Anpacken für unsere Welt

Hilfswerke & Corona:
Unterstützung
wichtiger denn je

Tschüss Dienstreisen, hallo Homeoffice! Auch für die Mitarbeitenden des Werks für Entwicklungszusammenarbeit MISEREOR hat die Corona-Pandemie die Arbeit auf den Kopf gestellt. Maria Klatte, eine von drei Leiterinnen der MISEREOR Afrika-Abteilung und Corona-Beauftragte im Haus, gibt im Gespräch mit SPIESSER-Autorin Lara einen Einblick in die Arbeit der Organisation während der Pandemie.

22. December 2020 - 16:25
SPIESSER-AutorIn rasolara.
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rasolara Offline
Beigetreten: 08.06.2020


Für die Mitarbeitenden in der Casa del Migrante
gibt es aktuell viel zu tun. Dank Masken wie
dieser können sie sich und andere vor einer
Infektion besser schützen. © Ronald Espinoza

Reisen in Partnerländer, vor der Pandemie ein Herzstück der Arbeit von MISEREOR, sind seit März 2020 nicht mehr möglich. Viele Veranstaltungen und Besprechungen, sei es in Deutschland oder im Ausland, können nicht mehr physisch stattfinden, sodass bei MISEREOR, wie in vielen anderen Arbeitsbereichen in Deutschland auch, auf Homeoffice umgestellt wurde. „Es ist wirklich erstaunlich, wie schnell das zu einem ganz normalen Alltag geworden ist“, sagt Maria Klatte, die seit acht Jahren in ihrer Funktion bei MISEREOR tätig ist. Derzeit ist sie vor allem für die Regionen West- und Zentralafrika sowie Madagaskar zuständig und konnte als Entwicklungshelferin in Madagaskar und Kenia Erfahrungen vor Ort sammeln. Sie spricht von einer „Speed Digitalisierung“ in den vergangenen Monaten, da die Situation viele technische Anpassungen erforderte, die innerhalb kürzester Zeit vorgenommen werden mussten. Bei MISEREOR versuchen die Mitarbeitenden, das Beste aus der Situation zu machen, indem Kommunikation und Veranstaltungen beispielweise via Videokonferenzen stattfinden. Trotzdem betont Klatte, dass der persönliche Kontakt fehlt, insbesondere zu den Partnerorganisationen. Normalerweise dienen Dienstreisen dazu, sich die Projekte vor Ort anzuschauen und gemeinsam mit den Partnerorganisationen die Umsetzung zu bewerten, zu schauen wie sich die Lebensbedingungen der Zielgruppe verändern und was besondere Probleme und Herausforderungen sind. „Das geht natürlich aus der Ferne schlechter, hier sind wir komplett eingeschränkt“, bedauert sie.

Situation in den afrikanischen Ländern
Die Weltgesundheits-organisation (WHO) erfasst Daten aus insgesamt 47 afrikanischen Ländern. Demnach gibt es dort bisher rund 1,4 Millionen Covid-19-Infizierte und rund 24.000 Tote mit oder durch das neue Corona-Virus. Das sind erschreckende Zahlen, aber schaut man zum Vergleich in die USA, zeigt sich folgendes Bild: 11,5 Millionen Infizierte und rund 250.000 Tote.

Viele Experten prognostizierten einen dramatischen Verlauf der Corona-Pandemie in den afrikanischen Ländern. Mittlerweile lässt sich aber feststellen, dass die Pandemieentwicklung zum Glück nicht so gravierend ist wie in vielen anderen Regionen der Welt. Das ist zum einen durch die Bevölkerungszusammensetzung bedingt, denn in Afrika beträgt das Durchschnittsalter lediglich 18 Jahre, während es in Europa etwa 40 Jahre sind. Die Erkrankung an Covid-19 verläuft gerade bei älteren Menschen häufig schwerer. Zum anderen ist die geringere Verbreitung des Virus dem schnellen Reagieren der afrikanischen Regierungen zuzuschreiben. Diese verhängten strikte Reiseeinschränkungen und haben zudem durch die Ebola-Epidemie bereits Erfahrungen im Umgang mit derartigen Massenerkrankungen gesammelt. All das bezeichnet Maria Klatte als „positive Bewältigungsstrategien, die dazu beitragen, dass die Pandemie in Afrika bisher noch nicht so stark ausbrechen konnte wie in anderen Regionen.“


Maria Klatte, eine von drei Leiterinnen der
MISEREOR Afrika-Abteilung und Corona-
Beauftragte des Hilfswerkes
© Olaf Rohl

Trotzdem haben die afrikanischen Länder und die Partnerorganisationen sehr viele Beschränkungen und Rückentwicklungen zu verzeichnen. Mit den Reiseeinschränkungen und strengen Lockdowns gehen Handelseinschränkungen und Einkommensverluste einher, die dazu führen, dass nicht mehr genügend Nahrungsmittel in die hilfebedürftigen Städte und Siedlungen kommen. Die Folgen sind Nahrungsmittelknappheit und steigende Preise. Auch Saatgut, was zum Anbau von Lebensmitteln benötigt wird, kann nicht mehr ausreichend in die ländlichen Regionen transportiert werden. Hinzu kommt, dass durch den Lockdown gerade Tagelöhner wie Taxifahrer oder auch Betreiber von kleinen Garküchen ihrem Geschäft nicht nachgehen können, weil sie zu Hause bleiben müssen.

