Was tun, wenn sich herausstellt, dass die Autorin der eigenen Lieblingsbücher öffentlich transfeindliche Ansichten propagiert? SPIESSER-Autor Pierre hat sich diese Frage gestellt - und kommt zu einer klaren Antwort.
28. September 2020 - 12:31 SPIESSER-Autorin Cherilia.
Wie viele in meiner Generation hat die Harry Potter-Reihe der Autorin J. K. Rowling auch meine Kindheit entscheidend geprägt. Ich verschlang die Bücher und hatte das Gefühl, etwas Wichtiges sei aus meinem Leben gerissen worden, nachdem der achte Film die Kinos verlassen hatte. Bis vor kurzem noch habe ich mich unglaublich in der magischen Welt zu Hause gefühlt, auch wenn es natürlich schon immer Kritik an den Werken gab. Anfang dieses Jahres mitbegründete ich sogar einen Lesekreis, in dem wir uns fragten, was wir aus den Harry Potter-Büchern für unser Leben lernen können.
Spätestens seit Juni kann und möchte ich das jedoch nicht mehr guten Gewissens tun. Ich sage spätestens, weil Rowling sich bereits im Dezember 2019 öffentlich mit Maya Forstater solidarisierte, deren transfeindliche Ansichten Rowling als politische Meinung bezeichnete, die keinesfalls zu verurteilen sei. Schon zu diesem Zeitpunkt wurde Rowling von vielen Fans kritisiert, die sich zu dieser Kritik jedoch nicht positionierte. Mit viel Wohlwollen hätte man das noch als einen Ausrutscher bezeichnen können.
Seit diesem Juni scheinen Rowling die Rechte (oder die Aberkennung dieser) von Trans*Personen jedoch intensiver zu beschäftigen. Es begann mit einem Tweet, in dem Rowling sich an einem Artikel stört, der die Bezeichnung „People who menstruate“ verwendet. Rowling geht das gegen den Strich - schließlich könne man diese Personen doch eigentlich mit dem Begriff „Frauen“ umschreiben.
Das Problem dabei ist jedoch: es gibt sowohl Menschen, die menstruieren und keine Frauen sind (nämlich Trans*Männer und nicht binäre Personen) als auch (sowohl cis als auch trans) Frauen, die nicht menstruieren. Die Verfasser*innen dieses Artikels waren sich wohl dieser Tatsache bewusst und wollten eine Bezeichnung verwenden, die alle und auch nur die Personen anspricht, die das Thema Menstruation betrifft. Darauf wurde Rowling wiederholt auf Twitter hingewiesen, reagierte jedoch mit weiterenwütenden Tweets und einem Essay auf ihrer Website. Darin verteidigt sie sich und ihre Angst davor, von Trans*Personen ihre Rechte als cis*Frau abgesprochen zu bekommen. Das ist angesichts der täglichen Gewalt und Diskriminierung, gegen die Trans*Personen täglich kämpfen, nicht nur zynisch. Diese Täter*innen-Opfer-Umkehr lenkt auch vom eigentlichen Problem ihrer Aussagen ab.
Dabei geht es selbstverständlich nicht einfach um sprachliche Feinheiten. Die sprachliche Inklusion von trans*Personen ist ein notwendiger Schritt hin zu ihrer breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz, die schlussendlich dazu führen muss, dass diese keine Diskriminierung mehr allein aufgrund ihres Geschlechts erfahren. Das bedeutet auch, aktiv gegen ihre Stigmatisierung zu kämpfen. Rowling jedoch tut genau das Gegenteil, wenn sie medizinische Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung mit Konversionstherapien vergleicht oder auf einer biologistischen Definition von Geschlecht beharrt. So etwas hat reale und gefährliche Folgen für eine ohnehin bereits marginalisierte Gruppe - vor allem, weil Rowling eine unglaubliche Reichweite besitzt. Auf wiederholte, geduldige Hinweise von Trans*Personen und Aktivist*innen auf ihre Falschaussagen kommt Rowling jedoch zu keinem Umdenken. Dabei müsste sie sich der Verantwortung, die mit ihrer Plattform einhergeht, eigentlich bewusst sein. So etwas muss professionelle Konsequenzen haben.
Spätestens jetzt stehen wir deshalb als Fans in der Verantwortung, uns klar zu positionieren und Rowling im besten Fall auch nicht mehr finanziell zu unterstützen. Denn es ist längst nicht mehr möglich, die Autorin von ihrem Werk zu trennen. „Harry Potter“ zu promoten ist für mich mittlerweile damit verknüpft, Transfeindlichkeit gutzuheißen. Und mit jeder weiteren Unterstützung sorgen wir dafür, dass Rowling ihre Plattform behält und die Macht, die in ihren Worten steckt, weiterhin gegen Trans*Personen verwenden kann.
In einer Welt, in der Trans*Personen ohnehin täglich Rechte abgesprochen werden, ist jede Stimme, die aktiv zu dieser Marginalisierung beiträgt, eine zu viel - und vor allem: eine, die für Trans*Personen reale Konsequenzen hat. Ihre Rechte stehen nämlich, wenn sie denn vorhanden sind, vielerorts noch auf sehr wackligem Fundament. Gewalt und Diskriminierung sind für Trans*Personen Alltag, und beides wird durch hasserfüllte Aussagen wie die J. K. Rowlings legitimiert. Deshalb ist es wichtig, dass wir Gegenstimmen gegen diesen Hass sind. Um zu zeigen, dass Transfeindlichkeit nicht nur eine politische Meinung unter vielen ist, die einfach so zu tolerieren sei.
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