Ausreiserin Anna erforscht das indonesische Leben.
„Ladies and Gentlemen, Selamat malam and welcome to an extraordinary evening!“ Verheißungsvoll tönt die Ankündigung durch dicht gefüllte Zuschauerreihen, Kameras werden gezückt, das Licht geht aus – It’s Waria-Showtime, Baby.
Es ist einer der zahlreichen heißen Sommerabende in Yogyakarta, zusammen mit ein paar Freunden bin ich dem Tipp unseres Reiseführers in eine der berühmten Waria-Shows gefolgt, eine Show indonesischer Transexueller. So wirklich weiß ich noch nicht, was mich hier erwartet. Nur eines scheint sicher: Bunt wird es werden.
Bühnenreif
Waria-Showtime!
Die Bühne sieht bereits „extravagant“ aus: eine abenteuerliche Konstruktion aus Holzbrettern, Metallelementen und vielen Scheinwerfern. Angesicht einiger schwankender Holzlatten bezweifele ich allerdings, dass sie jemals dem prüfenden Blick eines Fachmannes standhalten musste – und könnte. Doch meine Zeit hier in Indonesien hat mich bereits gelehrt, dass man Einiges am besten mit einem gelassenen Schulterzucken zur Kenntnis nehmen sollte. Gezuckt, getan.
Den Auftakt der Show bilden einige Tänzerinnen, die zu feierlicher Musik einen traditionell javanesischen Tanz aufführen. Trotz ihrer faszinierenden Leichtigkeit und Eleganz, warte ich unruhig auf die eigentlichen Protagonisten dieses Spektakels: die Warias.
Der Begriff „Waria“ bezeichnet im Indonesischen Transsexuelle sowie homosexuelle Transvestiten. Ihr Auftreten ist meist bunt, schrill und normbrechend – eine Lebenswelt, die sich stark von der islamisch geprägten Realität des Landes absetzt. Umso erstaunlicher finde ich es, dass die Waria-Gemeinschaft toleriert und ihr Auftreten meist noch gefeiert wird. Davon bekomme ich jetzt selbst eine Kostprobe.
Mitten ins „Cinta“, mitten ins Herz
Das Outfit ist echt, der Gesang nicht.
Mit dem Auftritt der ersten Künstlerin wird klar: Die Bühne gehört heute Abend den bunt kostümierten Transvestiten – und das Publikum ist begeistert. Einige Zuschauer kommen mit dem Fotografieren scheinbar nicht mehr hinterher. Das Programm setzt sich aus einer vielfältigen Mischung internationaler und indonesischer Pop-/Rock-Songs zusammen. Während also in einem Moment eine Waria mit verblüffender Ähnlichkeit zu Rihanna „Umbrella“ schmettert, folgt gleich darauf ein romantisches Duett auf Indonesisch. Dabei merke ich trotz meiner geringen Sprachkenntnisse sehr schnell, worum sich diese Lieder hauptsächlich zu drehen scheinen – „Cinta“, das Herz.
Oft habe ich den Eindruck, als wollten sich die Darstellerinnen bei ihrem Auftritt gegenseitig an Leidenschaft und Kreativität überbieten. Einige Darbietungen sind so perfekt inszeniert, dass man überhaupt nicht mehr daran denkt, dass alle Lieder mit Playback gesungen werden. Ich lasse mich treiben im Rausch aus Farben, Licht und Musik. Doch die Euphorie erfasst nicht nur die westlichen Zuschauer, sondern gerade die Indonesier können kaum noch still halten. Vergessen sind die strengen Gebote des Islam. Was jetzt zählt, sind die Warias und ihre Welt.
Nicht alles glitzert
Doch nicht alles im Leben der Warias ist so heil wie ihre Bühnenwelt. Wer es von ihnen nicht auf die Bühne schafft, muss sich auf der Straße durchschlagen und versuchen das Publikum dort zu begeistern: So stehen häufig mehrere Gruppen Warias tagsüber an den Ampeln und nutzen die Gelegenheit langer Rotphasen , von den zahlreichen Auto- und Motorradfahrern eine kleine Spende zu bekommen Wer also von heiteren Aufführungen den Eindruck gewinnt, das Leben der Warias bestehe nur aus Glanz und Gloria, der irrt. Wie so oft im Leben unterscheiden sich auch bei dem „dritten Geschlecht“ Indonesiens Schein und Sein.
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Nach fast zwei Stunden ist der Show-Zauber vorbei und mit einem letzten energiegeladenen Auftritt verabschieden sich alle Darstellerinnen vom Publikum. Während die letzten Scheinwerfer erlischen, steht eines fest: Die Warias haben auch heute Abend zahlreiche Menschen in eine faszinierende Welt entführt. Und wenn ich mir die Gesichter um mich herum anschaue, dann werden die Menschen den abschließenden Worten des Ensembles ungefragt zustimmen – „Sampai jumpa!“, „Bis bald!“
Text: Anna Leiber, Fotos: privat
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