SPIESSER.de: Wie genau bist du auf den Demonstrationen vorgegangen?
Valeska: Man sammelte sich auf Plätzen, Musikinstrumente wurden ausgepackt, Banner und Plakate verteilt und dann ging es los. Ich war froh, dass ich meinen Mitstreiter Moritz bei mir hatte – allein wäre ich mir sehr verloren vorgekommen.
Die Polizei sorgte dafür, dass keiner der Aktivisten den Block verlassen konnte und es nicht zu Ausschreitungen kam – und das mit sehr viel Nachdruck! Ich war sehr darauf bedacht keinen Ärger zu machen und mich nicht mit der Polizei anzulegen, deshalb hielt ich mich stets eher im Hintergrund. Leider ließen sich immer einige der Demonstranten von dem mächtigen Polizeiaufgebot abschrecken und verließen die Demo frühzeitig.Außerdem gab es auch den „schwarzen Block“, in dem die Leute vertreten waren, die scharf auf einen Zusammenprall mit der Polizei waren. Es war wichtig, sich nicht beunruhigen zulassen und darauf zu vertrauen, dass schon alles gut gehen würde. Wenn es der Demonstrationszug schaffte, den Endpunkt zu erreichen, was nicht immer der Fall war, gab es dort eine Schlusskundgebung zum aktuellen Thema, zum Beispiel „No climate refugees“, oder eine Schlussaufführung der begleitenden Sambagruppe.
Wenn du Ärger aus dem Weg gegangen bist – wieso wurdest du verhaftet?
Das weiß ich bis heute noch nicht so genau. Es war auf der „Hit the production“-Demonstration. Die war, wie ich später erfuhr, nicht genehmigt. An diesem Tag war ich in der ersten Reihe mit dem Frontbanner gelandet und die Polizei war in der Überzahl. Nach nicht mal einem Kilometer wurden wir von der Polizei eingekesselt und es kam zu einem heftigen Gedrängel. Die Polizei machte ordentlich Gebrauch von ihren Schlagstöcken. Die ersten wurden festgenommen. Nachdem die Polizei den Kundgebungswagen erobert hatte, beruhigte sich die Stimmung ein wenig. Die Polizei machte eine Ansage über Lautsprecher: Wir dürften die Demonstration weiterführen, wenn wir uns durchsuchen lassen würden.
Als ich mich durchsuchen ließ, ging das Gedrängel wieder los, viele wurden festgenommen. Nachdem sich einige von uns wieder gesammelt hatten, wollten wir weitergehen, wurden jedoch plötzlich erneut eingekesselt und unter Arrest gestellt. Einfach so und völlig ohne Vorwarnung oder triftigen Grund. Man wurde dann durchsucht, gefesselt und in die großen Polizeiwagen verladen. Ich verlor meinen ebenfalls festgenommenen Begleiter aus den Augen. Mein persönliches Drama war jedoch, dass ich Pfefferspray bei mir hatte, was in Dänemark illegal ist. Ich wurde also von drei Polizisten flankiert, in einen Extrawagen verfrachtet und mit Blaulicht ins Gefängnis gefahren. Komisches Gefühl!
Wie war es im Gefängnis zu sitzen?
Es war kein Gefängnis im üblichen Sinne. Die Polizei hatte in einer riesigen Fabrikhalle ungefähr 30 Käfige aufgebaut, in die wir dann zu acht oder zwölft gesteckt wurden. Man kann sich das wirklich wie Tierkäfige auf einem sehr kalten Steinboden vorstellen. Bevor man jedoch dort rein kam, musste man die Personalien angeben, sich fotografieren lassen und alle persönlichen Dinge abgeben, auch Jacken, Gürtel und Schuhe. Der Aufenthalt im Gefängnis war nicht so schlimm – ich hatte ja viel Gesellschaft um sich herum und war deshalb wenigstens nicht einsam.
Unangenehm war die Kälte in der Halle und die Angst, auf Toilette zu müssen, denn es konnte sehr lange dauern, bis man an der Reihe war. Die Stimmung in den Käfigen war aufgeheizt und aggressiv. Die meisten von uns wurden völlig ohne Grund festgenommen und fühlten sich ungerecht behandelt. Dadurch kam es zuerst nur zu Sprechchören, die von Schlägen an die Gitterstäbe begleitet wurden. Daraus entwickelte sich dann schnell eine wahnsinnige Aggressivität – die Bänke wurden aus den Verankerungen gerissen und die Türen versucht einzutreten. Die Polizei reagierte mit Schlagstöcken und Pfefferspray.
Als sich die Lage wieder beruhigt hatte wurden wir in neue Käfige gebracht, ohne Bänke und Decken, aber mit heilem Türschloss. Dort fand ich dann im Nachbarkäfig Moritz wieder – das war wirklich sehr schön, da hab ich mich gleich nicht mehr so einsam gefühlt. Die Zeit verging sehr langsam. Nach fünf Stunden wurden die ersten raus gelassen. Nach und nach verließen auch die anderen das Gefängnis und plötzlich war ich allein. Das war dann der Moment wo ich dem Heulen nah war, weil ich nicht wusste was jetzt mit mir passieren würde.
Wurdest du angezeigt?
Nein, zum Glück nicht! Nach acht Stunden wurde ich zu dem Pfefferspray befragt. In meinem Käfig musste ich auf die Entscheidung eines Juristen warten, ob ich ausgewiesen werden würde. Diese Zeit war wirklich furchtbar. Es war kalt und ich hab mich sehr einsam und unsicher gefühlt. Nur mein Stolz und meine Wut haben mich wohl vom Weinen abgehalten. Nach zehn Stunden bekam ich Bescheid, dass ich bleiben dürfe und das Gefängnis jetzt verlassen könne. Ich habe eine Verwarnung bekommen, was aber nicht weiter schlimm ist. Ich muss nur in Zukunft wohl ein bisschen mehr aufpassen!
Würdest du es wieder in Kauf nehmen?
Ich bin nicht scharf darauf, noch mal ins Gefängnis zu müssen – aber ich werde mich durch die Gefahr, festgenommen zu werden, niemals davon abhalten lassen, für das zu kämpfen woran ich glaube. Es kann einem immer passieren, dass die Polizei einen aufgreift, auch auf dem Weg von der Party nach Hause. Und es kann auch immer blöd ausgehen. Aber wenn ich weiß, dass es sich für mein Ziel lohnt, würde ich lieber wieder für zehn Stunden in den Käfig gehen, als auf die Chance dabei zu sein zu verzichten! Das Gefängnis war auch eine Erfahrung für mich, die ich vielleicht einfach mal machen musste. Und sollte es wieder dazu kommen, weiß ich ja jetzt was mich erwartet!
Interview: Lisa Hoffmann
Dieser Artikel entstand in Zusammenarbeit mit www.youpodia.de