Nachhaltigkeit ist so 2007. Da gewann Al Gore für eine Umweltdoku noch einen Oscar. Der Klimawandel war neu, aufregend, sexy. Die große Bedrohung, die uns alle zu vernichten droht. Das ist so lange her, da war MTV (gerade) noch ein wichtiger Jugendsender. Und auch der machte eine sexy Kampagne für mehr Nachhaltigkeit. Heute ist selbst der Papst für mehr Ökologie. Geht’s weniger attraktiv? Der Papst! Der Mann ist gegen Kondome!
19. April 2016 - 14:08 SPIESSER-Autor Henk Marzipan.
Was taugt also Nachhaltigkeit heute noch? Ganz sicher nicht mehr als Weltanschauung mit der man sich irgendwie abgrenzen kann. Oder etwa doch? Immerhin gibt es heute alles in bio, es gibt Elektroautos und bei Facebook und Instagram ist scheinbar jeder Zweite Veganer, weil Tiere mit ihren Fürzen das Klima anheizen und sooo süß sind: #govegan. Veganer haben meine Sympathie. Die ziehen konsequent etwas durch. Ich ärgere mich schon, wenn ich im Supermarkt, total öko wie ich bin, auf eine Plastiktüte verzichte, und hinterher auf einem Kindergeburtstag meine Atemluft in 237 Ballons verpacke. Veganer haben eine, für manchen zu krasse, Ideologie. Die wissen, was sie dürfen und was nicht, und können sich darauf verlassen, doller öko zu sein als der Rest der Welt. Ich dagegen muss immer wieder von Neuem schauen, ob sich wohl insgesamt durch mein Verhalten etwas bessert, oder ob ich nicht alles schlimmer mache. Im schlimmsten Fall aus Versehen.
Ein ganz anderer Typus ist der Instagram-Öko-Hipster. Der „schaut alle her wie umweltbewusst ich bin, ich trinke grüne Smoothies“-Mensch. Der Öko-Hipster ist der VW unter den Bevölkerungsgruppen. Das Label sagt total super-sauber-ultra-gesund, ein Blick unter die Haube zeigt dann Feinstaubwerte wie ein Traktor. Zwar versucht der Öko-Hipster ernsthaft, seine Persönlichkeits-Marke nach außen ins grüne Licht zu rücken, benutzt dann aber für seine Smoothie-Bowl im Januar Erdbeeren, die schon mehr von der Welt gesehen haben als Felix Baumgartner. Aber hey, ohne hätte das bei Facebook bestimmt weniger Daumen bekommen. Hauptsache, das Label stimmt. Da wünsche ich mir eine Öko-Aufsicht mit Prüfsiegel, vielleicht die Betreiber*innen von Eine-Welt-Läden, die Öko-Posts durchsuchen und kritisch hinterfragen: Ist der Soja-Matcha-Latte in einem Wegwerfbecher? Ist dein Abendessen mit einem fair produzierten Smartphone oder mit einem angebissenen Apfel fotografiert? Würdest du immer noch Fixie fahren, wenn du das Geld für ein Auto hättest?
Ein Kumpel sagte mir einmal im Sommer am Baggersee: „Ich fahre gerne 3er BMW, denn so muss ich in Zukunft nicht nach Italien juckeln, sondern hab’ auch hier am See 30 Grad.“ Der macht wenigstens keinen Hehl daraus, dass er a) sich selbst am nächsten ist und b) auch eine komplexe Menschheitskrise, die Holland vernichten könnte, zu seinem sonnigen Vorteil auslegen kann. Das ist ehrlich. Kann man dagegen Politiker ernst nehmen, die mit einem Flugzeug zu einem Klimagipfel reisen? Wobei die Anreise mit dem Boot wahrscheinlich für Obama zu lange dauert. Bis dahin ist Mikronesien Atlantis. Langsam mache ich mir Sorgen, dass ich genauso inkonsequent lebe. Ich schreibe diesen Text auf einem Laptop der Strom verbraucht. Aber eine Schreibmaschine würde Papier brauchen und dafür müssen Bäume sterben, und der Brief müsste physisch zur Redaktion gefahren werden. Dabei trinke ich einen Kaffee, der zwar bio ist, und nicht im to-Go-Becher, aber trotzdem wahrscheinlich von Kinderhänden gepflückt wird.
Ich verlange also in der Klimadiskussion Prinzipientreue! Entweder du bist eine baumknutschende Ökotussi, bio, fairtrade, vegan und autofrei oder du bist ein fleischfressender VW-Fahrer und Primark-Käufer! Grautöne machen die Diskussion zu komplex!
