Beruferoulette

Harte Arbeit im
bunten Kostüm

Gleißendes Rampenlicht, ausgelassener Applaus und tägliche Proben – Musicaldarsteller führen ein wildes Leben. SPIESSER-Autorin Lara hat sich für einen Nachmittag in die Show-Welt entführen lassen und erkundet, was hinter dem roten Vorhang und im Alltag eines Musicaldarstellers alles passiert.

21. April 2016 - 14:55
SPIESSER-Autorin Elektroprinzessin..
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Elektroprinzessin. Offline
Beigetreten: 13.05.2009

Musicaldarsteller

Dein Traumjob, denn du …

• kannst singen, tanzen und hast Schauspieltalent
• hast keine Bühnenscheu (oder den Willen, diese abzulegen)
• möchtest viel unterwegs sein

Das gehört dazu:
• Proben, Proben, Proben
• jede Menge Ausdauer, Motivation und Flexibilität
• Bereitschaft, abends und am Wochenende zu arbeiten
• auch eine gute Show abzuliefern, wenn die eigene Stimmung mal nicht auf dem Höhepunkt ist

Wie du es wirst:
• Studium an einer öffentlichen oder privaten Hochschule mit Diplom-Abschluss
• als engagierter Quereinsteiger mit privatem Unterricht

Der Vorhang geht auf, die Kulisse ist festlich beleuchtet, der erste Ton im Stage-Theater in Hamburg erklingt. Während der kommenden zwei Stunden wird den Musicaldarstellern auf der Bühne die ungeteilte Aufmerksamkeit des gespannten Publikums zuteil. Bunte Kostüme tänzeln über die Bühne, gefühlvolle Lieder zaubern Gänsehaut auf Zuschauerarme und wilde Choreographien lassen das Publikum kollektiv den Atem anhalten. Ich sitze mittendrin. Vor wenigen Minuten noch war ich mit dem Musicaldarsteller Dennis Henschel hinter den Kulissen. Er schlüpft im Musical „Das Wunder von Bern“ in die Rolle des Helmut Rahn, der damals im WM-Finale den Siegtreffer für Deutschland schoss.

Vom Streifenwagen ins Rampenlicht

Bevor er sich die 50er-Jahre-Kostüme im Umkleideraum des Stage-Theaters überstreifen durfte, war es ein langer Weg für Dennis. „Ich habe zunächst eine Ausbildung zum Polizisten gemacht und nach sieben Jahren gekündigt, um meiner Leidenschaft zum Singen nachzugehen“, erzählt er.

Als Quereinsteiger hat sich der ehemalige Polizist privat in Gesang, Schauspiel und Tanz ausbilden lassen. Üblich ist jedoch, ein Diplom-Studium an einer der fünf öffentlichen oder den etlichen privaten Hochschulen zu absolvieren, die eine Musicalausbildung anbieten. Dieser Spaß kostet – und nicht jeder schafft es letztlich wie Dennis auf eine renommierte Bühne. Wie hoch die Konkurrenz ist, hat auch er zu spüren bekommen: Vor seinem Erfolg beim „Wunder von Bern“ hatte er es schon oft in die Endauswahl, nicht jedoch bis zur Rollenbesetzung geschafft. „Deswegen bin ich umso glücklicher, nun in diesem tollen Team mitarbeiten zu dürfen.“ Denn Musical ist Teamarbeit: Hat man erst einmal als Einzelkämpfer eine der begehrten Rollen ergattert. Jeder Darsteller auf der Bühne, jeder Spieltag und jedes Publikum entfalte seine eigene Dynamik, erzählt Dennis. Langeweile kommt so jedenfalls keine auf.

Allzeit bereit

Was auf der Bühne so wild wirkt – die ständig wechselnden Kulissen des Fußballdramas und die fröhlich-singenden Darsteller – entsteht in einem strukturierten Arbeitsalltag. Der Arbeitstag des 32-Jährigen besteht aus täglichen Proben, allabendlichen Shows und nur einem freien Tag in der Woche, an dem Sport ein Muss für die Fitness auf der Bühne ist.

Da bleibt wenig Zeit für Freunde und Familie, denke ich mir und kriege prompt die Bestätigung von Dennis: „Flexibilität ist das A und O in dem Beruf.“ Denn neue Produktionen können deutschland- oder sogar weltweit rufen. Aber langfristige Musicals wie „Der König der Löwen“, das bereits seit 14 Jahren in Hamburg aufgeführt wird, bieten den Darstellern trotzdem die Möglichkeit, sesshaft zu sein.

Galerie

„Kein Zuckerschlecken!“

Für einen Musicaldarsteller ist sein Körper sein Kapital. „Ich bin schon nachts aufgewacht und habe getestet, ob meine Stimme für den nächsten Tag fit ist“, schmunzelt Dennis, der sich erst vor kurzem von einem Meniskusriss erholen musste. „Der Beruf ist definitiv kein Zuckerschlecken“, betont er und strahlt trotzdem, während er mir von seinen Job erzählt.

Und als ich später mit gebanntem Blick in einem rot-gepolsterten Theaterstuhl sitze, sehe ich auch warum: Dennis alias Helmut Rahn kommt in den verschiedensten Outfits – ja sogar in verschiedenen Rollen – in kurzen Abständen auf die Bühne, tanzt perfekt getaktete Choreographien und verausgabt sich auf der Bühne. Respekt!

Da mein Talent zum Singen dem einer Straßenkatze gleicht, ist der Beruf der Musicaldarstellerin leider nichts für mich persönlich. Doch in der Maske, im Kostümraum, ja selbst in der Kantine, begegneten mir so viele herzliche und motivierte Mitarbeiter, dass ich mir eine Arbeit im Musicalkosmos durchaus vorstellen kann – nur auf die Bühne gehöre ich nicht.

SPIESSER-Autoren testen für euch Berufe. Welche das sind? Hier geht’s lang!

Text: Lara Gahlow
Fotos: Claudia Hettwer

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