„Irgendwas mit Medien und das mal ganz woanders“, versprach ich mir von meinem Praktikum in Ghana. „Das wird ein ganz schöner Kulturschock“, entgegneten Freunde und Familie. Wie es live in Ghana wirklich war, erzählt SPIESSER-Autorin Sarah.
Als ich vor fast einem Jahr nach der zehnstündigen Reise den Flughafen in Accra, Ghanas Hauptstadt, verließ, war es dann auch mein erster Gedanke: Die Menge an Menschen, an bunten Kleidern und Mustern, leuchtenden Werbetafeln, an Hilfsangeboten und neuen Gerüchen – was für ein Kulturschock! Schwitzend versuchte ich bei schwülen 30 Grad alle Eindrücke aufzusagen und gleichzeitig noch, den Fahrer der Reiseorganisation, nicht zu verpassen. So ging es also los – vier Wochen als Praktikantin bei einem der größten Fernsehsender des westafrikanischen Landes.
Ghanas Motto „Freedom and Justice“
Make a little BIG change
Den Plan hierzu fasste ich während des grauen Studienalltags in Deutschland. Schon lange faszinierte mich der Gedanke, eine vollkommen andere Kultur kennenzulernen. Ich wollte mir ein eigenes Bild machen, über Beiträge in Nachrichten und Geschichtsbüchern hinaus. Schnell stand fest: Ein Auslandspraktikum in den Medien soll es werden. Gesagt, fast getan: Vom Tatendrang getrieben, stoppten mich nur meine eher überschaubaren Afrika- und Journalismus-Kenntnisse. So stieß ich auf „Rainbow Garden Village“, eine deutsche Organisation, die Freiwilligen-Projekte und Auslandspraktika im Gesamtpaket vermittelt und das Motto „Make a little BIG change“ trägt. Ein paar Telefonate und eine – zugegeben nicht ganz kleine – Gebühr später, standen Unterkunft und die Praktikumsstelle bei der ghanaischen Sendergruppe „MultiTV“ fest. Die Leistung der Organisation fängt an, wo die der Reiseführer aufhört: Impfungen, Packliste inklusive Tipp für das beste Moskito-Spray und sogar das Flugticket. Bewaffnet mit diesem Africa-Starters-Pack und einer guten Portion Aufregung stieg ich ins Flugzeug.
In der Redaktion von „MultiTV“
„3-2-1-You are on air!“
Der Blick auf die riesige Satellitenschüssel und die vielen Akwaaba-Willkommens-Grüße der neuen Kollegen ließ die Aufregung schnell einer Begeisterung für meinen neuen Arbeitsalltag weichen. Neben drei Fernsehsendern auf der Landessprache Twi und Englisch produziert „MultiTV“ auch noch zwei Radiosender, wodurch es immer viel zu sehen und hören gab. Mithelfen durfte ich in der Redaktion der täglichen Musik-Show „HotPicks“ für den Unterhaltungssender „JoyPrime“. So hieß es nun Büffeln der ghanaischen Musikwelt, denn es kam nicht selten vor, dass ein Künstler als Gast der Live-Show vorbeischaute.
Balanceakt für Fortgeschrittene
Dass alles ein wenig chaotischer war, kam dann zum Vorschein, wenn es wenige Minuten vor der Live-Übertragung von Producer und Moderator noch keine Spur gab oder der Strom mal wieder ausfiel. Ich konnte mich daher das ein oder andere Mal in Geduld üben. Belohnt wurde diese bei Location-Besichtigungen quer durch Accra oder einem Interview mit einem Rap-Newcomer. Ins Schwitzen kam ich spätestens in der Regie von „HotPicks“, wenn es wieder hieß: „3-2-1- You are on air!“ Dann galt es für mich, die ghanaische Musikszene zu kennen und die richtigen Videos einzuspielen.
Mit dem TroTro quer durch's Land
Die Wochenenden waren zum Reisen da. So wanderte ich gemeinsam mit den anderen Praktikanten der Organisation zu den Wli-Waterfalls, dem wohl abgelegensten Ort, an dem ich jemals war. Mein Herz liegt jedoch noch am Strand von Cape-Coast – fernab vom Tourismus, ein Traumstrand, wie er sonst nur bei Instagram zu finden ist. Durch das Land brachten uns Tro-Tros: Das sind alte, umgebaute Kleinbusse, die als öffentliche Verkehrsmittel fungieren und deren Fahrt oft abenteuerlicher war, als es mir lieb gewesen wäre.
All dies macht einen Besuch des westafrikanischen Landes echt lohnenswert. Das konstante Hupen der Autos und die Frauen, die Früchte und Getränke aus riesigen Körben auf ihren Köpfen verkaufen. Die saftig-grüne Landschaft einerseits und die verrückte Barszene andererseits. Aber vor allem ist es die Herzlichkeit und Offenheit, die mich zu meiner nächsten Reise nach Ghana bewegt. Ich freue mich schon auf den nächsten Kulturschock.
Rainbow Garden VillageAlter: Ab 18 Jahren Anforderungen: Toleranz, Interesse am Journalismus – keine Vorkenntnisse notwendig Sprache: Sehr gute Englischkenntnisse Dauer: Ab 4 Wochen bis 12 Monate Unterkunft: Student-House mit anderen Praktikanten oder Gastfamilie Kosten für vier Wochen: 1.690 € www.rainbowgardenvillage.com
Trip to nowhere - Der kleine Ort Hohoe bei den Wli-Wasserfällen
Text und Fotos: Sarah Platz
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