Er verabscheut Schleifchen, Glitzer ist ihm zuwider und bei Origami kriegt er Brechreiz. Nein, es geht nicht um den Grinch, sondern um SPIESSER-Redakteur Henric, der sich dem ultimativen Härtetest stellt: Basteln.
20. December 2017 - 09:26 SPIESSER-Autor Henk Marzipan.
„Fuck, ich muss noch was basteln!“, sage ich. Meine Freundin schaut mich entgeistert an: „Bis wann denn?“ – „Ende der Woche ist Redaktionsschluss“ – „Weißt du, was du machst?“ – „Natürlich nicht.“ Was tu ich mir bloß an? Versuchskaninchen war ich schon oft für den SPIESSER: Vom Bootcamp hatte ich so Muskelkater, dass ich mich nicht mehr auf eine Toilette setzen konnte. Durch Matsch, Tränen und Schweiß bin ich beim Tough Mudder gerutscht. Selbst im Haifischbecken eines Frauenchors habe ich mich behaupten können. Aber, alter Schwede, im Moment weiß ich nicht, ob ich dieser Prüfung gewachsen bin. „Na ist doch super!“, sagt meine Freundin und gibt mir eine Reihe Bastelbücher. Ich hasse die Welt dafür, dass Dinge wie Basteln, Selbermachen und Grundschulfingerfertigkeitsaufgaben wieder in Mode gekommen sind.
Grausame Pläne
Es fing damit an, dass meine geschätzte Kollegin Polina mit unseren Praktikantinnen eine üble Tat ausheckte. Hinterlistig schmiedeten sie im Geheimen Pläne, mich in den Abgrund zu führen. „Henk, es wäre doch total lustig, wenn du, der du basteln so hasst, was für deinen Büromitbewohner Falk basteln würdest“, eröffnet mir Polina. Während mir die Gesichtsmuskeln entgleisen, fangen die Praktikantinnen an zu kichern. Mir bricht der Schweiß aus. Habe ich gerade hysterisch aufgelacht? Ich glaube ich habe keine Farbe mehr im Gesicht. Polina lacht: „Das ist so schön, dass das so schlimm für dich ist!“
Mein Trauma beginnt in der Grundschule. Ich sehe absolut nicht ein, warum man innerhalb der Linien malen soll. Auch ordentlich Ausschneiden ist Quatsch. Mir doch egal, ob meine Filzmaus asymmetrisch ist. Liegt doch am Ende eh nur im Regal. Der totale Kollaps ist für mich schließlich das Falten. Als unsere Lehrerin in der dritten Klasse Schritt für Schritt erklärt wie eine Rose zu falten sei, bin ich der Einzige, der nicht mitkommt. Warum ist es wichtig eine Rose falten zu können? Die gibt es schon. In der Natur! Einfach so! Die Grundschule ist grausam.
Bis einer weint
Zurück im kleisterverschmierten Hier und Jetzt. Die Entscheidung ist gefallen: Ich bastele einen Stiftehalter. Chaos ist auf dem Schreibtisch meines Kollegen eh immer. Und das Konzept wirkt nicht allzu kompliziert: Man nehme Pappe, Papprollen, Wäscheklammern, hübsches Klebeband und verziertes Papier. Faulheit und Zeitdruck geschuldet habe ich keine Zeit zum Einkaufen mehr und nehme das, was meine Freundin zu Hause hat. Naja dann wird es ein Stiftehalter im Rosa-Pinken-Cupcake-Design mit rosa-grauen Rollen. Farben sind schließlich für alle da!
Während des Bastelns überkommt mich eine Mischung aus Frust, Verzweiflung und Erheiterung über meine eigene Unfähigkeit. Immer wieder muss ich laut auflachen. Noch nie habe ich so viel Hass in ein Projekt gesteckt. Die Pappe lässt sich nicht gerade ausschneiden, die Rollen nicht vernünftig umkleben. Der Kleber pappt an meinen Fingerspitzen. Verdammt, warum muss ich sowas als Erwachsener noch machen?! Ich betrachte den Bastard, den ich da geschaffen habe: Schön ist er nicht, aber er ist, was er werden sollte. Ich bin ganz leise und glaube ihn leise „Töte mich“ flüstern zu hören. Oh Stiftehalter, warum habe ich dich erschaffen?
Die feierliche Übergabe
Weihnachtlich in Papier geschlagen überreiche ich meinem Kollegen mein verfrühtes „Geschenk“. Eigentlich überreiche ich ihm eine Last, die er jetzt aus einer Mischung aus Sympathie und Schuldgefühlen behalten muss. Falk gibt sich große Mühe sich erfreut zu zeigen. Schließlich werden auch Bilder gemacht. Danke lieber Falk, dass du mir nicht noch eine zusätzliche Blöße gibst.
Fazit eines fingerbrechenden Schaffungsprozesses: Es ist schon gut so, dass ich seit der Schule nicht mehr gebastelt habe. Ich habe nichts verpasst und meine Mitmenschen auch nicht. Aber hey, wem es Spaß bereitet, soll es halt machen. Hauptsache ich muss mich Bastelkleber nicht auf 100 Meter nähern. Teufelszeug.
Text: Henric Abraham
Teaserbild: Lena Schulze
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