Nicht zu vernachlässigen ist außerdem der gravierende Anstieg bei den Verletzungen von Menschenrechten. Die Polizei greift in einigen Ländern bei der Einhaltung der verhängten Lockdown-Maßnahmen sehr strikt durch. „Partner aus Kenia haben uns mitgeteilt, dass die Angst vor der Polizei teilweise größer ist, als die Angst, an dem Virus zu sterben“, erzählt Maria Klatte.


Auch die MISEREOR-Partner befinden
sich teilweise im Home-Office. In
diesem Fall handelt es sich um eine Mit-
arbeiterin von Caritas Bahia in Brasilien.
© Caritas Bahia
Anpacken und unterstützen

Aus diesen Gründen leistet MISEREOR auf verschiedene Weise Unterstützung. Zum einen fördert es Partner im gesundheitlichen Bereich, indem diese mit Schutzmaterialen wie Masken ausgestattet werden. Gleichzeitig ermöglichen Maria Klatte und ihre Kolleginnen und Kollegen den Gesundheitspartnerorganisationen, Aufklärung zu betreiben. Diese werden beispielsweise durch digitale Online-Fortbildungen begleitet, damit sie auf dem aktuellen Stand sind und ihre Aufklärungsmaßnahmen vor Ort durchführen können. Außerdem stellt das Werk für Entwicklungszusammenarbeit spezifisches medizinisches Equipment für Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung und schafft Möglichkeiten, um infizierte Patienten zu isolieren.

Selbstverständlich sind auch Partnerorganisationen, die nicht im Gesundheitswesen tätig sind, von der Krise betroffen. Sie können ihre Projekte in den meisten Fällen nicht normal durchführen und die Zielgruppen unterstützen, denen aufgrund der entstandenen Knappheit Hunger droht. Hier hilft MISEREOR beispielsweise beim Organisieren von Nahrungsmittelhilfen. Maria Klatte berichtet außerdem von einer zunehmenden Flexibilisierung von Projektarbeit, das heißt einer schnelleren Anpassung auf neue Gegebenheiten und Umstände während der Pandemie: „Nichtsdestotrotz versuchen wir, unsere Partner auch weiter zu ermutigen und dabei zu unterstützen, ihr normales Geschäft weiterzuführen. So müssen beispielsweise die Kleinbauern so schnell wie möglich wieder in ihren Alltag zurückkehren und Lebensmittel anbauen, damit die Versorgung der Bevölkerung wieder langfristig nachhaltig und lokal erfolgen kann.“


Der MISEREOR-Partner Butterflies verteilt Mahl-
zeiten an Straßenkinder und Tagelöhner in Indien.
© Butterflies/MISEREOR
Chancen der Krise wahrnehmen

Und wie können wir hier in Deutschland die Arbeit von Organisationen wie MISEREOR unterstützen? Fest steht: Jede und jeder kann einen Teil dazu beitragen. „MISEREOR freut sich sehr, wenn weiterhin und auch trotz der schwierigen Situation hierzulande gespendet wird, um die Arbeit von Hilfswerken zu ermöglichen“, betont Maria Klatte. Zudem plädiert sie für politisches Engagement, mithilfe dessen es gelingen soll, die Rahmen- und Handelsbedingungen zwischen dem globalen Süden und Norden nachhaltig zu ändern. „Wir sehen auch große Chancen und Potenziale im Kontext der Lebensstile“, erklärt Klatte. Sie erhofft sich, dass Menschen und Organisationen ihr Handeln und Denken allgemein überdenken und hinterfragen, z.B. in Zukunft nicht mehr so viel reisen oder nur dann, wenn es wirklich nötig ist, um dadurch den CO2-Ausstoß zu verringern.

Vor allem aber liegt für Maria Klatte die Chance der Pandemie darin, den inzwischen ausgeprägten solidarischen Gedanken beizubehalten. Sie rät dazu, darüber informiert zu bleiben, wie sich die Krise bei den ärmsten und am stärksten benachteiligten Menschen auswirkt. Sie hat Recht: Ein Blick über den Tellerrand tut uns sicherlich allen gut!

Du willst das MISEREOR-Hilfswerk mit einer Spende unterstützen?

Seit Beginn der Pandemie wurden wir mit der AHA-Regel (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) vertraut gemacht, um die Ausbreitung des Virus zu verringern. Aber: Allein der Zugang zu fließendem Wasser ist in vielen Ländern keine Selbstverständlichkeit. Mit einer Spende von 45,-€ können zum Beispiel 15 Flaschen Waschgel à 250 ml bereitgestellt werden, um von Armut betroffenen Menschen das Händewaschen zu ermöglichen und sich somit besser vor der Pandemie zu schützen. Mehr Informationen zu den verschiedenen Spende-Möglichkeiten gibt's auf www.misereor.de/spenden

 

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Misereor e.V.

 

Text: Lara-Sophie Radach
Headerbild: Statt einer Umarmung gibt es in Corona-Zeiten einen „Ellenbogen-Check“ als Begrüßung, auch im Casa del Migrante der Scalabrini-Missionare in der Ciudadela Ferroviaria in La Paz. © Ronald Espinoza

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