Es beginnt mit den ersten fallenden Blättern und zieht sich bis zu den ersten blühenden Bäumen und Heuschnupfen-Anfällen: Ein geheimes Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst-Spiel, an dem mit besonderer Hingabe Pärchen in ganz bestimmten Klamotten teilnehmen.
02. September 2015 - 11:48 SPIESSER-Autorin Individuot.
Es geht um die passionierten Jack-Wolfskin-Träger, die am liebsten auch den eigenen Hund in die Multifunktions-Pracht hüllen würden und das mit Sicherheit in den eigenen vier Wänden auch tun. Den ganzen Sommer lang wahren sie eine Fassade, grillen mit zusammen gebissenen Zähnen Tonnen von Würstchen in ihrem Vorgarten und hüpfen mit gestellter Lebensfreude in einige Seen. Denn eigentlich warten sie nur. Sie warten auf die ersten kühlen Tage, die ersten Blätter auf den Straßen und die ersten Beschwerden über kürzer werdende Tage. Mit dem Herbstanfang beginnt für diesen ominösen, geheimen Bund die Zeit eines zumindest deutschlandweit gespielten Spiels. Ausrüstung und Teilnahmeberechtigung für dieses Spiel sind: Realitätsverweigerung und ein umfangreiches Globetrotter-Sortiment.
Ganz ehrlich, anders kann ich es mir nämlich nicht erklären, warum mit dem ersten grauen Himmel plötzlich überall Paare wie Unkraut aus dem Boden schießen, gehüllt in absolut abgefahrene Multifunktionsjacken von Jack Wolfskin und Co. Denn kalt ist es ja nicht. Und Schnee ist mittlerweile eh mehr eine Erinnerung als ein alljährliches Wetterphänomen. Aber wofür dann eine Montur, mit der man locker im Norden Norwegens, bei minus zwanzig Grad Celcius stundenlang eine Husky-Safari mitmachen könnte, ohne auch nur ein bisschen kalte Fingerchen zu haben?
Meine Theorie deswegen: Die Jack-Wolfskin-Träger sind die neuen Illuminati. Sie sind eine Geheimgesellschaft des geheimen Globetrotter-Ordens und ihre Hauptaktivität ist es, unter den Unwissenden Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst zu spielen. Wenn sie dann aus ihrem Hummer auf dem Aldiparkplatz mit der Dame des Herzens an der Hand steigen, sehen sie nicht tristen Beton, sondern eine Schneelandschaft, über die eisiger Wind weht und der Supermarkt selbst ist eigentlich ein Berg, der bestiegen werden soll. Das Wolfskin-Paar kauft auch nicht ein, sondern jagt seine Beute in der gefährlichen Wildnis. Den Großstadt-Dschungel im Kopf, wird dann nach Hause geritten, wo das Weib die Beute über der selbst entzündeten Feuerstelle brät.
Vielleicht ist es eine Reaktion auf unseren sehr gemütlich gewordenen, westlichen Lebensstil. Oder ein zu lange gespieltes Rollenspiel, das die Wahrnehmung extrem verändert hat. Oder es ist Vorbereitung auf eine an stehende Eiszeit, von der auch nur der neue Geheimorden weiß. So oder so – aber das haben Unwissende und Uneingeweihte ja immer gesagt – es sieht ganz schön albern aus. Denn in unserem ahnungslosen Blick seht ihr Jack-Wolfskin- Pärchen eher verweichlicht und auch ein bisschen verwöhnt aus, wie ihr da in einer Montur umher spaziert, die bei den Wetterverhältnissen hier nicht nur komplett unnötig, sondern auch noch ziemlich teuer ist. Vielleicht nehmt ihr stattdessen mal die Kohle, die ihr für all das Outdoor-Zeugs ausgebt, und fahrt mal wirklich in den Norden Norwegens. Da werdet ihr übrigens sehen, dass auch ein bis zwei Pullover mehr schon Wunder wirken und dass das Führen eines Husky-Schlittens so anstrengend ist, dass ihr überhaupt keine Multifunktionsklamotten braucht.
