Ich verstehe nicht viel, als ich beim Jugendtreff in Berlin- Neukölln ankomme, den der interkulturelle Jugendverband „Amaro Foro“ jeden Montag veranstaltet: Viele verschiedene Sprachen, darunter Rumänisch und Spanisch, werden durcheinander gesprochen. Gruppenleiter Marius beginnt das Treffen. Diesmal wird eine Gedenkfahrt nach Auschwitz organisiert, an der sich „Amaro Foro“ beteiligt. Während wir zur Vorbereitung einen Dokumentarfilm über das Konzentrationslager anschauen, sind alle ganz still. Nicht jede Veranstaltung des Vereins hat einen so ernsten Hintergrund. Es geht auch mal zum Badesee. Im Mittelpunkt stehen jedoch stets der Austausch untereinander und gegenseitiger Respekt.
An diesem Tag sind auch Alex, 16, und Kay, 17, dabei. Kay ist Spanier, hat blondes Haar und trägt ein Basecap. Alex spricht neben Deutsch auch Rumänisch und Spanisch. In beiden Ländern hat er gelebt, bevor er nach Deutschland gekommen ist. Auch Romanes, die Sprache der Sinti und Roma, kann er, denn wie rund 120.000 andere Menschen in Deutschland gehört er dieser ethnischen Gruppe an. Seit über 600 Jahren gibt es die Minderheit in Deutschland. Ihre Wurzeln hat sie in ganz Europa.
Junge Minderheit
auf mitmischen.de
Mehr zu Sinti und Roma findet ihr hier.
Zuletzt antwortete die Regierung auf die Anfrage der Linken zu ihrer Haltung im Umgang mit Bürgern aus Rumänien und Ungarn. 2011 wurde der Antrag der CDU/CSU- und FDP-Fraktionen „Situation der Sinti und Roma in Europa verbessern“ verabschiedet. Die Grünen hatten damals die Gleichstellung von Sinti und Roma in Deutschland beantragt und die SPD hatte eine Verbesserung der Integration gefordert.
Bei der Feedback-Runde nach dem Film fehlen vereinzelt deutsche Wörter oder jemand fragt: „Und auf Rumänisch?“ Dann übersetzt Marius oder einer der Jugendlichen. Als aber Gruppenleiter Merdjan zu der Gedenkfahrt überleitet und den Treffpunkt für die Reise ansagt, verstehen alle, was das heißt: früh aufstehen. Dennoch schätzen Alex und Kay die Aktionen von „Amaro Foro“. Mit Blick auf seinen besten Kumpel Alex sagt Kay: „Mir macht’s nichts aus, dass er Rumäne ist. Hauptsache nett!“ Der Austausch, der hier stattfindet, scheint auch dringend nötig zu sein: Alex und Kay, beide auf der Suche nach Arbeit, sehen sich mit Vorurteilen konfrontiert. „Das ist Alltag, wir sind eben Ausländer, da gibt's Probleme und das wird sich so bald nicht ändern“, meint Kay.
Marius und Merdjan sind trotzdem optimistisch. Die Jugend-Projekte sind ein Erfolg. Sie bringen Roma und Nicht-Roma einander näher und helfen, Vorurteile abzubauen. Vereine wie „Amaro Foro“ in Berlin und sein Bundesverband „Amaro Drom“, die den Jugendlichen Partizipation ermöglichen wollen, bräuchten mehr unabhängige Förderung. Auch mangele es an politischen Eliten, die den eingewanderten Roma tolerant gegenüberstehen, finden die Gruppenleiter. Das könne den Jugendlichen und ihren Eltern die Ankunft in Deutschland erleichtern. Denn irgendwann, hofft Marius, werden Jugendliche wie Alex merken: „Ihre Heimat – das ist dann Berlin-Neukölln“.
Text: Ruth Appel
Fotos: Mia Ewald