Nachgefragt

Dank Papprequisiten und halbwitzigen Gags

Mit „Lifestyle“ assoziiere ich vor allem Sandstrand und braungebrannte Oberkörper. Dabei ist die eigentliche Wortbedeutung viel breiter gefächert! Grund genug, mein Schubladendenken zu überwinden und mich mit anderen Lebensstilen auseinanderzusetzen. Wie wär’s denn mal mit Gaming? Eigentlich ganz geil, weshalb ich das große Glück hatte, Trant von den Rocket Beans für ein Gespräch begeistern zu können.

17. December 2019 - 09:08
SPIESSER-Autor mclovin.
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mclovin Offline
Beigetreten: 27.05.2019

Stichwort Wortbedeutung, was bedeutet Lifestyle denn nun? Der Duden bietet dafür eine recht simple Erklärung an: Lifestyle, das heißt nichts anderes als Lebensstil, also eine charakteristische Art und Weise, das Leben zu gestalten. Da Individualisierung weiterhin als anhaltender Trend in unserer modernen Gesellschaft besteht, wird die Differenzierung von sozialen Milieus (und damit auch Lebensstilen) unweigerlich vorangetrieben. In Kombination mit der Durchdringung des Alltags mit Technik entstehen zahlreiche neue Möglichkeiten, das eigene Leben zu gestalten.

Exemplarisch könnte man hier das Live-Streaming-Videoportal Twitch mit seinen Streamenden nennen, welche Nischen in der Medienlandschaft besetzen und dennoch von abertausenden Menschen angesehen werden. Entertainment überall, zu jeder Zeit? – Das ist ein Knackpunkt unserer Ära. Das wissen auch die Boys und Girls von Rocket Beans TV, welche ihren Sender nach dem TV-Aus von „Game One“ an den Start brachten und damit einen rettenden Leuchtturm auf hoher See für Gaming- und Nerdkultur schufen. Als Seemann verkleidet wagte ich mich hinaus aufs raue Meer, um in unbekannte Sphären vorzudringen. Und bei Gott, Neptun war mir wohlgesonnen! So erhielt ich kurz vorm Ertrinken Rettung aus dem Kosmos der Rocket Beans. Es war kein Geringerer als Trant, welcher mich metaphorisch aus dem Wasser zog und mit seinem Seemannsgarn verzauberte.

Carsten Grauel aka. Trant 

bekam im zarten Alter von fünf eine Atari VCS – während seine Eltern diesen Tag verfluchen sollten, wurde in ihm eine anhaltende Passion für Videospiele geschürt, welche bis heute anhält. Über das offizielle Playstation-Magazin ist der gebürtige Hesse 2006 in der „Game One“-Redaktion gelandet, bevor es ihn nach der TV-Absetzung 2014 zu Inside Playstation zog. Inzwischen ist er wieder sicher im Hamburger Heimathafen der Rocket Beans eingelaufen, wo er an „Game Two“ mittüftelt. Darüber hinaus hat sich Trant auch in der Musikbranche einen Namen gemacht. Mit Songs wie „Looten und Leveln“ oder „Damage Damage“ konnte er auch jenseits seines Arbeitsplatzes für Furore sorgen.

„Giga“ galt Anfang 2000 als erster Internetfernsehsender, bei dem die Interaktion mit Zuschauenden von hoher Bedeutung war. Heute ist das der Normalzustand. Hat sich die Arbeit in der Gaming-Branche auch darüber hinaus verändert?

Was sich auf jeden Fall verändert hat, ist die Art, wie die Leute an Informationen kommen. Früher waren es in erster Linie Printmagazine. Als ich jung war, habe ich jeden Monat auf eine neue Ausgabe gehofft. Der große Umschwung kam erst mit dem Durchbruch von YouTube. Da haben viele mit Let’s Plays angefangen und es gibt viele Leute, die Nischen bedienen und sich auf bestimmte Spiele spezialisieren. Die reden dann ganz ausführlich und leidenschaftlich über diesen kleinen Bereich. „Game Two“ ist da anders: Wir probieren, alles abzudecken. Das widerspricht aber ein wenig den Spielregeln von YouTube. Dort pickt sich halt jeder sein Favorite raus. Deshalb ist es auch verwunderlich, dass die Leute uns gucken. So eine richtige Magazinsendung, wie wir sie machen, fällt mir von anderen Kanälen gar nicht ein.

Die Community ist maßgeblich am Erfolg von Rocket Beans TV (RBTV) beteiligt, hat unter anderem am Anfang durch finanzielle Unterstützung das Überleben des Senders gesichert. Wie würdest du die Bindung zur Community beschreiben?