Text: Polina Boyko
Collage: Anja Nier
Dir gefällt dieser Artikel?
auf Facebook teilen auf WhatsApp teilen auf Twitter teilen auf Google+ teilen
Lesekreise haben den Ruf, eine verstaubte Praxis aus vergangenen Tagen zu sein. SPIESSER-Autor Pierre möchte jedoch anregen, gerade jetzt in Zeiten der Pandemie wieder auf diese Zirkel zurückzugreifen.
Viele Menschen sind der Meinung, politische Debatten könnten aus neutralen Blickwinkeln geführt werden. Aber wem wird zugestanden, diese objektiven Standpunkte einnehmen zu können – und viel wichtiger: wem nicht? SPIESSER-Kolumnist Pierre zweifelt stark an der Existenz einer völlig
Seit Wochen schon geht es in Nachrichten über die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung nur um Weihnachten. Warum sehen wir es als selbstverständlich an, dass zu diesem Feiertag die Kontaktbeschränkungen gelockert werden, und zu keinem anderen?
Oft wird falsch verstanden, was mit Feminismus überhaupt gemeint ist. Der Begriff hat darüber hinaus eine Geschichte hinter sich, die nicht immer ohne Probleme war. SPIESSER-Kolumnist Pierre fragt sich deshalb: Warum taufen wir ihn nicht einfach um? Und liefert die Antwort auf diese Frage gleich mit.
Bevor Pierre nach Hildesheim gezogen ist, konnten die meisten Personen in seinem Freundeskreis nichts mit der Stadt anfangen. Er auch nicht. Nach seinem Bachelorstudium im beschaulichen Marburg hatte er eigentlich in die Großstadt seiner Träume ziehen wollen: Frankfurt am Main. Doch es kam anders.
Wer Bewerbungen schreibt, steht unter immensem Druck. Die eigenen Fähigkeiten müssen in kürzester Form präsentiert werden. Immer öfter geht es dabei aber scheinbar noch um etwas anderes – darum, besonders verliebt in seinen Job zu sein.
Was tun, wenn sich herausstellt, dass die Autorin der eigenen Lieblingsbücher öffentlich transfeindliche Ansichten propagiert? SPIESSER-Autor Pierre hat sich diese Frage gestellt - und kommt zu einer klaren Antwort.
Christliche Influencer, sogenannte „Christfluencer“, tragen nicht einfach ihren persönlichen Glauben nach außen. Sie vermarkten ihn vielmehr – wie ein Lifestyle-Produkt. Dabei nutzen sie modernste Kommunikation, um zu missionieren und aktiv gegen Werte wie die Gleichberechtigung
Was in Hanau am 19. Februar passiert ist, war für viele ein Auslöser von Angst. Tatsache ist aber, dass diese Angst für viele People of Colour in Deutschland Alltag ist.
Die Philosophie hat einen schlechten Ruf. Sie steht im Verdacht, ein Studienfach für Menschen zu sein, die schlicht nichts Besseres mit ihrem Leben anzufangen wissen. Dabei ließe sich gerade mithilfe der Philosophie unsere durchökonomisierte, neoliberale Gesellschaft auf den Kopf stellen.
Allgemeinbildung heißt heute Google, sagen manche. Aber das reicht nicht. Die Welt ist so kompliziert geworden, dass man leicht den Überblick verliert. Woher soll man wissen, was man wissen muss? Ein Gespräch zwischen Vater und Sohn.
Wovon darf Angela Merkel keine Ahnung haben? Wann dürfen Politiker Fehler machen? Und warum wissen wir alles besser als sie? Politiker haben riesige Verantwortung, keine Freizeit und Gegner auf allen Seiten. Für unsere Demokratie muss ein anderes Bild über sie her.
