Chatroulette - wer kennt es nicht oder hat zumindest nicht schon einmal von Freunden von DEM neuen Internettrend gehört? Der 17-jährige Russe Andrei Ternowski hat mit dieser Webseite im November letzten Jahres eine ganz neue Dimension des Internets erschaffen. Der Partyknüller oder doch nur der Friedhof menschlicher Kommunikation?
28. October 2010 - 15:50 von SPIESSER-Autorin Sommerwiese.
Auf chatroulette.com werden zwei wildfremde Nutzer im Videochat miteinander verbunden und können via Webcam, Tastatur und Mikrophon miteinander kommunizieren. Jeder Zeit kann man mit einem Mausklick die Unterhaltung mit dem Gegenüber beenden und wird mit einer neuen, zufällig ausgewählten Person verbunden. Die Möglichkeit, zum vorherigen Chatpartner zurückzukehren, gibt es nicht und damit entfällt jeder Zwang zur Rechtfertigung für das eigene Handeln. Millionen von Menschen weltweit probierten diesen doch etwas anderen Chat schon aus. Allein 5% der Nutzer stammten aus Deutschland. Die eifrigsten Chatter sind die Amerikaner mit 33%. Regeln gibt es keine, nicht einmal eine Registrierung ist nötig. Insider behaupteten zwar, dass bei der erneuerten Version ein Filter gegen von Jugendschutz.net oft bemängelte „jugendgefährdende Inhalte wie Pornografie und Rechtsextremismus“ eingebaut worden sei, jedoch merkt man von diesem relativ wenig. Letztendlich muss man lediglich auf der bewusst schmucklosen und einfach gehaltenen Webseite seine Kamera freigeben und schon geht es los.
Was daraufhin folgt, ist schwer zu beschreiben, wenn man nicht doch irgendwann den Selbstversuch wagt. Eine gute Portion Neugier und Fragelust brachten mich dazu, das Ganze auszuprobieren. Heraus kam ein langer, unterhalsamer, jedoch auch zutiefst schockierender Abend vor dem Computer. Chatroulette ist eine Mischung aus Sozialhölle gelegentlich aber auch lustigem Miteinander und folgt zumeist einer grausamen Aufmerksamkeitslogik. Jeder schätzt innerhalb weniger Sekunden ab, ob es sich lohnt, mit der Person am anderen Ende ein Gespräch zu führen. Perücken oder Masken, ein Musikinstrument, möglichst gutes Aussehen, eine kreative Idee oder ein cooler Spruch, geschrieben auf einem vor die Kamera gehaltenen Zettel, sind die wohl geeignetsten Mittel, um als interessanter Gesprächspartner in Frage zu kommen. Andernfalls wird man abgewürgt und findet meistens nicht einmal mehr die Zeit ein „Hello“ in das Textfeld zu tippen. Die Kommunikation besteht aus wenigen in schlechtem Englisch abgefassten Sätzen und Beleidigungen oder aber im glücklicherem Fall aus witzigen Erlebnissen und ausgefallenen Gesprächsthemen.
Mit einem rotblondem Mädchen aus Dänemark unterhalte ich mich eine Weile über die leckere Milkaschokolade, die sie nebenbei verzehrt. Ein kleiner Junge hört mit voller Lautstärke „Glow“ von Madcon und wackelt mit dem Kopf im Takt. Eine Gruppe französischer Jugendlicher singt laut grölend ihre Nationalhymne und wirft mir Beleidigungen über Deutsche um die Ohren. Ein Amerikaner spielt mir auf seiner Gitarre vor. Ich klicke unzählbare männliche Geschlechtsorgane weg. Ab und zu Werbung. Ich leiste gelangweilten Leuten beim Pizzaessen Gesellschaft. Ein anderes Mal sitzt mir eine süße Katze gegenüber. Ich treffe ein einziges Mal eine Deutsche aus Schleswig Holstein, mit der ich mich ein wenig über unsere Erlebnisse im Chatroulette austausche. „Naja, es ist schon irgendwie spannend. Keiner kennt dich hier. Du kannst seien, was du willst. Ich meine, du kannst dich ja vollkommen neu erfinden…“, schwärmt sie. Unzählige Gesichter und geschmacklos eingerichtete Wohnzimmer rauschen an mir vorbei. Man brauch schon lange, um jemanden zu finden, mit dem man länger als eine Minute spricht oder schreibt. Ich werde müde und fühle mich beobachtet. Ich bin es leid, wie eine Kugel im Roulette immer wieder von Neuem auf irgendeine fremde Person gehetzt zu werden. Schließlich würde man in der Realität ja auch nicht wahllos mit Leuten auf der Straße über nichts und wieder nichts reden?!?
Aber Chatroulette zieht angeblich trotzdem bis zu 500.000 Besucher pro Tag in seinen Bann. Davon sind der Großteil Männer, die diesen Videochat mit einem Online Speeddating Portal verwechseln, ein geringer Prozentsatz Frauen, viele Jugendliche und vereinzelt auch ältere, einsame Rentner. Sicherlich ist Chatroulette ein lohnenswertes Experiment, das gewiss auch seinen Reiz hat. Regelrechte Berühmtheiten hat es sogar schon hervorgebracht: Ein Mensch im Ganzkörperkatzenkostüm, ein Klavierspieler, der passend zu den Menschen, die er sieht, spontan auf seinem Instrument improvisiert und ein paar Verse dichtet oder ein Künstler, der die Gesprächspartner in rasender Geschwindigkeit nachmalt… Allzu oft wird Chatroulette jedoch missbraucht und der Mensch wird regelrech zum anonymen Ausstellungsobjekt. Wahrscheinlich ist aber der ungewisse Fallschirmsprung in das Leben eines fremden Menschen eben erst durch diese absolute Anonymität möglich. Ohne diese würde Chatroulette sicher sehr schnell seine Faszination einbüßen.
Franziska Stärk
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woraus ein Musikvideo zu meinem Song LIMITS entstanden ist:
https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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hätte nicht gedacht, dass man darüber so viel schreiben kann ;)
Ich habe mich auch einmal reingewagt-mit Freunden zusammen. Wir stießen ebenfalls auf einen Amerikaner, der uns "Hey Jude" von den Beatles vorsang und auf seiner Gitarre herumzupfte. Es machte uns viel Spaß und wir sangen letzendlich mit :D Das war glaube ich die einzige Person, die wir nicht wegklicken mussten,da er keine perversen "Anmachsprüche" machte.
Sehr guter Artikel, beschreibt genau was da abgeht :D