Ich bin mir auch nicht sicher, ob unsere Community-Bindung anders ist als bei anderen YouTubern. Aber wenn man darüber redet, warum unsere Community so eng mit uns ist, dann kommt man schnell zum Punkt Authentizität. Wir versuchen schon, relativ unverfälscht rüberzukommen und das schätzen die Leute auch. Bei uns geht vieles ineinander über. Das macht das Ganze nahbarer. Man merkt einfach, dass wir da sehr viel Leidenschaft reinstecken, Spaß bei der Sache haben und ähnlich wie unsere Community denken.

RBTV ist so etwas wie die Anlaufstelle Nr. 1 in Deutschland für Pop- und Nerdkultur. Worin hebt ihr euch von der Konkurrenz ab?

Es ist cool, dass es das hier gibt, weil es so bunt gefächert ist. Da ist für jede Person etwas dabei, egal ob es um Comics, Filme oder Spiele geht. Das ist schon besonders, dass es dieses Konglomerat an Menschen gibt, die sich zusammenfinden und mit Expertise auch noch unterhaltsam darüber quatschen. Wenn es uns nicht gäbe, würde auf jeden Fall etwas in der deutschen Medienlandschaft fehlen. Wir sind eben nicht ganz so hochglanz und glossy. Manchmal ist es hier eben etwas chaotisch und ein bisschen muckelig. Vielleicht kann man es ein wenig als virtuelles Zuhause bezeichnen. Wir geben den Leuten das Gefühl, mit uns gemeinsam auf der Couch sitzen zu können.

„Typen von nebenan mit Requisiten aus Pappe, die halbwitzige Gags über Videospiele machen“. Das hat der YouTube Channel „Walulis“ einst über euch gesagt. Wie erklärt ihr euch dennoch den großen Erfolg von „Game Two“? Oder ist genau das der Erfolgsgarant?

Bei „Game One“ hatten wir damals eine Sendung zu „Destroy all Humans“, wofür wir uns das erste Mal verkleidet haben. Wir hatten kein fettes Budget für Verkleidungen, also haben wir einfach einem unserer Kollegen eine Alienmaske aus Gummi aufgesetzt und dann ein Interview geführt. Das war zwar super schäbig, aber witzig. Beim Schnitt denkt man dann: „Das sieht unfassbar scheiße aus“, aber man muss unheimlich lachen. Klar, mit guten Requisiten wäre das auch cool gewesen, aber schlecht gebastelt aus Pappe ist schon oft lustig. Deswegen würde ich schon sagen, dass das zum Erfolg beigetragen hat.

Du warst ja auch schon ein paar Mal viral. Was macht ein popkulturelles Phänomen für dich aus? Gibt es bestimmte Dinge, die es braucht, um viral zu gehen?

Das wüsste ich auch gerne. Es gibt sicherlich Schritte, die man befolgen kann, um die Chancen zu erhöhen, etwas Virales zu machen. Bei mir war das nie direkt geplant. Vielleicht lag es eher daran, dass es Lieder waren. Lieder haben ganz gute Chancen, Reichweite zu generieren. Die sind kurz und knackig, man kann mitwippen und sie sind einfach zu konsumieren. Also wenn es dann nicht komplett kacke ist – oder gerade weil es komplett kacke ist –, kann so was durch die Decke gehen. Aber ein Rezept gibt es nicht. Wir machen halt irgendeinen Kram und der funktioniert dann auch mal.

Mit deinem Tun und Handeln beeinflusst du viele Menschen. Du bist Idol und Vorbild, auch wenn vielleicht nicht im klassischen Sinne. Versuchst du dennoch, bewusst eine Botschaft mitzugeben?

Ich habe jetzt direkt keine Message, etwas Moralisches, was ich vermittle. Das schwingt eher mal mit, wenn ich mich äußere. Wir hatten mal das Thema Lootboxen. Da habe ich mich auch ganz klar positioniert und gesagt, dass ich das blöd finde. Das ist etwas, worauf ich aufmerksam machen wollte. Das war aber auch eher die Ausnahme. Im Grunde sind es dann ganz normale Meinungsäußerungen, wie ich zu einem Thema stehe. Aber ich kann nicht sagen, eine bestimmte Botschaft teilen zu wollen. Ich bin halt einfach Trant.

 

Text von Duc Hai Le, 22, ist Praktikant in der Redaktion und besitzt dieselben Eigenschaften wie ein Schwamm – saugt alles auf, was geht.
Fotos von Sara Lodeserto (Rowdygraphie) kein Nerdgirl, spielt aber trotzdem gerne mal Videospiele auf Konsolen von NES bis PS4.
Teaserbild: Paula Hohlfeld

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