Holzschnittartiges Buffet, die neuesten Krankheitsfälle aus dem Bekanntenkreis und hinterher einen Kümmerling – es ist wieder Familiengeburtstag. Ich versuche mich aus der Gesprächsschleife zu lösen, die mich immer fühlen lässt, als wäre ich in „Jährlich grüßt das Murmeltier“ gefangen, und lasse meinen Blick durch das Wohnzimmer meiner Großeltern schweifen. Plötzlich ein Dorn im Auge. Nicht physisch, aber optisch. Ein Tritt in die Leisten des guten Geschmacks starrt mich aus seinem billigen Kiefernholzrahmen an. Wer kauft sich sowas?
Niemand. Dann fällt es mir ein. Es war ein Geschenk von einem Ich aus einer anderen Zeit. Wie gern würde ich gerade zehn Jahre zurück reisen, um den 16-jährigen Christian, der von der Klassenfahrt aus Polen heimkehrend, den im direkten Anschluss der Rückkehr terminierten Geburtstag des Großvaters vergessen hat, von einem Scheißgeschenk abzuhalten. Auf der Abschlussrunde der Schnäppchenjungfüchse auf dem Polenmarkt wurde ein Bild eines austauschbaren Hafens beim Sonnenuntergang mit einem bernsteinverzierten Baum im Vordergrund gekauft. Das Ganze in einem oberbilligen Holzrahmen. Sah aus wie selbstgemacht von einer Hand, zu der ein Kopf gehörte, der vor allem mit wenig Kosten viel Gewinn machen wollte. Die Alternativen waren: bedruckte Textilien mit Tippfehlern sowie CDs und DVDs mit ausgeblichenen Covern. Ich erinnere mich, dass ich mich schon damals schäbig gefühlt hab. Bescheuertes Notgeschenk, da wäre was aus Großvaters Schuppen klauen und als Geschenk verkaufen besser gewesen. Da meine Großeltern aber großzügige Menschen sind, hängt das Bild immer noch relativ präsent in deren Wohnzimmer.
Die Begegnung mit dem Bernstein-Kiefernholz-Monster löste einen Backflash der Flop-Geschenke bei mir aus, die man aus fremdbestimmter Höflichkeit und ungerechtfertigter, jugendlicher Geringschätzung der wertvollen Familie gegenüber so schamkaufte. Jahre voller selbstgebastelter Kalender, daheim ausgedruckter Geburtstagskarten mit WordArt, Kitschsouvenirs und das sind nur die Beispiele, an die ich mich erinnern kann!
Der Charme von DIY wird als Geschenk schnell zur Fremdscham und ich glaube die Mühelosigkeit drückt sich durch jede Pore solcher selbstgebastelten Geschenke.
Das einzig Bewundernswerte dabei: Alle Eltern und Großeltern dieser Welt lächeln es mutig weg. Kein Wunder, dass sich ab einem gewissen Punkt im Leben nur noch Fotos gewünscht werden. Ihr denkt, es ginge Ihnen darum die Zeit, die weniger wird, auf Papier glänzend nachzuholen? Wahrscheinlich ist es eher eine elterliche Weisheit, die von Generation zu Generation weitergegeben wurde als der sicherste Weg keine Scheißgeschenke zu erhalten. Deshalb sind vor der Erfindung der Fotografie die Leute auch lange nicht so alt geworden – reiner Selbstschutz vor den im Alter lauernden Schreckensgeschenken.
Deshalb eine Bitte: Schenkt euren Verwandten, sofern ihr sie mögt, keine Scheiße. Die heben das auf. Für den Kontext. Für die Erinnerung. Vielleicht unterschätze ich meine Verwandtschaft aber auch und es ist einfach nur ein Mahnmal für mein klägliches Enkeldasein. Das Bernsteinzimmer der Verlegenheitsgeschenke.