Mal ehrlich: Bargeld ist so modern wie der Dieselmotor, Atlanten oder Telefonzellen. Eine Zukunft hat es in einer digitalen Welt nicht. Zeit loszulassen, auch wenn das „dem Deutschen“ schwerfällt.
Orientierungslos blieben die eingesessenen Politikprofis zurück nachdem ein junger interessierter Mann mit auffälliger Frisur plötzlich den dunklen Raum der Politik für Jugendliche öffnete. Und die Erwachsenen reagierten, als würden sie von ihren Kindern beim Sex erwischt.
Bilder von Kindern gehören nicht ins Internet. Denn auch sie haben ein Recht auf Privatsphäre wie jeder von uns. Und selbst würde wohl keiner ein Bild von sich beim Kacken, Kotzen, Heulen oder Nacktbaden hochladen.
Bei Konservativen ist es cool geworden, nicht mehr „politisch korrekt“ zu sein. Aber was heißt das überhaupt und warum sollte man erst denken und dann sprechen?
Wer spricht schon über Loyalität? Meistens die Leute, die sie von anderen einfordern oder sich selbst damit brüsten wollen, wie loyal sie doch sind. Oh, und Rapper natürlich. Echte Loyalität aber sollte nichts anderes sein als eine unausgesprochene Selbstverständlichkeit.
Unser Kolumnist Max schaut sich einen Text von sich selbst an, in dem er nach dem Abi verzweifelt auf die Welt der Erwachsenen geschaut hat. Heute sieht er vieles anders. Ist vielleicht doch nicht alles so scheiße, wie es manchmal scheint.
Bei den Reaktionen auf das Rezo-Video fällt auf: Nicht nur die CDU versteht die Jugend nicht mehr, auch Medienmacher haben den Zugang zur jungen Generation verloren. Vielleicht braucht es die Jungen, um den Alten etwas zu erklären.
Unsere Gesellschaft ist so gleichberechtigt wie noch nie zuvor. Trotzdem gibt es einige empörte Feministinnen und Feministen, die anscheinend nicht an Gleichberechtigung interessiert sind und damit die Glaubwürdigkeit und den Wert ihrer Bewegung untergraben.
Liebe Freundinnen des Rosas und Pinks, der Blumen und Schokolade – der Valentinstag ist mit seinem Kitsch und seinen Klischees mal wieder über uns geschwappt. Und wisst ihr was? Ihr könnt ihn haben, euren Prinzessinnen-Tag. Besser gesagt: Haltet ihn uns ja vom Leib!
Nicht Weltmeister, kein Finale, nicht mal Dritter. Die Handball-Heim-WM hat Deutschland in den Bann gezogen – und am Ende flossen bittere Tränen. Die deutsche Mannschaft löste Zuschauerrekorde in den Hallen und an den Bildschirmen aus. Doch scheinbar nur, weil der grausame Riese Fußball
Ein Anfang kann eine Chance sein, ein Risiko, das Ende einer Ära, ein leeres Blatt. Das neue Jahr beginnt und bringt tausende neue Anfänge mit sich. Manche ganz willkürlich, andere sehr geplant. Aber wer den Jahreswechsel braucht, um sich selbst neu zu erfinden, der hat wirklich ein Problem.
Was macht einen Menschen eigentlich zum Mensch? Wie hilft die moderne Technik dabei? Werden Maschinen bald bessere Romane schreiben als Menschen? Über diese und andere Fragen hat sich SPIESSER Autorin Katharina Gedanken gemacht.
Das Wetter war selten so nervig und ekelhaft wie in den letzten Tagen und Wochen. Es ist kalt, es regnet, es schneit, verdammte Hacke! Ich finde, es wird höchste Zeit sich mächtig aufzuregen über diese Frechheit.
Was macht einen Menschen eigentlich zum Mensch? Wie hilft die moderne Technik dabei? Werden Maschienen bald bessere Romane schreiben als Menschen? Über diese und andere Fragen hat sich SPIESSER Autorin Katharina Gedanken gemacht...