Muskulöse, schweißtriefende und lässig Kaugummi kauende Männer, die LKW, Schiffe oder Züge mit großen schweren Paketen beladen – Alinas Vorstellung von Logistikunternehmen war bisher ganz schön klischeebehaftet. Für euch hat sie sich eines Besseren belehren lassen.
12. February 2016 - 13:25 SPIESSER-Autorin alina.bargzoog.
• ärgerst dich nicht, wenn dein Zug Verspätung hat, sondern denkst sofort über eine Problemlösung nach
• bist multitaskingfähig
• verfolgst aktiv jeden Schritt deines bestellten Pakets
Das gehört dazu:
• schnell Entscheidungen fällen
• der Umgang mit Zahlen und Statistiken
• ein erweitertes Verständnis von Geographie
• Stressresistenz
Wie du es wirst:
• mit Abitur
• durch ein praxisorientiertes duales Studium oder ein Theoriestudium an einer Uni
Schienenlogistik? Nicht gerade mein Fachgebiet, doch das könnte sich heute ändern. Ich bin zu Gast in Troisdorf, dem Hauptsitz der TX Logistik AG, einem der führenden europäischen Eisenbahnverkehrsunternehmen. Hier arbeiten über 400 Mitarbeiter daran, Güterverkehrszüge besonders effizient einzusetzen. Was genau das bedeutet und wie man dazu kommt, hier zu arbeiten, verrät mir Tim Lützler – gerade mal Mitte Zwanzig und schon Projektmanager Process Engineering im Unternehmen.
Wir treffen uns in „Wien“, einem der Meetingräume hier, die übrigens alle nach den internationalen Anfahrtszielen der Firma benannt sind. Tim ist zwar noch jung, hat sich aber ganz bewusst für einen Job entschieden, der viel Aufopferungsbereitschaft, Disziplin und Zeitmanagement erfordert. Die Idee dazu kam ihm aber eher zufällig. Mit dem Gedanken, Sport zu studieren, besuchte er die Berufsmesse in Köln. Dort kam er an einem Infostand auf die Idee für sein späteres Studium. „Mich haben die vielfältigen Möglichkeiten des Berufes sofort angesprochen. Neben Güterverkehr braucht man Logistik immerhin auch in vielen anderen Branchen wie dem Versandhandel oder im Bekleidungs- und Lebensmittelvertrieb.“
Jetzt, wo ich Tim so zuhöre wird mir schlagartig klar, in welchem Ausmaß Logistik auch mein tägliches Leben berührt. Tim antwortet mit einem Lachen. Den meisten, so sagt er, falle das erst auf, wenn etwas nicht klappt oder ein Paket nicht ankommt. „Es ist nicht offensichtlich, was man mit der Logistik bewegen kann, aber eigentlich steckt überall ziemlich viel davon drin.“
Vier Telefone und eine Entscheidung
Die Ausbildung zum Projektmanager hat Tim mit einem dualen Studium absolviert. Das setzt sich aus zwei Teilen zusammen: einem Praktischen im Unternehmen mit einer IHK-Prüfung am Ende und einem Theoretischen an einer Hochschule mit einem Bachelorabschluss. Während seines Studiums hatte Tim die Chance, zweimal ins Ausland zu gehen. So studierte er unter anderem drei Monate in einem rein theoretischen Semester in Antwerpen und fühlte sich dort in dem bestätigt, was er schon vor Antritt seines Studiums dachte: Ein Studium ohne praktischen Teil wäre nichts für ihn gewesen. Auf die Frage, welche Stärken man für die Ausbildung und den späteren Beruf mitbringen müsse, erklärt mir Tim, dass er sich viele verschiedene Fähigkeiten erst im Betrieb angeeignet hat: „Dazu zählen soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit, aber auch, dass man lernt, seine Zeit gut einzuteilen.“
Als Projektmanager Schienenlogistik hat Tim das
Streckennetz voll unter Kontrolle.
„Jeder Tag in der Logistik ist anders“, erklärt mir der junge Projektmanager. Die Planung von Transporten ist dabei hochkomplex: Sie muss unterschiedlichste Faktoren berücksichtigen, vieles voraussehen. Zum Tagesgeschäft gehören unter anderem Verkehrs- und Problemanalysen. Das Wetter oder andere unvorhersehbare Einflüsse können Transporte dann zusätzlich beeinflussen und dazu führen, dass ein Zug auch mal gar nicht fahren kann. Gegenüber seinen Kunden muss man dann ein dickes Fell haben: „Du musst das Talent besitzen, gleichzeitig vier Telefonhörer in der Hand zu halten und innerhalb kürzester Zeit Entscheidungen zu treffen. Wenn man da Spaß dran hat, ist das genau der richtige Job.“ Sowieso stellt Tim klar, dass es unheimlich wichtig ist, dass einem der Job auch Spaß macht.
Läuft bei Tim
Durch das Treffen mit dem jungen Projektmanager ist mir klar geworden, dass Logistik viel mehr ist, als nur Pakete von einem an den anderen Ort zu schaffen. Das ist eine Branche, die Disziplin, ein dickes Fell, aber auch Geschick mit Zahlen und ein gutes Zeitmanagement erfordert. Gleichzeitig erwarten einen immer neue Herausforderungen und das Gefühl, wirklich etwas bewegen zu können. Und wenn man alles richtig macht, kann man sich wie Tim zufrieden auf seinem Schreibtischstuhl zurücklehnen und sagen: „So wie es jetzt läuft, fühlt es sich gut an“.
Am Ende habe ich in Troisdorf zwar leider keine muskulösen Packer getroffen, dafür habe ich aber einen Einblick in die durchstrukturierte Logistikwelt bekommen. Ich denke, wenn das nächste Mal ein Paket, das ich bestellt habe, zu spät kommt, habe ich mehr Verständnis dafür.
SPIESSER-Autoren testen für euch Berufe. Welche das sind? Hier geht’s lang!
Text: Alina Bergzog
Fotos: Jakob Kaliszewski
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