Nachgefragt

Feminist Sex Wars

Sex ist Krieg. Zumindest, wenn es um Sex und dessen Darstellung im Film geht. Die klassische Pornografie eckt bei vielen Feministinnen und Feministen an. Manche halten auch dagegen und wollen das Genre umkrempeln. „Feministischer Porno“ nennt sich das dann.

08. April 2019 - 16:46
SPIESSER-Autorin Nananas.
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Nananas Offline
Beigetreten: 03.08.2015

Wenn ich an Pornos denke, die ich bisher gesehen habe (das tun übrigens eine ganze Menge Frauen, so um die 24 % in Deutschland laut Pornhub), dann denke ich an Filme, in denen Frauen mit verzerrtem Gesicht in alle Körperöffnungen penetriert werden und anschließend noch mit Oralverkehr den Mann zum Kommen bringen. Sie sind das Lustobjekt und haben eins garantiert nicht: selbst einen Orgasmus. Aber gibt es auch pornografische Filme und Videos, die darauf verzichten, Frauen als bloße Lustobjekte darzustellen, die dem Mann alle sexuellen Fantasien und Wünsche erfüllen? Jetzt kommen wir ins Gespräch!

Ich wende mich mit meinen Recherchen an Daniel Butt. Daniel ist 30 Jahre alt, arbeitet als SEO- und Content-Manager in Berlin. Hobbymäßig betreibt er einen Blog zum Thema Pornowissenschaften, in seiner Master-Abschlussarbeit schrieb er über den feministischen Porno. In seinem Whats-App-Status steht „Popo-Kram“, umrahmt von zwei Pfirsich-Emojis, und auf seiner Facebook-Seite grinst einem ein freundlicher Wuschelkopf mit kleinen Peniszeichnungen rund ums Gesicht entgegen.

Ab wann ist Porno feministisch?

„So ganz einfach ist das nicht zu bestimmen“, sagt mir Daniel. In erster Linie sei Porno feministisch, wenn die Intention der Produzierenden darin läge, feministische Werte abzubilden. Wenn zum Beispiel Sex nicht nur zwischen Mann und Frau gezeigt wird, der Film auf „typische“ Machtverteilung in sexuellen Darstellungen (die Frau bedient die Bedürfnisse des Mannes) verzichtet und die sexuelle Selbstbestimmung aller Beteiligten gewahrt wird. Wichtiges Kriterium ist auch, dass der Sex nicht einfach passiert, sondern eine Rahmenhandlung hat und vor allem die Lust der Mitwirkenden im Vordergrund steht. Keine Ablehnung und widerwillig dreinblickende Menschen, sondern Leute, die Spaß daran haben. Dabei sollen der Genuss und die Sexpraktiken möglichst authentisch und vielfältig dargestellt werden. Hier spielen auch verschiedene Geschlechterkonstellationen eine Rolle. Grundsätzlich richtet sich feministischer Porno nicht nur an Frauen, sondern an alle Geschlechter.


Auf seinem Blog unter danielbutt.wordpress.com nennt Daniel unter anderem zehn Gründe, warum Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Pornos gucken sollten.

Good Porn, Bad Porn

Ich stelle schnell fest, dass feministischer Porno tatsächlich einer „Da muss sich jetzt was ändern“-Haltung entstammt. Dabei herrschen auch unter Feministinnen und Feministen zwei große Lager. Die wohl radikalste Position ist die, dass Pornografie niemals feministisch sein kann, da es sich dabei immer um die Unterdrückung von Frauen oder Gewaltdarstellungen an Frauen handelt. Diese Haltung manifestiert sich in der PorNO-Bewegung, der auch Alice Schwarzer angehört und Pornografie aufs Schärfste verurteilt. Die PorYES-Bewegung ist im Gegenzug der Meinung, die Antwort auf konventionellen Porno könne nicht gar kein Porno sein, sondern nur besser gemachte Filme. Diese Debatte wird auch als Feminist Sex Wars bezeichnet und legte den Grundstein für die (öffentliche) feministische Auseinandersetzung mit dem Thema in den frühen 80er Jahren.

Zurück zum konventionellen Porno. Ist normaler Porno denn jetzt per se schlecht? „Er ist nicht kreativ. Er ist systematisch langweilig, weil einfach wiederholt wird, was funktioniert. Da die Pornobranche Geld verdienen will, ist sie nicht risikofreudig, immer wieder wird Schema F abgespielt“, so Daniels Theorie. Natürlich hat nicht jeder Film die totale Unterdrückung und Erniedrigung der Frau zum Ziel. Aber es kommt kein frischer Wind in die Branche und das Raster wird zugunsten der Gewinne durch die Filme kein bisschen angepasst.

PorYES: Sex, besiegelt.
Der Feminist Porn Award wird seit 2009 verliehen und steht in der Szene als Gütesiegel für Pornofilme, die die Lust aller Geschlechter zeigen. Das Siegel zeichnet dabei Filme aus, die auf Vielfalt vor und hinter der Kamera setzen sowie auf faire Produktionsbedingungen achten.
Schublade auf, Porno rein

Ein weiteres Problem: die generelle und oftmals absolut realitätsferne Kategorisierung von Sex. Scrollt man sich durch die zahlreichen Vorschläge der gängigen Seiten, sind alle Filme nach bestimmten Kategorien sortiert. Soweit, so normal, schließlich suchen wir in anderen Onlineshops unsere Laptops auch nicht bei den Bademänteln. Aber die Kategorien sorgen auch für ein verzerrtes Wahrnehmungsfeld.

Beispielsweise Filme, die in der Lesbian Sex-Schublade stecken, entsprechen nicht unbedingt realem lesbischem Sex, sondern sollen Männer ansprechen, die sich Sex unter Frauen so vorstellen. „Keine Frau möchte gerne von angespitzten, scharfkantigen Fingernägeln befriedigt werden, das ist einfach unreal. Da setzt feministischer Porno an, denn er versucht, Sexualität realer, nahbarer und ethischer zu machen“, erklärt mir Daniel. Trotzdem könne es in den Videos ordentlich zur Sache gehen: „Es ist eben wie im echten Leben: Da ist auch nicht durchweg Blümchensex angesagt, sondern es werden persönlich und fantasievoll Grenzen ausgetestet, mit wem und wo ist egal, aber einvernehmlich muss es sein!“

Da setzen zum Beispiel Filme von Erika Lust an. Die Regisseurin und Produzentin zahlreicher Pornofilme will nicht nur weibliches Publikum erreichen, sondern auch Männer, die immerhin die Hälfte der Zuschauer ihrer Filme sind. Viele von ihnen langweilt Mainstream-Porno mit seinen immer gleichen Abläufen. So sieht sie ihre Filme auch ein bisschen als Bildungsmedium an.

Auch Daniel findet, davon könnten wir alle noch was lernen, und gibt den Rat: „Feministische
Pornografie könnte man auch Fair-Trade-Porno nennen. Dort wird auf faire Bedingungen am Set und eine große Spannbreite von Sexualität und Geschlecht geachtet. Es ist gut, wenn sich das Format auf Produzentenseite diversifiziert, aber auch die Zuschauer müssen sich aktiv für einen Paradigmenwechsel entscheiden.“ Vielleicht wird euer nächster Suchbegriff ja: Feministischer Porno.

Text: Ragna Gerhardt, musste spätestens nach dieser Artikelrecherche ihren Browsersuchverlauf ganz dringend löschen.
Fotos: Paul Muders
Teaserbild: Lena Schulze

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