guten Abitur mit dem Medizinstudium – weil es von ihr „erwartet“ wurde. Ihr Herz schlug aber für die Schauspielerei. Sie hat alles daran gesetzt, ist mittlerweile Schauspielerin und hat ein festes Engagement in einem Wiener Theater. Das freut mich sehr für sie.
Mal allgemein gefragt: Wie bewerten Sie jugendliches Engagement in Deutschland?
Ich finde es eindrucksvoll, dass es so viele junge Menschen gibt, die sich nicht nur selbst genügen wollen, sondern sich aktiv für andere einsetzen. Auch im Hinblick auf andere Länder können wir wirklich stolz sein, dass es hierzulande die vielen freiwilligen Angebote gibt – und dass diese so gut genutzt werden.
Kann die Caritas weltweit denn etwas bewirken?
Ja – und das sage ich ganz selbstbewusst. Wir sind Teil des Caritas-Netzwerkes, dazu zählen weltweit 165 nationale Organisationen. Das bedeutet: Wenn etwas passiert, sind wir quasi schon da. Wir schauen dann, welche Art von Unterstützung die Kollegen vor Ort benötigen und leisten entsprechende Hilfen.
Sie sind in der zweiten Amtsperiode. Könnten Sie sich auch vorstellen, wieder als Seelsorger zu arbeiten?
Klar! Seit Beginn meiner Zeit als Präsident der Caritas helfe ich an den Wochenenden einem Freiburger Pfarrer aus, der vier Gemeinden hat. Ich war gern Gemeindepfarrer, ich war gern Klinikseelsorger und könnte mir das gut wieder vorstellen.
Text: Anne Juliane Wirth Fotos: Timo Schmidt
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