Schwerpunkt

Zukunft gegenwärtig

Wie stellten sich Wissenschaftler, Politiker, Autoren und Philosophen im Jahr 1910 unser 21. Jahrhundert vor? Tine hat sich die Prophezeiungen genauer angeschaut.

14. January 2013 - 11:38
von SPIESSER-Autorin dunkelbunt.
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dunkelbunt Offline
Beigetreten: 26.04.2009

Dieser Beitrag entstand
in Zusammenarbeit mit RWE.

Vor 100 Jahren hatte Deutschland noch einen Kaiser, Europa steuerte auf den ersten Weltkrieg zu und die Menschen waren mit der Gegenwart mehr als genug beschäftigt, um ihre Zeit an Zukunftsvisionen zu verschwenden – oder? Falsch gedacht! 1910 gab der Journalist Arthur Brehmer ein Buch heraus, das einen Ausblick in unsere heutige Zeit wagt und Vermutungen darüber anstellt, wie wir im 21. Jahrhundert leben, denken, sterben, kommunizieren und essen werden.

In „Die Welt in 100 Jahren" schreiben 23 verschiedene Autoren über ihre 23 unterschiedlichen Zukunftsvisioen für das Jahr 2010: Essays, kleine Kurzromane und wissenschaftliche Abhandlungen. Darunter sind einige Gedankengänge, die gar nicht so wirken, als wären sie 100 Jahre alt – und deren tatsächliche Umsetzung wir heute überprüfen können. Denn die Zukunft ist mittlerweile Gegenwart geworden.

Von Solarenergie im Kaiserreich…

Dass wir heute ein Energieproblem bekommen würden, scheint schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts abzusehen gewesen sein. In Brehmers Buch werden bereits verschiedene Alternativen zur Energiegewinnung angesprochen. Ganz vorn dabei sind Ideen, wie man die Energie von Wasser, Sonne und Wind nutzen könnte. Die Energiewende hat ihren Kurs (zumindest gedanklich) also schon damals aufgenommen.

Ein weiterer Volltreffer der Vorhersagen: die drahtlose Kommunikation. Die Autoren prophezeien kleine Empfängergeräte am Menschen, Sender, die überall verteilt sind. Sogar Bilder können bei den prognostizierten Geräten über Funk und ohne Kabel übertragen werden. Klingt nach Handys, oder? Die Vorhersage von „vorgelesene Zeitungen" hört sich wiederum verdächtig nach unserem heutigen Radio an, das 1910 in seiner Entwicklung noch ganz am Anfang stand. Erstaunlich ist auch die Beschreibung vom Einkaufen im 21. Jahrhundert: Der lässt sich laut der Autoren von zu Hause aus erledigen, mit einem drahtlosen Zugriff auf Warenhäuser - Amazon, eBay und Co. lassen grüßen.

…einer Zusammenschließung der europäischen Staaten…

Auch überraschend: Die EU zeichnet sich in den Texten auch schon deutlich am Horizont ab. Die Autoren prophezeien, dass sich alle europäischen Staaten zusammenschließen und auf dem gesamten amerikanischen Kontinent, die USA, herrschen würden. Naja, das war wohl eher Wunschdenken. Dafür existiert Afrika, wie wir es heute kennen, im 21. Jahrhundert der Zukunftsvisionen nicht mehr.  Den Kontinenten gibt es zwar noch, allerdings als Ansammlung von Kolonien der anderen Staaten.

Was Krieg und Unterdrückung angeht, sind sich viele der Autoren einig, dass es 2010 keinen Krieg mehr geben wird. Ihrer Einschätzung nach sind bis dahin Waffen mit einer unvorstellbaren Zerstörungkraft entwickelt, die – kämen sie zum Einsatz – für beide Kriegsparteien glatter „Doppelselbstmord“ wären. Sie sagen damit ein "Gleichgewicht des Schreckens" voraus, wie es bis Anfang der 1990er Jahre tatsächlich zwischen den Supermächten USA und der Sowjetunion herrschte. Ein Ende aller Kriege bedeutete dieses atomare "Patt" allerdings leider nicht.

…und der Angst vor arbeitenden Frauen

Auch die Entwicklung der Gesellschaft wird teilweise richtig, jedoch in übertriebener Form vorausgesehen. In der "Welt in 100 Jahren" wird der Mensch als Arbeitskraft immer nutzloser, die Technik nimmt ihm die Arbeit ab. In einigen Texten wird er nur noch als „Knopfdrücker“ gesehen, da alle Arbeit von Maschinen erledigt wird. Eine Vision, die in verschiedenen Branchen Realität geworden ist und weiterhin nachvollziehbar ist, im Gegensatz zu der im Buch geäußerten Angst vor dem Tag, an dem auch Frauen arbeiten und somit der letzte Unterschied zwischen den Geschlechtern wegfällt.

Fazit: Eine leicht utopische Tendenz lässt sich bei den Prophezeiungen insgesamt nicht abstreiten, manche Formulierungen und Vorstellungen lassen den gegenwartserprobten Leser bei der Lektüre unwillkürlich schmunzeln. Trotzdem ist es erstaunlich, wie treffsicher und detailliert der Blick in die Zukunft letztlich doch ist. Auch die positive Grundhaltung bezüglich unserer heutigen Zeit fällt auf. Der Mensch wird laut des Buches mit der Zukunft freier und gesünder, lebt sicherer und in Demokratien – und das trifft zumindest für einige Teile der Erde zu.

 

Text: Tine Heynatz
Fotos: Christine Pauls/ jugendfotos.de

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Kommentare

Ein Kommentar
  • Toller Buchtipp! Die Inhaltsangabe macht wirklich Lust dieses Buch zu lesen! Beeindruckend finde ich zutreffend teilweise die Vorstellungen gewesen sind! In den damaligen Zeiten muss es sehr irreal für die Leser gewirkt haben. Heute mit einem vollkommen anderen Blickwinkel, kann man das Buch wieder unter anderen Gesichtspunkten lesen.

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