Was macht einen Menschen eigentlich zum Mensch? Wie hilft die moderne Technik dabei? Werden Maschinen bald bessere Romane schreiben als Menschen? Über diese und andere Fragen hat sich SPIESSER Autorin Katharina Gedanken gemacht.
Datteln sind das neue Superfood. Süß, straff und vor allem gesund, also eigentlich perfekt. Es gibt nur einen Haken bei dem fruchtigen Snack: bei fünf am Tag sollte Schluss sein. Sonst mischen sich auf einmal ein schlechtes Gewissen und (in ferner Zukunft) ein paar Gramm mehr auf den Hüften in den gesunden Genuss. „Naja“, denkt sich nun meine vernünftige Gehirnhälfte, „dann isst du halt fünf und gut. Ist ja schließlich für die Gesundheit.“ Spätestens nach meiner fünften Dattel meldet sich schließlich meine rebellische Gehirnhälfte mit einem verführerischen: „Eine Dattel ist keine Dattel.“ Und dann ist es schon zu spät, der verwerfliche sechste Gaumenschmaus landet mit großer Genugtuung in meinem Mund. Denn was soll das Zählen und Bangen? Nicht mal meine mathematischen Fähigkeiten werden dadurch großartig geschult.
Irgendwann habe auch ich einmal angefangen mein Gewicht auf die Goldwaage zu legen. Ich wollte fit und gesund sein, dann und erst dann würde ich auf Wolken der Glückseligkeit schweben, das stand für mich fest. Doch irgendwie folgten mir die Kalorientabellen auf Schritt und Tritt und ich hätte jedes Kind mit Schokoriegel selbst essen können vor Hunger und Appetit auf Ungesundes. Es musste eine andere Lösung geben als diese.
Zweifel und Sorge schlichen sich in meine Gedanken: Schließlich grinsten täglich gefühlt 483 der Influencer aus meinem Smartphone heraus, während sie sauber aßen. Der Gipfel ist ja: Diesen Leuten schmeckt, so beteuern sie zumindest immer wieder, nicht einmal eine knusprig leckere Pizza Tomate Mozzarella. Bin ich anders als sie? Will ich überhaupt gleich sein? Ich gebe zu: die Tomaten pule ich auch manchmal von der Pizza herunter und setze auf ‚Trennkost‘.
Nun stehe ich vor allem auf Diplomatie. Diplomatie macht glücklich, politische Entscheidungsprozesse davon mal ausgenommen, denn da hilft selbst eine Belohnungsdattel nicht weiter. Zurück zu den wichtigen Themen unserer Zeit: Meine Gesundheit, mein Glück, Ich. Denn ja, beides funktioniert zusammen, wenn beide Seiten kompromissbereit sind. Es gibt wenige Momente in meinem Leben, in denen ich so glücklich bin wie bei gutem Essen.
Schokomuffins mit flüssigem Kern und Sahnehäubchen – ach ja, ein paar Heidelbeeren sind auch dabei, die sind ja gesund. Ich esse sie zuerst. Und genau während ich sie esse ist meine Vorfreude auf das Kommende am größten. Es ist wie die Snooze-Funktion des Weckers: Extrafrüh aufstehen – in diesem Bildnis die Heidelbeeren –, um in den grandiosen Genuss des Weiterschlafens – den Schokomuffin – zu kommen. Zumindest ein Anzeichen des guten Willens, den Tag früh und produktiv zu starten oder auch gesund zu essen, besteht.
Mit der Gesundheit ist also nicht zu spaßen, man muss schon das eine oder andere Opfer bringen, um dann umso glücklicher zu sein. Heute Abend gibt’s bei mir übrigens Datteln in der Pfanne, fünf Stück an der Zahl mit einer dicken Schicht Speck außen herum.
Text: Katharina Petry
Teaserbild: Lena Schulze
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