Ich bin dann mal weg, das war meine Kolumne für dieses Jahr. Wenn es euch nicht gefallen hat, schenkt mir doch einfach etwas Selbstgebasteltes
Text: Christian Schneider
Teaserbild: Lena Schulze
Dir gefällt dieser Artikel?
auf Facebook teilen auf WhatsApp teilen auf Twitter teilen auf Google+ teilen
Lesekreise haben den Ruf, eine verstaubte Praxis aus vergangenen Tagen zu sein. SPIESSER-Autor Pierre möchte jedoch anregen, gerade jetzt in Zeiten der Pandemie wieder auf diese Zirkel zurückzugreifen.
Viele Menschen sind der Meinung, politische Debatten könnten aus neutralen Blickwinkeln geführt werden. Aber wem wird zugestanden, diese objektiven Standpunkte einnehmen zu können – und viel wichtiger: wem nicht? SPIESSER-Kolumnist Pierre zweifelt stark an der Existenz einer völlig
Seit Wochen schon geht es in Nachrichten über die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung nur um Weihnachten. Warum sehen wir es als selbstverständlich an, dass zu diesem Feiertag die Kontaktbeschränkungen gelockert werden, und zu keinem anderen?
Oft wird falsch verstanden, was mit Feminismus überhaupt gemeint ist. Der Begriff hat darüber hinaus eine Geschichte hinter sich, die nicht immer ohne Probleme war. SPIESSER-Kolumnist Pierre fragt sich deshalb: Warum taufen wir ihn nicht einfach um? Und liefert die Antwort auf diese Frage gleich mit.
Bevor Pierre nach Hildesheim gezogen ist, konnten die meisten Personen in seinem Freundeskreis nichts mit der Stadt anfangen. Er auch nicht. Nach seinem Bachelorstudium im beschaulichen Marburg hatte er eigentlich in die Großstadt seiner Träume ziehen wollen: Frankfurt am Main. Doch es kam anders.
Wer Bewerbungen schreibt, steht unter immensem Druck. Die eigenen Fähigkeiten müssen in kürzester Form präsentiert werden. Immer öfter geht es dabei aber scheinbar noch um etwas anderes – darum, besonders verliebt in seinen Job zu sein.
Was tun, wenn sich herausstellt, dass die Autorin der eigenen Lieblingsbücher öffentlich transfeindliche Ansichten propagiert? SPIESSER-Autor Pierre hat sich diese Frage gestellt - und kommt zu einer klaren Antwort.
Christliche Influencer, sogenannte „Christfluencer“, tragen nicht einfach ihren persönlichen Glauben nach außen. Sie vermarkten ihn vielmehr – wie ein Lifestyle-Produkt. Dabei nutzen sie modernste Kommunikation, um zu missionieren und aktiv gegen Werte wie die Gleichberechtigung
Was in Hanau am 19. Februar passiert ist, war für viele ein Auslöser von Angst. Tatsache ist aber, dass diese Angst für viele People of Colour in Deutschland Alltag ist.
Die Philosophie hat einen schlechten Ruf. Sie steht im Verdacht, ein Studienfach für Menschen zu sein, die schlicht nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen wissen. Dabei ließe sich gerade mithilfe der Philosophie unsere durchökonomisierte, neoliberale Gesellschaft auf den Kopf stellen.
Allgemeinbildung heißt heute Google, sagen manche. Aber das reicht nicht. Die Welt ist so kompliziert geworden, dass man leicht den Überblick verliert. Woher soll man wissen, was man wissen muss? Ein Gespräch zwischen Vater und Sohn.
Wovon darf Angela Merkel keine Ahnung haben? Wann dürfen Politiker Fehler machen? Und warum wissen wir alles besser als sie? Politiker haben riesige Verantwortung, keine Freizeit und Gegner auf allen Seiten. Für unsere Demokratie muss ein anderes Bild über sie her.
