„Leidenschaft und Engagement kann man nicht lernen.”
Macht der Beruf „Politiker“ denn Spaß? Und was hält die Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration von Pegida und der Frauenquote? SPIESSER-Redaktionspraktikantin Rebekka im Mittags-Gespräch mit Petra Köpping.
14. February 2018 - 08:56 SPIESSER-Autorin breakfastatspiesser.
Wie kam es zu Ihrer Berufswahl? Haben Sie sich schon in Ihrer Jugend politisch engagiert?
Ehrlich gesagt überhaupt nicht. Ich bin zwar tatsächlich schon mit 19 in die Politik gegangen, aber mehr oder weniger aus pragmatischen Gründen, weil ich ein Kind hatte. Eigentlich hatte ich mich als Schauspielerin beworben (schmunzelt). Zu DDR-Zeiten gab es aber keine Krippenplätze und deswegen habe ich mir ein Studium ausgesucht, bei dem ich das alles miteinander vereinen konnte.
Petra Köpping
Mit ihrem Diplom für Staatswissenschaften hat die in Nordhausen geborene, dreifache Mutter die perfekte Grundlage für ihre berufliche Laufbahn gelegt. Ihre umfassende politische Erfahrung hat sie durch das frühzeitige Begleiten der Ämter Bürgermeisterin und Landrätin erlangt. Diese kann sie in ihrem jetzigen Beruf aktiv mit einbringen, denn sie ist heute Abgeordnete des Sächsischen Landtages, Mitglied der SPD und vor allem Sächsische Staatsministerin für Gleichstellung und Integration. Zu ihrem Geschäftsbereich gehört außerdem die Demokratieförderung.
Wie kann man schon im jungen Alter, beispielsweise in Kindergärten und Schulen, die Integration von Flüchtlingskindern fördern?
Wir in Sachsen waren mit die Ersten, die die sogenannten „Willkommens-Kitas“ aufgebaut haben, in denen die Erzieherinnen geschult worden sind, wie sie mit interkulturellen Kenntnissen agieren können. Wir müssen über den Betreuungsansatz, den wir jetzt in den Kitas haben, nachdenken, auch in Bezug auf Kinder mit Migrationshintergrund. Mir geht’s darum, dass Kinder, die die deutsche Sprache noch nicht gelernt haben, relativ schnell ins Alltagsgeschehen kommen.
Wie sehr steht Pegida bzw. deren Anhänger Ihrer Integrationspolitik im Weg?
Also im Weg kann einem eine Bevölkerung erst mal überhaupt nicht stehen. Ich glaube, dass viele Fehler gemacht worden sind seitens der Politik. Für Sachsen zumindest kann ich sagen, dass wir viele Jahre eine Integration überhaupt nicht hatten. Vom Staat gab’s gar keine Unterstützung für das Thema, weil man ja glaubte, die sind jetzt ein paar Jahre da und dann gehen die wieder weg. Es galt, das Thema der Integration gänzlich neu aufzubauen. Ich hatte da keine Einrichtungen, die mich hindern, sondern konnte alles so aufbauen, wie wir das für richtig hielten. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass man erst im Laufe der Zeit sehen kann, ob die Maßnahmen, die man heute für Integration ansetzt, auch tatsächlich die Integration bewirken, die wir brauchen.
Wie stehen Sie zur Einführung der Frauenquote?
Als junge Frau hätte ich das nicht befürwortet, weil man immer denkt: „Jeder, der Karriere machen will, kann das.“ Das ist nicht so. Und ich merke immer mehr, dass gerade Männer sehr enge Netzwerke haben, von denen sie gegenseitig profitieren. Darum glaube ich heute, dass eine Quote gerade für Führungspositionen wichtig ist, weil wir als Frauen lernen müssen, wie wir diese Netzwerke aufbauen. Wenn wir warten würden, bis sich das von selber ändert, müssten wir einer Statistik zufolge über 200 Jahre warten, bevor es Gleichberechtigung gibt (lacht). Und ich glaube das wollen wir nicht.
Können Sie unseren Lesern weitere Meilensteine der Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt vorstellen?
Ein großes Thema ist das Gleichstellungsgesetz, in dem es unter anderem darum geht, dass wir die Arbeits-, Freizeit- und Familienbedingungen angleichen. Viele Männer wollen heute genauso für die Familie da sein. Das hilft uns, weil Arbeitgeber sich jetzt nicht mehr nur in Bezug auf weibliche Angestellte fragen müssen, wann der Nachwuchs kommt. Deshalb werden sie schauen müssen, dass sie familienfreundliche, flexible Arbeitsbedingungen schaffen. Die Arbeitgeber, die das schaffen, profitieren unglaublich davon. Solche Arbeitgeber sind bei jungen Menschen, vor allem Akademikerinnen, besonders beliebt und ich bin da sehr
stolz drauf, dass ich in meinem Bereich viele junge Leute angestellt habe. Ich bin zwar anfangs beschimpft worden, weil ich nicht nach Verwaltungserfahrung gefragt habe, sondern nach Leidenschaft für das Thema Gleichstellung, Demokratie und Integration. Denn alles andere kann ich lernen – Leidenschaft und Engagement nicht.
Mal angenommen, ich will die gleiche Laufbahn einschlagen wie Sie, wie fange ich am besten an?
Ich wünsche mir Politiker mit Erfahrung. Wir haben eine Umfrage gemacht, nach der viele von der Hochschule sofort in den Land- oder Bundestag wollen. Bei den Listenwahlkämpfern, das sind die kleineren Parteien, ist es zum Beispiel so, dass mein Wahlkampf aufhört, wenn ich einen guten Listenplatz habe. Damit bin ich so gut wie drin im Bundestag, aber nicht dort, wo Leute mich vermissen und zwar auf der Straße, wo ich mich präsentiere und die Leute eine Wahl haben. Deswegen würde ich Ihnen empfehlen, aktiv aus einer Position heraus zu agieren. Wichtig ist, dass man sich früh einbringt in Gemeinde und Stadträten und ein gutes berufliches Fundament hat, um dann auch die Erfahrung mitzubringen.
Macht Ihnen Ihr Beruf Spaß?
Da bin ich jetzt ein bisschen enttäuscht, ich habe gedacht, das merkt man in unserem Interview (lacht). Es macht Spaß, aber es ist nicht jeder Tag schön. Man kann immer als Politiker entscheiden: Geh ich jetzt Bändchen durchschneiden oder geh ich zu einem Bürgerprotest, da geht’s hart her. Ich mach Letzteres lieber. Das ist schwerer, aber ich glaube, dass Politik dort gemacht wird, wo’s Auseinandersetzungen gibt.
Text: Rebekka Hörnig
Foto: Matthias Popp Teaserbild: Lena Schulze
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