Text: Henric Abraham
Teaserbild: Anja Nier
Dir gefällt dieser Artikel?
auf Facebook teilen auf WhatsApp teilen auf Twitter teilen auf Google+ teilen
Ehrlich gesagt, finde ich den Kommentar, der Papst sei gegen Kondome ein bisschen zu krass. (Weil Kondome nicht sehr schnell biologisch abbaubar sind, aber den Bevölkerungswachstum kontrollieren helfen, kann ich sie der Frage nach Nachhaltigkeit nicht zuordnen.) Ich würde ohne groß nachzudenken einfach dagegen behaupten, dass die Menschen bei Religionszugehörigkeit noch am ehesten nach einem ethisch rechtfertigbaren Lebenskonzept handeln und, das christliche Gemeinschaft zu Ressourcenschonung anregt im Gegensatz zu prinzipienlosem Individualismus. Möchtest du von den Lesern, dass sie für sich ein eigenes Prinzip herausfinden und das vertreten, oder sich für eine von dir vorgestellte Variante festlegen? Ist der Sinn von Prinzipien nicht, dass man sie sich setzt um konfrontationsfähig zu sein und Kompromisse einzugehen zu können?
Lesekreise haben den Ruf, eine verstaubte Praxis aus vergangenen Tagen zu sein. SPIESSER-Autor Pierre möchte jedoch anregen, gerade jetzt in Zeiten der Pandemie wieder auf diese Zirkel zurückzugreifen.
Viele Menschen sind der Meinung, politische Debatten könnten aus neutralen Blickwinkeln geführt werden. Aber wem wird zugestanden, diese objektiven Standpunkte einnehmen zu können – und viel wichtiger: wem nicht? SPIESSER-Kolumnist Pierre zweifelt stark an der Existenz einer völlig
Seit Wochen schon geht es in Nachrichten über die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung nur um Weihnachten. Warum sehen wir es als selbstverständlich an, dass zu diesem Feiertag die Kontaktbeschränkungen gelockert werden, und zu keinem anderen?
Oft wird falsch verstanden, was mit Feminismus überhaupt gemeint ist. Der Begriff hat darüber hinaus eine Geschichte hinter sich, die nicht immer ohne Probleme war. SPIESSER-Kolumnist Pierre fragt sich deshalb: Warum taufen wir ihn nicht einfach um? Und liefert die Antwort auf diese Frage gleich mit.
Bevor Pierre nach Hildesheim gezogen ist, konnten die meisten Personen in seinem Freundeskreis nichts mit der Stadt anfangen. Er auch nicht. Nach seinem Bachelorstudium im beschaulichen Marburg hatte er eigentlich in die Großstadt seiner Träume ziehen wollen: Frankfurt am Main. Doch es kam anders.
Wer Bewerbungen schreibt, steht unter immensem Druck. Die eigenen Fähigkeiten müssen in kürzester Form präsentiert werden. Immer öfter geht es dabei aber scheinbar noch um etwas anderes – darum, besonders verliebt in seinen Job zu sein.
Was tun, wenn sich herausstellt, dass die Autorin der eigenen Lieblingsbücher öffentlich transfeindliche Ansichten propagiert? SPIESSER-Autor Pierre hat sich diese Frage gestellt - und kommt zu einer klaren Antwort.
Christliche Influencer, sogenannte „Christfluencer“, tragen nicht einfach ihren persönlichen Glauben nach außen. Sie vermarkten ihn vielmehr – wie ein Lifestyle-Produkt. Dabei nutzen sie modernste Kommunikation, um zu missionieren und aktiv gegen Werte wie die Gleichberechtigung
Was in Hanau am 19. Februar passiert ist, war für viele ein Auslöser von Angst. Tatsache ist aber, dass diese Angst für viele People of Colour in Deutschland Alltag ist.
Die Philosophie hat einen schlechten Ruf. Sie steht im Verdacht, ein Studienfach für Menschen zu sein, die schlicht nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen wissen. Dabei ließe sich gerade mithilfe der Philosophie unsere durchökonomisierte, neoliberale Gesellschaft auf den Kopf stellen.
Allgemeinbildung heißt heute Google, sagen manche. Aber das reicht nicht. Die Welt ist so kompliziert geworden, dass man leicht den Überblick verliert. Woher soll man wissen, was man wissen muss? Ein Gespräch zwischen Vater und Sohn.
Wovon darf Angela Merkel keine Ahnung haben? Wann dürfen Politiker Fehler machen? Und warum wissen wir alles besser als sie? Politiker haben riesige Verantwortung, keine Freizeit und Gegner auf allen Seiten. Für unsere Demokratie muss ein anderes Bild über sie her.
Mal ehrlich: Bargeld ist so modern wie der Dieselmotor, Atlanten oder Telefonzellen. Eine Zukunft hat es in einer digitalen Welt nicht. Zeit loszulassen, auch wenn das „dem Deutschen“ schwerfällt.
