Polimika – die Kolumne

Baby-Fame

Wenn Kleinkinder und Babys in die Öffentlichkeit gedrängt werden, ist das immer fragwürdig. Die Royal Babys haben sogar eigene Fanpages mit einer halben Million Likes. Eine Fan-Seite für das eigene Sandwich ist mindestens genauso sinnvoll, findet SPIESSER-Autorin Polina.

23. July 2015 - 10:17
SPIESSER-Autorin Individuot.
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Beigetreten: 01.07.2014

Ich habe 96 Freunde auf Facebook, etwa zwölf davon haben volle Einsicht in mein Profil und 20 Likes für ein Profilbild sind in meinem Fall verdammt viel. Kein Twitter, kein Instagram, kein sonstiges Social-Sonstwas. Trotzdem würde ich mich selbst nicht als zurückgebliebener Neandertaler bezeichnen und auch nicht als retroverherrlichender Hippie. Aber vielleicht gehen genau deswegen manche Dinge zunächst an mir vorbei, bevor sie irgendwann wenden und mich auf einem anderen Weg erreichen, um in mein verwirrtes, ahnungsloses Gesicht zu schlagen. Vor kurzem war es mal wieder so weit: Ich habe Facebook-Seiten in Form von Fanpages von und für Kinder des Britischen Königshauses, ich nenne sie mal Royal Babys, entdeckt.

Um genau zu sein handelt es sich dabei um Seiten von/über/für Princess Charlotte of Cambridge und das Brüderchen Prince George of Cambridge. 450.000 und 100.000 Likes haben die Seiten, auf denen ein Babyfoto das nächste jagt. Vermutlich stoßen nur noch Katzenbabys die Royals vom Thron. Wenn also die Fans der königlichen Herrschaften nun eine Seite für die Royal Cat, ich nenne sie mal Miss Mary Poppins, gründen würden, müsste diese Seite folglich das Internet konkurrenzlos regieren. Gut, John Snow müsste noch regelmäßig in ein paar Bilder geschnitten werden. John Snow und Taylor Swift.

Also der Hype um die königlichen Häuser und deren Mitglieder, der ganze mediale Irrsinn um diese Personen ist ja das eine – verstehen tue ich das übrigens auch nicht – aber dann auch noch deren Kinder? Die Worte „precious“ und „fab“ tauchen auf diesen Seiten genauso oft auf wie Wettbewerbe um die meisten Likes für neueste, komplett austauschbare Fotos. Inhaltlich passiert, wie erwartet, nicht sonderlich viel. Trotzdem verfolgen eine halbe Million Menschen diese Posts. Und irgendjemand betreibt doch auch diese Seiten und versorgt die 500.000 Follower mit dem neuesten „stuff“ über die Königskinder. Mir fallen ja auf Anhieb so einige Aktivitäten ein, mit denen man, meiner Meinung nach, seine Zeit deutlich sinnvoller verbringen kann: ein gutes Buch lesen, einen guten Film gucken, ein neues Rezept ausprobieren.

Die Eltern selbst bzw. deren PR-Armee werden diese Seiten wahrscheinlich – hoffentlich! –  nicht in die Welt gerufen haben, denn mit Privatsphäre und Autonomie hat das nun wirklich nichts mehr zu tun. Mich erinnern diese Seiten unweigerlich an Kleinkinder als Models, die genauso ins Rampenlicht gedrängt werden, was sie sich selbst nicht ausgesucht haben. Wieso die Königskinder einen Fanclub haben beziehungsweise brauchen, erschließt sich mir nicht. Das ist so wie eine Facebook-Seite für ein Sandwich zu erstellen: inhaltsleer, sinnlos und hätte in meinem Fall vermutlich ebenfalls mehr „Freunde“ als ich.

Text: Polina Boyko
Collage: Anja Nier

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