Late Night Berlin – Das Programm ist der Name. Und umgekehrt.
SPIESSER-Autor Christian war live zu Gast bei der Premiere der neuen Late-Night-Show des Lustigen von Joko & Klaas und bewertet den neuen Landgrabbingversuch von ProSieben in der Medienlandschaft.
21. March 2018 - 12:51 SPIESSER-Autor Der Mann den Sie Pfirsich Nannten.
Als mich vor einigen Wochen ein Freund darauf hinwies, dass es endlich Konkurrenz für Böhmermann geben würde, hielt ich kurz inne und ging die möglichen Kandidaten dafür durch. Das imaginäre Tindern durch aktuelle Fernsehfiguren ergab nur einen möglichen Match: Klaas Heufer-Umlauf.
Nur hier darf er sein
Vorab gab es für die Sendung bereits unfreiwillige Lacher, weil Late Night Berlin nicht in der Hauptstadt, sondern in Potsdam gedreht wird. Die Fixierung von Klaas (zugezogen) auf Berlin hat aber symbolischen Charakter, bezogen auf die große Politik in der Hauptstadt und das große Leben drumherum. Etwas Gutes hat Klaas‘ Sendung auch vorher: Die Gelegenheit den Genetiv-Apostroph richtig anzuwenden – seht her „Ute’s“ Haarsalon, „Giovanni’s“ Restaurant und alle anderen Lokalpatrioten mit Idiotenapostroph, nur hier darf er sein.
Die Sendung beginnt mit opulentem Intro, das sieht nach ProSieben aus, nach „We Love To Entertain You“ und sät in mir den ersten Keim der Vermutung, dass der Mut eine Late Night Show zu machen nicht so weit trug, das Konzept zu erneuern. Trotzdem braucht der in den letzten Monaten abgeschliffene Böhmermann Konkurrenz in der Hoffnung, dass deutsche Late Night aus dem Sumpf der Hoffnungslosigkeit emporsteigt.
Guter Gag. Doch nun geht die Sendung weiter.
Was wird aufgetischt?
Zu Beginn wird der überprofessionelle Eindruck des Intros gebrochen, Klaas zeigt seine Anspannung und sich nahbar, für ein paar Minuten, dann beginnt die Unterhaltung nach Opas (ohne Apostroph) Late Night Rezept: Stand-Up als Zwerchfell-Aperitif, dann Schreibtischhauptmenü mit Einspielerbeilagen, als Nachtisch ein Interview und ein Musikgast als unterhaltungstechnischer Verdauerli.
Der Stand-Up wirkt steif, ist aber auch immer schwierig planbar und funktioniert die ersten Male selten. Klaas fällt es durch seine distanzierte, trockene Art der Darbietung aber noch etwas schwieriger und das Gagfeuerwerk am Anfang ist eher eine Wunderkerze mit vielen Funken Hoffnung. Dann stellt Klaas seinen Sidekick vor – ein bekanntes Gesicht aus dem Joko-Klaas-Kosmos – Jakob Lundt. Aus der Redaktion auf die Bühne: Er wirkt deplatziert wie das rote Sakko über dem Pullunder, aber damit wird offensiv umgegangen. Immerhin.
„Ohne Skript ist er besser.“
Dann die erste Werbepause und die Anspannung fällt etwas ab vom Moderator, dennoch ist es still im Studio. Klaas blättert im Skript und füllt dann die Stille mit einer Geschichte. Ohne Skript ist er besser. Er erzählt, dass er Angst hat auf dem Gelände Jo Gerner zu begegnen, weil er sich sicher ist, sobald man einen Charakter der Serie trifft, wird man automatisch Teil von ihr. Guter Gag. Doch nun geht die Sendung weiter.
Am Schreibtisch wird die Zielgruppe abgesteckt und der Bogen geschlagen zwischen Tagespolitik und tagsüber auf RTL II. Dann gibt es den ersten Einspieler, der sich eines der besten Werkzeuge aus Circus Halli Galli bedient und Passanten ein Szenario vertonen lässt, hier: Die Koalitionsverhandlungen. Schade, dass man direkt in der ersten Sendung den Bezug zur Vergangenheit herstellt, aber es gibt auch Eigengewächse wie die Rubrik „Gagvorschau“, in der man dem schnelllebigen Abhandeln von Themen proaktiv entgegentritt und schon vorher Gags zu anstehenden Wochenhöhepunkten vorträgt.
Ein Sitzsack. Eine Sexschaukel. Vier kräftige Kleinwüchsige.
Im Anschluss kommt der Gesprächsgast, Anne Will, die mit ihrer stahlharten Professionalität, die die sympathische und kluge Persönlichkeit umgibt, wenig Humorpotential lässt. Auch hier fehlt noch etwas Spritzigkeit und Lockerheit, das Gespräch gleitet ins belanglos Mühevolle und der Teil der Sendung geht unter wie Anne Will in dem riesigen Sessel, auf dem sie sitzen muss. Leider war der Griff zum Sitzmobiliar für die Gäste auch einer ins Klo. Wobei selbst ein Porzellanbecken ein würdevolleres Sitzen ermöglicht hätte als dieses riesige Konstrukt aus gigantischen Kissen in der Farbe von Jokos Erbrochenem. Hier eine kurze Liste von Sitzmöglichkeiten, die besser geeignet gewesen wären: Ein Sitzsack. Eine Sexschaukel. Vier kräftige Kleinwüchsige.
Anne Wills Professionalität überspielt das jedoch, lobt das Studio, lobt den gelungen Einstieg, lobt professionell. Da kannst du als witziger Moderator nur verlieren. Der Musikgast kann das mit überdurchschnittlich vielen jüngeren Mädchen gefüllte Publikum dann aufschreien lassen: Casper mit Ahzumjot mit dem Song, dessen Titel unbeabsichtigten Humor für das Ende einer Fernsehshow mit Livepublikum hat – „Lass sie gehen“. Er ließ uns gehen.
Text: Christian Schneider
Teaserbild: ProSieben/Claudius Pflug
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