Orientierungslos blieben die eingesessenen Politikprofis zurück nachdem ein junger interessierter Mann mit auffälliger Frisur plötzlich den dunklen Raum der Politik für Jugendliche öffnete. Und die Erwachsenen reagierten, als würden sie von ihren Kindern beim Sex erwischt.
Bilder von Kindern gehören nicht ins Internet. Denn auch sie haben ein Recht auf Privatsphäre wie jeder von uns. Und selbst würde wohl keiner ein Bild von sich beim Kacken, Kotzen, Heulen oder Nacktbaden hochladen.
Bei Konservativen ist es cool geworden, nicht mehr „politisch korrekt“ zu sein. Aber was heißt das überhaupt und warum sollte man erst denken und dann sprechen?
Wer spricht schon über Loyalität? Meistens die Leute, die sie von anderen einfordern oder sich selbst damit brüsten wollen, wie loyal sie doch sind. Oh, und Rapper natürlich. Echte Loyalität aber sollte nichts anderes sein als eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit.
Unser Kolumnist Max schaut sich einen Text von sich selbst an, in dem er nach dem Abi verzweifelt auf die Welt der Erwachsenen geschaut hat. Heute sieht er vieles anders. Ist vielleicht doch nicht alles so scheiße, wie es manchmal scheint.
Bei den Reaktionen auf das Rezo-Video fällt auf: Nicht nur die CDU versteht die Jugend nicht mehr, auch Medienmacher haben den Zugang zur jungen Generation verloren. Vielleicht braucht es die Jungen, um den Alten etwas zu erklären.
Unsere Gesellschaft ist so gleichberechtigt wie noch nie zuvor. Trotzdem gibt es einige empörte Feministinnen und Feministen, die anscheinend nicht an Gleichberechtigung interessiert sind und damit die Glaubwürdigkeit und den Wert ihrer Bewegung untergraben.
Liebe Freundinnen des Rosas und Pinks, der Blumen und Schokolade – der Valentinstag ist mit seinem Kitsch und seinen Klischees mal wieder über uns geschwappt. Und wisst ihr was? Ihr könnt ihn haben, euren Prinzessinnen-Tag. Besser gesagt: Haltet ihn uns ja vom Leib!
Nicht Weltmeister, kein Finale, nicht mal Dritter. Die Handball-Heim-WM hat Deutschland in den Bann gezogen – und am Ende flossen bittere Tränen. Die deutsche Mannschaft löste Zuschauerrekorde in den Hallen und an den Bildschirmen aus. Doch scheinbar nur, weil der grausame Riese Fußball
Ein Anfang kann eine Chance sein, ein Risiko, das Ende einer Ära, ein leeres Blatt. Das neue Jahr beginnt und bringt tausende neue Anfänge mit sich. Manche ganz willkürlich, andere sehr geplant. Aber wer den Jahreswechsel braucht, um sich selbst neu zu erfinden, der hat wirklich ein Problem.
Was macht einen Menschen eigentlich zum Mensch? Wie hilft die moderne Technik dabei? Werden Maschinen bald bessere Romane schreiben als Menschen? Über diese und andere Fragen hat sich SPIESSER Autorin Katharina Gedanken gemacht.
Das Wetter war selten so nervig und ekelhaft wie in den letzten Tagen und Wochen. Es ist kalt, es regnet, es schneit, verdammte Hacke! Ich finde, es wird höchste Zeit sich mächtig aufzuregen über diese Frechheit.
Was macht einen Menschen eigentlich zum Mensch? Wie hilft die moderne Technik dabei? Werden Maschienen bald bessere Romane schreiben als Menschen? Über diese und andere Fragen hat sich SPIESSER Autorin Katharina Gedanken gemacht...
Ehrlich gesagt, finde ich den Kommentar, der Papst sei gegen Kondome ein bisschen zu krass. (Weil Kondome nicht sehr schnell biologisch abbaubar sind, aber den Bevölkerungswachstum kontrollieren helfen, kann ich sie der Frage nach Nachhaltigkeit nicht zuordnen.) Ich würde ohne groß nachzudenken einfach dagegen behaupten, dass die Menschen bei Religionszugehörigkeit noch am ehesten nach einem ethisch rechtfertigbaren Lebenskonzept handeln und, das christliche Gemeinschaft zu Ressourcenschonung anregt im Gegensatz zu prinzipienlosem Individualismus. Möchtest du von den Lesern, dass sie für sich ein eigenes Prinzip herausfinden und das vertreten, oder sich für eine von dir vorgestellte Variante festlegen? Ist der Sinn von Prinzipien nicht, dass man sie sich setzt um konfrontationsfähig zu sein und Kompromisse einzugehen zu können?