Mal ehrlich: Bargeld ist so modern wie der Dieselmotor, Atlanten oder Telefonzellen. Eine Zukunft hat es in einer digitalen Welt nicht. Zeit loszulassen, auch wenn das „dem Deutschen“ schwerfällt.
Orientierungslos blieben die eingesessenen Politikprofis zurück nachdem ein junger interessierter Mann mit auffälliger Frisur plötzlich den dunklen Raum der Politik für Jugendliche öffnete. Und die Erwachsenen reagierten, als würden sie von ihren Kindern beim Sex erwischt.
Bilder von Kindern gehören nicht ins Internet. Denn auch sie haben ein Recht auf Privatsphäre wie jeder von uns. Und selbst würde wohl keiner ein Bild von sich beim Kacken, Kotzen, Heulen oder Nacktbaden hochladen.
Bei Konservativen ist es cool geworden, nicht mehr „politisch korrekt“ zu sein. Aber was heißt das überhaupt und warum sollte man erst denken und dann sprechen?
Wer spricht schon über Loyalität? Meistens die Leute, die sie von anderen einfordern oder sich selbst damit brüsten wollen, wie loyal sie doch sind. Oh, und Rapper natürlich. Echte Loyalität aber sollte nichts anderes sein als eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit.
Unser Kolumnist Max schaut sich einen Text von sich selbst an, in dem er nach dem Abi verzweifelt auf die Welt der Erwachsenen geschaut hat. Heute sieht er vieles anders. Ist vielleicht doch nicht alles so scheiße, wie es manchmal scheint.
Bei den Reaktionen auf das Rezo-Video fällt auf: Nicht nur die CDU versteht die Jugend nicht mehr, auch Medienmacher haben den Zugang zur jungen Generation verloren. Vielleicht braucht es die Jungen, um den Alten etwas zu erklären.
Unsere Gesellschaft ist so gleichberechtigt wie noch nie zuvor. Trotzdem gibt es einige empörte Feministinnen und Feministen, die anscheinend nicht an Gleichberechtigung interessiert sind und damit die Glaubwürdigkeit und den Wert ihrer Bewegung untergraben.
Liebe Freundinnen des Rosas und Pinks, der Blumen und Schokolade – der Valentinstag ist mit seinem Kitsch und seinen Klischees mal wieder über uns geschwappt. Und wisst ihr was? Ihr könnt ihn haben, euren Prinzessinnen-Tag. Besser gesagt: Haltet ihn uns ja vom Leib!
Nicht Weltmeister, kein Finale, nicht mal Dritter. Die Handball-Heim-WM hat Deutschland in den Bann gezogen – und am Ende flossen bittere Tränen. Die deutsche Mannschaft löste Zuschauerrekorde in den Hallen und an den Bildschirmen aus. Doch scheinbar nur, weil der grausame Riese Fußball
Ein Anfang kann eine Chance sein, ein Risiko, das Ende einer Ära, ein leeres Blatt. Das neue Jahr beginnt und bringt tausende neue Anfänge mit sich. Manche ganz willkürlich, andere sehr geplant. Aber wer den Jahreswechsel braucht, um sich selbst neu zu erfinden, der hat wirklich ein Problem.
Was macht einen Menschen eigentlich zum Mensch? Wie hilft die moderne Technik dabei? Werden Maschinen bald bessere Romane schreiben als Menschen? Über diese und andere Fragen hat sich SPIESSER Autorin Katharina Gedanken gemacht.
Das Wetter war selten so nervig und ekelhaft wie in den letzten Tagen und Wochen. Es ist kalt, es regnet, es schneit, verdammte Hacke! Ich finde, es wird höchste Zeit sich mächtig aufzuregen über diese Frechheit.
Was macht einen Menschen eigentlich zum Mensch? Wie hilft die moderne Technik dabei? Werden Maschienen bald bessere Romane schreiben als Menschen? Über diese und andere Fragen hat sich SPIESSER Autorin Katharina Gedanken gemacht...