In Theos Heimatstadt Oldenburg herrscht große Aufregung: Ein neuer Hafen sorgt für mehr Güterzüge in der Stadt. Die Bahn versuchte nun, die Gemüter auf einer „Bürgerinformationsveranstaltung“ zu beruhigen – Blogger Theo war dabei.
04. December 2012 - 12:10 SPIESSER-AutorIn anonymer Nutzer.
Dieser Beitrag entstand
in Zusammenarbeit mit RWE.
Ja, beschlossen sei schon alles, der Vergleich vor dem Verwaltungsgericht habe Bestand. Die Planungen seien schon weit fortgeschritten und, nein, zu rütteln sei nicht an ihnen, versucht Bahn-Justiziar Behrend meine und vielleicht auch ein wenig seine eigenen Nerven zu beruhigen.
Bei einer eigens anberaumten „Bürgerinformationsveranstaltung“ wollen er und sein Team den Oldenburgern heute erklären, wie es in Zukunft um ihren Nachtschlaf bestellt sein wird. Um zu verstehen, warum der demnächst von Güterzuggepolter statt Schlummergeräuschen untermalt sein könnte, muss man zunächst einen Blick auf den Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven werfen.
Ein Großprojekt sorgt für Verkehr
In Wilhelmshaven an der Nordseeküste ist in den vergangenen Jahren der einzige deutsche Tiefwasserhafen gebaut worden – ein milliardenschweres Großprojekt. Wilhelmshaven soll nach der Eröffnung in diesem Jahr der drittgrößte Hafen Deutschlands werden und nur einer von zwölf Häfen überhaupt, die auch von den größten Containerschiffen der Welt angelaufen werden können.
All die Container müssen aber auch wieder auf dem Landweg irgendwohin transportiert werden. Hier kommt die Bahn ins Spiel, die etwa 20 Prozent der Container auf ihren Schienen ins Binnenland bringen soll. Die erste Großstadt, die die Güterzüge dabei passieren, ist meine beschauliche Heimat Oldenburg – und hier verläuft die Bahnstrecke durch dicht besiedeltes Gebiet. Deutlich mehr Güterzüge als früher werden also Tag und Nacht durch Oldenburg rumpeln und die Anwohner in Schienennähe des Nachts aus dem Schlaf reißen.
Rangierbahnhof am neuen Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven
Lebenszeit vs. Schienenverkehr
Dass es laut wird, das befürchtet auch die resolute Dame, die mittlerweile in einer der mittleren Stuhlreihen der halbleeren Schulaula Platz genommen hat. „Ich habe Fotos gemacht!“, sagt sie und nestelt an ihrer Handtasche. „Wir wohnen direkt an der Strecke. Zehn Minuten stand da gestern wieder ein Güterzug vor dem Haus!“ Am liebsten wäre es ihr, der Bund würde den Forderungen der Oldenburger nachgeben und eine neue Bahnstrecke um Oldenburg herum bauen. „Aber ob die je kommt? Und ob ich dann noch lebe?“
Bürgerbeteiligung scheint etwas für Rentner im besten Alter zu sein – ich bin eindeutig der jüngste Anwesende. Die Veranstaltung beginnt. Ein Herr Beyer blickt zurück auf die wutbürgerlichen Erfolge der letzten Monate. Die Stadt Oldenburg und einzelne Anwohner haben die Bahn vor dem Bundesverwaltungsgericht verklagt, um dem Krach Einhalt zu gebieten. Man einigte sich in einem Vergleich: Früher als geplant bekommen die betroffenen Oldenburger Schallschutzfenster. Außerdem wird eine mehrere Meter hohe Lärmschutzwand auf beiden Seiten der Gleise hochgezogen.
Gesetze, Gesetze, Gesetze
Auftritt: Herr Krenz. Herr Krenz ist Schallschutzgutachter und gewissermaßen das Schicksalsorakel: Für jedes einzelne Haus hat er ausgerechnet, ob, und wenn ja, welchen Anspruch die Bewohner auf Schallschutzfenster & Co. haben. „Sie müssen sich von der Idee verabschieden, dass da irgendeine Lautstärke gemessen wird. Das wird alles berechnet“, sagt er den missmutig dreinblickenden und häufig mit eigenen Schallmessgeräten bewaffneten Anwohnern.
Und wie das berechnet wird: Alles nach Maßgabe der deutschen Verkehrswegeschallschutzmaßnahmenverordnung. Und des Bundesimmissionsschutzgesetzes. Und der Verkehrslärmverordnung. Am Ende weiß man, wie laut die Züge sein dürfen, die in Zukunft durch Oldenburg fahren sollen, und man weiß auch, wie hoch die Lärmschutzwände dafür sein müssen.
Unterschiedliche Planeten
Sonderlich begeistert sind die Anwesenden nicht von den Plänen.„Mein Garten grenzt an die Bahnstrecke“, meldet sich ein Mann mittleren Alters. „Wenn Sie da jetzt eine Lärmschutzwand davorbauen, sitze ich im Dunkeln.“ Ein anderer Mann aus dem Publikum pflichtet ihm augenscheinlich bei, aber ich kann ihn kaum verstehen, weil er das Mikrofon falsch herum hält. Auch ansonsten scheint es mitunter so, als wohnten Bahn-Vertreter und einfache Bürger auf unterschiedlichen Planeten.
Es scheitert schon daran, dass kaum einer der Anwesenden zu verstehen scheint, wie die Maßeinheit Dezibel funktioniert – einfach, weil niemand erklärt hat, dass ein Zug, der mit 70 dbA vorbeifährt, nur halb so laut ist wie ein Zug, der mit 80 dbA vorbeidonnert.
Am Ende gehen alle frustriert nach Hause – die Bahnleute, weil sie es wieder einmal niemandem rechtmachen können, die Bürger, weil sie im Vorfeld wieder einmal nicht nach ihrer Meinung gefragt wurden. Dabei ist die Veranstaltung selbst schon ein Entgegenkommen der Bahn, verpflichtet war sie dazu nicht.
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