Tandem-Sprachkurs, Urlaub und Abenteuer in einem: Das ist WWOOFing. Gegen Arbeit auf dem Bio-Hof oder im Selbstversorger-Projekt, kann man sich auf der ganzen Welt Essen und ein Dach überm Kopf verdienen. SPIESSER-Autorin Merle hat's für euch in Argentinien und Frankreich ausprobiert.
Wir stampfen in einer Grube durch Pferdemist, Erde und Wasser. Bis zu den Knien stehen wir im Dreck. Es ist zehn Uhr morgens, die argentinische Sonne brennt schon vom Himmel. In einer Stunde wird es so heiß sein, dass wir Pause machen müssen.
Übernachten in selbstgebauten Hütten –
Abenteuer pur!
Wir „WWOOFen“ bei Matias, Mariana und Juan Pablo, drei Argentinier, die auf zwei Hektar Land ihren Traum leben: Schafe, selbstgebaute Hütten, freilaufende Hühner und ein riesiger Gemüsegarten für den Eigenbedarf. WWOOF steht für „World Wide Opportunities on Organic Farms“, eine Organisation, die seit 1971 Menschen zusammen bringt und biologische Anbauweisen und alternative Lebensformen in der ganzen Welt fördern möchte.
Auf der WWOOF-Internetplattform bekommt man über eine einmalige Gebühr Kontakte zu Bio-Höfen und Selbstversorger-Projekten, die helfende Hände suchen und Lust auf interkulturellen Austausch haben. Der Deal ist: Tagsüber auf dem Hof helfen, dafür zahlt man weder Unterkunft noch Verpflegung. Und ein paar Lektionen in der Landessprache gibt es gratis.
WWOOFing auf argentinisch
Mein Freund und ich machen eigentlich eine Rucksackreise durch Argentinien. Weil man in den Hostels meistens nur Franzosen oder US-Amerikaner trifft, haben wir beschlossen, einfach zu den Einheimischen nach Hause zu gehen – und genau das ist die Idee von WWOOFing.
Geruchsintensive Arbeiten gehören zu Merles
argentinischem Arbeitsalltag.
In Cañuelas, in der Provinz von Buenos Aires, erwartet uns ein geregelter Arbeitstag: Morgens ab sieben Uhr graben wir Beete um, jähten Unkraut oder bereiten Hochbeete vor. Ab 11 Uhr, wenn die Sonne so hoch steht, dass die hohen Bäume keine Schatten mehr auf den Gemüsegarten werfen, wird die Arbeit mühsamer. Es ist Januar, Hochsommer in Argentinien. Wenn es unerträglich wird, machen wir Mittagspause. Ab halb fünf arbeiten wir bis in die Abendstunden an den Lehmhütten. Aus dem Gemisch von Pferdemist, Wasser und Erde, das wir am Vortag stampfend vermischt haben, bereiten wir Arbeitsmaterial. Wir spachteln das Pferdemist-Stroh-Erde-Gemisch an die Wände, eine von vielen Schichten eines kleinen Hauses, das nur aus Naturmaterialien entsteht.
Das hektische Buenos Aires, das voller Menschen und Wolkenkratzern und Beton ist, haben wir wenige Tage vorher besichtigt – und genießen jetzt umso mehr die Ruhe auf dem Land. Mit unseren Gastgebern essen wir dreimal am Tag gemeinsam – die beste Zeit, um viele neue Vokabeln und Eigenheiten von Argentinien kennenzulernen.
Das französische Paradies
Durch idyllische Landschaften und einen strahlend
blauen Himmel fühlen sich WWOOFer wie im Urlaub...
Überhaupt kennengelernt hatten wir WWOOF in Frankreich: Mein Freund wollte nach dem Studium „endlich einmal wieder mit den Händen arbeiten“. Uns erwarteten Dorf-Idylle in den französischen Alpen, ein Kletterparadies und … viel Pampa. Wir hatten ein eigenes Zimmer mit Blick über ein malerisches Tal und wurden sofort Teil der Land-WG – ein ganz besonderer Urlaub. Unter der Woche kümmerten wir uns um die Beete, pflanzten neue Setzlinge ein und begleiteten François auf den kleinen Bio-Markt im Dorf – am Wochenende hatten wir frei und genossen es vor allem, endlich einmal ganz weit weg vom Alltag zu sein. Mein Freund begleitete die WG-Crew sogar auf Klettertouren in die Alpen und wenn er heute über die Zeit in Frankreich spricht, sagt er nur „das Paradies“.
Wer ein Abenteuer wie im Kinofilm sucht, ist beim WWOOFen sicherlich nicht richtig. Vielmehr kann es ein bisschen Alltag auf einer reizüberflutenden Reise sein und einem das allabendliche Gefühl geben, etwas geschafft zu haben. Aber auch, dass unsere Hände jeden Abend, egal wie viel Seife wir benutzen, immer noch nach Pferdemist oder Bio-Dünger riechen oder dass wir auf ein Kompostklo gehen – das alles gehört dazu und macht den Aufenthalt zum kleinen Ausprobier-Abenteuer.
Mein Freund und seine WG haben mittlerweile selbst ein Gemüsebeet im Garten. Vielleicht können wir eines Tages, wenn wir mal unser eigenes Grundstück haben, auch WWOOFer aus der ganzen Welt einladen, und uns ein bisschen Reisegefühl nach Hause holen.
Selbst Bock auf WWOOFing?
Es gibt unter www.wwoof.net allgemeine Infos, sowie für jedes Land eine eigene Website mit den Beschreibungen der Projekte. Die Liste mit den Hof-Adressen eines Landes kostet ca. 20-30 Euro.
Die WWOOF-Verabredungen finden per Mail statt, dabei ist eine rechtzeitige Organisation von Vorteil. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Der Zeitraum kann von Tagen bis Monaten variieren. Eine Arbeitserlaubnis ist für einen WWOOF-Aufenthalt nicht notwendig, es gelten die gleichen Bedingungen wie für Touristen. Wichtig: Es lohnt sich, die Projektbeschreibung genau zu lesen. Ab und zu suchen Betriebe auch einfach kostenlose Arbeitskräfte. Darum geht es beim WWOOFen nicht.
Text und Fotos: Merle Hömberg
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