Kolumne

Die Karten sind gelegt: Das war es für Bares

Mal ehrlich: Bargeld ist so modern wie der Dieselmotor, Atlanten oder Telefonzellen. Eine Zukunft hat es in einer digitalen Welt nicht. Zeit loszulassen, auch wenn das „dem Deutschen“ schwerfällt.

14. November 2019 - 09:15
SPIESSER-AutorIn maxiise.
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maxiise Offline
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Der Deutsche liebt sein Bargeld. Und ich gebe ja zu: Wenn die Oma ihrem Enkel heimlich ein bisschen Klimpergeld zusteckt, damit er sich dann mit seinen ungewaschenen Grabbelpfoten ein Eis kaufen kann, dann hat das schon was Romantisches. Aber unsere Zukunft ist digital, auch wenn der Deutsche das noch nicht ganz wahrhaben will. Getreu dem Motto „Das bleibt alles so, wie’s hier ist und es wird sich hier nichts dran rütteln“ des deutschen Philosophen Andreas von Frauentausch.

Cash is king, aber ohne Krone

Auch ich fühle mich ohne Bargeld in der Tasche irgendwie unwohl. Vielleicht, weil man in Deutschland (wenn überhaupt) meistens nur ab zehn oder 15 Euro mit Karte zahlen kann. In den skandinavischen Ländern beispielswiese kann man auch im letzten Kaff an jeder Pommesbude eine Packung Kaugummi mit Kreditkarte zahlen. Vorreiter der „Cashless Society“ ist Schweden. Die Schwedische Krone soll in den kommenden Jahren ganz verschwinden. Viele Läden und kleine Stände nehmen schon jetzt kein Bargeld mehr an, weil es doch viel praktischer ist, nur noch seine Karte oder sein Handy über einen Sensor zu halten. Außerdem besteht keine Gefahr eines Überfalls und das Geld muss nirgendwo gelagert, gesichert und überwacht werden. Selbst der Klingelbeutel in schwedischen Kirchen ist ein Kartenlesegerät.

Der Schwede hat großes Vertrauen in seinen Staat, aber auch in die heimischen Banken. Angst um seine Daten hat er eher weniger. Ganz im Gegensatz zum Deutschen. Der meint immer noch, Bargeld sei gedruckte Freiheit und dafür gibt es Gründe: In Deutschland haben schon zweimal autoritäre Systeme geherrscht, die ihre Bürger ausspioniert und verfolgt haben. Die Angst vorm „gläsernen Bürger“ (also jemand, über den der Staat alles weiß) ist natürlich größer, wenn jede Zahlung elektronisch verfolgt werden kann.

Die Frage ist nicht ob, sondern wie

So nachvollziehbar diese Sorge auch sein mag, die Zukunft ist digital. Die Frage ist nicht, ob wir diesen Prozess mitmachen, sondern wie wir damit umgehen. Wir können uns dem Fortschritt nicht verschließen, weil wir glauben, die digitale Welt sowieso nicht kontrollieren zu können. Sondern wir müssen Entwicklungen frühzeitig erkennen, verstehen und Lösungen finden.

Für unsere Finanzen heißt das: Die Daten müssen verschlüsselt werden und dürfen für niemanden zugänglich sein, außer für den Kontobesitzer. Der Staat sollte nur in absoluten Notfällen darauf zugreifen dürfen, zum Beispiel bei Terrorismusverdacht, und auch dann erst nach richterlicher Anordnung. Auch Unternehmen sollten kein umfassendes digitales Profil ihrer Kunden erstellen können, damit die Freiheit der Bürger nicht eingeschränkt wird. Die Abschaffung des Bargelds wird und sollte nicht von einem auf den anderen Tag passieren. Aber sie wird kommen: Die Karten sind gelegt. Und die Cyber-Omas der Zukunft werden ihren Enkeln die Kohle vielleicht aus ihren Smartwatches oder direkt aus der Lesebrille rüberschießen. Modern, wenn auch nicht so romantisch – gebe ich zu.

 

Text von Maximilian Sepp, 22, abwechselnd und in umgekehrter Reihenfolge: Student, Journalist, kritisch denkender Mensch und SPIESSER-Kolumnist für dieses Jahr.
Teaserbild: Paula Hohlfeld

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