Unterwegs auf dem Forschungsschiff Aldebaran: Als Schüler auf einem Forschungsschiff mitfahren? Klingt unmöglich? Nein, das ist es definitiv nicht. Im April reichte ich zusammen mit zwei Freundinnen eine Projektskizze beim Meereswettbewerb der Deutschen Meeresstiftung ein. Unsere Idee: Die Widerstandsfähigkeit von Bakterien in der Nordsee im Hinblick auf den Klimawandel untersuchen.
03. September 2018 - 08:59 SPIESSER-AutorIn Sandrippel.
Die Route: Von Hamburg nach Bremen. Bild: Clara Deifel
Wissenschaft mit allem, was dazu gehört
Anfang Juni kam die Zusage: Wir dürfen eine Woche auf der Aldebaran, einem kleinen Forschungsschiff, mit Unterstützung einer Wissenschaftspatin zu unserem Thema forschen. Die Freude war riesig, trotzdem konnte ich mir nicht so richtig vorstellen, was es heißt, eine Woche auf einem 13,5 Meter langen und 4,5 Meter breiten Schiff zu wohnen.
Hamburg war der Beginn unserer Reise und erster Probeentnahmeort. Wir nahmen jeweils eine Wasserprobe an der Oberfläche und eine in zehn Metern Tiefe und bestimmten wichtige Umgebungseigenschaften wie Temperatur, Sichttiefe und Salzgehalt. An unserem Labortisch verdünnten wir unsere Wasserproben und strichen sie auf Nährmedien mit verschiedenem Salzgehalt aus. Die Platten mit Nährmedium und Probe lagerten wir bei verschiedenen Temperaturen und zählten am selben Abend, nach einem und nach zwei Tagen, wie viele Bakterienkolonien gewachsen waren. Dabei stand der Labortisch auf unserem Forschungsschiff direkt neben der Küchennische und einer der Lagerplätze war das kühlste Fach des Schiffes, das eigentlich für Kartoffeln und Zwiebeln vorgesehen ist.
Leben und Lernen an Board
Clara (links) und ihre Mitforscherinnen bei der Proben- entnahme. Foto: Meereswettbewerb der Deutschen
Meeresstiftung
Auch sonst ist auf so einem Forschungsschiff alles sehr kompakt. Es gibt vier Schlafkajüten mit je einem oder zwei Betten, von denen jede aber auch noch eine andere Funktion hat, um den Platz optimal zu nutzen. So sind in jeder Wand und unter jedem Bett Fächer für wissenschaftliche Materialien, Rettungswesten, aber auch Gebrauchsmaterialien wie Kabelbinder. Die kleine Schiffstoilette darf, um Wasser zu sparen, nur in dringenden Fällen auf der Fahrt benutzt werden. Der größte Raum dient gleichzeitig als Küche, Labor und Aufenthaltsraum. Da es die gesamte Woche sehr warm war, aßen wir eigentlich immer draußen und entspannten auch sonst in freien Minuten gerne auf dem Deck.
Von Hamburg aus fuhren wir in der ersten Etappe nach Glücksstadt. Die erste Lektion: Beim Fahren alle Luken zu! Bei sperrangelweiter Luke verirrte sich nämlich das Wasser einer Welle auf unsere Matratzen, die daraufhin zusammen mit Schlafsäcken, Kissen und Kleidung auf dem Deck trocknen mussten. Da wir bei der Probenentnahme noch nicht so routiniert waren und uns zudem ein Kamerateam vom NDR bei allem über die Schulter schaute, war diese Etappe relativ stressig. Auf der anderen Seite war es eine interessante Erfahrung bei allem von der Kamera begleitet zu werden und eine wichtige Komponente, um Wissenschaft nach Außen zu tragen.
Ein kleines Boot unter einem Himmel voller Sterne
Konzentrierte Verarbeitung der Proben im Schiffslabor
Foto: Meereswettbewerb der Deutschen Meeresstiftung
Auf Grund der Gezeiten fuhren wir oft um fünf Uhr morgens los und mussten am Vormittag eine Pause machen, da das Wasser bei Ebbe zu flach zum Fahren ist. Während des Frühstücks beobachteten wir, wie das Wasser permanent steigt, Sandbänke auftauchten und wieder verschwanden, Wellen brachen und sich das Wasser wieder glättete.
Neuwerk, eine kleine Insel mitten im Watt mit einer Hand voll Anlegeplätzen, war unser nächster Schlafplatz. So etwas Luxuriöses wie eine Dusche gibt es am „Hafen“ von Neuwerk nicht. Ein mitternächtliches Bad in der Nordsee oder das Abspritzen mit dem schiffseigenen Schlauch tat es aber auch. Die Ruhe, die allein von Windrauschen und Möwen kreischen durchbrochen wurde, glich den fehlenden Luxus allerdings sofort wieder aus und machte Neuwerk somit zum schönsten Ort der Tour, um sich an Deck in den Schlafsack zu kuscheln und in die Sterne zu gucken.
Am nächsten Morgen war dann alles Wasser weg und wir lagen auf dem Trockenen. Wasser und Wind kamen aber schnell und auf dem Weg nach Bremerhaven waren die Wellen dann so hoch, dass wir während der Fahrt unsere genommenen Proben nicht weiter verarbeiten konnten. Das Auszählen der Platten verschob sich so auf späte Stunden zwischen 22:00 und 23:30 Uhr. Aber auch das gehört zur Mikrobiologie dazu. Nach der Letzen Etappe Richtung Bremen und einer abschließenden Pressekonferenz mussten wir dann auch schon den Heimweg antreten.
Bis zum Horizont – und weiter
Die Zeit auf dem Wasser war in mehreren Hinsichten eine spannende Reise: Eine Reise in die Mikrobiologie, weil wir viel über Bakterien, aber auch über mikrobiologische Methoden und wissenschaftliches Denken gelernt haben. Eine Reise in die Natur, weil wir Tag und Nacht auf, mit und im Wasser gelebt haben (und zwischendrin auch das Handynetz nicht funktionierte). Eine Reise aus der eigenen Komfortzone heraus, weil manche Nächte sehr heiß, manche Matratzen zwischenzeitlich nass und manche Duschen etwas gewöhnungsbedürftig waren. Eine Reise in die Freiheit, weil man im Prinzip fahren kann, wohin man will und wohin Wind und Gezeiten es gerade zulassen. Eine Reise hinter den Horizont, weil mir das Meer und meine Mitreisenden, vor denen man sich auf einem engen Schiff auch nicht drücken kann, so manche neuen Perspektiven eröffnet haben. Und vor allem eine Reise in die Unendlichkeit, weil diese Erfahrungen zwischen Himmel und Meer mich weitertragen und weil wir so viele Daten gesammelt haben, die darauf warten ausgewertet zu werden.
Zwischen Himmel und Meer. Foto: Clara Deifel
Text: Clara Deifel
Teaserbild: Meereswettbewerb der Deutschen Meeresstiftung
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