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Vom Knast ins Kino

Ein paar Kameras drinnen, große Scheinwerfer draußen, eine dreckige Schuleingangshalle und ein Snackautomat. Um die kargen Requisiten für „Szene 46“ wuseln fast 80 Menschen herum – Mitarbeiter der Produktionsfirma Rat Pack Filmproduktion, Schauspieler, Komparsen und Presse. Sie sorgen dafür, dass am 7. November 2013 die Schulkomödie „Fack ju Göhte“ startet. SPIESSER-Reporterin Friederike Krüger ist mittendrin.

06. August 2013 - 18:23
SPIESSER-Autorin FriederikeMarie.
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FriederikeMarie Offline
Beigetreten: 19.05.2011

Freitagmorgen an einem Gymnasium in München. Kein Wochenende in Sicht. „Immerhin bin ich heute erst um acht Uhr abgeholt worden“, grinst Schauspieler Max von der Groeben, der noch auf seinen Einsatz wartet. In Bora Dagtekins Film spielt er neben Jella Haase und weiteren Jungschauspielern einen ätzenden Schüler der 10b.

Der Türkisch für Anfänger-Star Elyas M'Barek schlüpft am Set in die Rolle des Aushilfslehrers, Herrn Müller. Der kommt gerade aus dem Gefängnis und lässt sich an der Schule anheuern, um an seine Beute zu kommen, die auf dem Schulgelände vergraben ist. Von Unterricht hat er keine Ahnung, weshalb die Klasse ihm die Hölle heiß macht. Soweit die Story.

Zwischen Schokoriegeln eingesperrt

Der Dreh läuft anders ab. Chronologisch schon gar nicht. Erst mal Szene 46. Ein Siebtklässler wird in einen gläsernen Süßigkeitenautomaten gesperrt. Er blockiert unfreiwillig Taste E9 – Aushilfslehrer Müller nervt das. Der Junge, gespielt von Jonas Holdenrieder („Das kleine Gespenst“) muss sich anschreien und Fensterscheibenschläge des Lehrers über sich ergehen lassen. Bis Jonas selbst nach E9 greift.

Nach der elften Aufnahme ist Pause. In jeder Sequenz wurden winzige Details geändert. Zwischendurch wird der Automat aufgeschraubt und der 13-jährige Schauspieler kann kurz raus. „Eigentlich habe ich da genug Platz drin, tut also nicht weh, wenn Elyas gegen die Scheibe haut“, grinst Jonas.


Jonas Holdenrieder wurde mit Leselektüre
in den Süßigkeitenautomaten gesperrt.

„Alles auf Anfang“, ruft nun der erste Regieassistent ins gelbe Mikro, „Sch, schhhhh, schh – Achtung, Ruhe, wir drehen!“ Die Komparsen, 20 Schüler des Lise-Meitner-Gymnasiums, nehmen wieder ihre Positionen ein. Parole: Ganz normales Pausengeschehen. In Wahrheit ist das aber eine strenge Choreografie.

Später im Film ist das zwar nur Hintergrund. Aber jedes Detail ist wichtig. Zum Beispiel Haare. Mitarbeiter aus der Maske rücken in den Drehpausen anhand von Fotos, die sie morgens geschossen haben, jede Strähne gerade.

 

 

Regisseur Bora Dagtekin: Eigentlich gut dabei

Nächste Runde: „46 A1, die Zwölfte“. Die Klappe knallt. Lange nicht so laut, wie man es sich vorstellt. Ist ein Fehler im Spiel, ruf einer rein. Dann gehts einfach weiter. Dafür müssen sich alle Schauspieler merken, auf welcher Seite sie gerade Kaugummi kauten, was sie zuletzt sagten und wie sie standen. Überflüssiges fliegt am Ende beim Filmschnitt heraus.

Regisseur Bora Dagtekin verfolgt die Aufnahme konzentriert auf einem kleinen Bildschirm und gibt Anweisungen. „Eigentlich sind wir gerade verdammt gut dabei. Morgen ist Halbzeit und mit dem Dreh kommen wir gut voran.“


v.l.: Aram Arami als Burak, Jella Haase als Chantal
und Gizem Emre als Zeynep haben nicht ganz so
viel Lust auf Herrn Müller (Elyas M’Barek).
Doch das soll sich alles ändern.

Er ist Vermittler zwischen Technik und Schauspielern und trägt große Verantwortung. Innerhalb eines halben Jahres hatte der 34-Jährige das Drehbuch für „Fack ju Göhte“ geschrieben: „Eigentlich sind es viel zu viele Szenen, sicher muss da einiges raus am Ende.“ Dagtekin mag es hinter der Kamera. Davor, das sei nichts, denn „ehrlich gesagt, tun mir die Schauspieler manchmal sogar leid. Aber die haben ja eine Menge Spaß dabei.“

Kinder, Katja Riemann und Elyas M´Barek: Total professionell!

Mit Elyas M‘Barek und Katja Riemann habe er bereits bei Türkisch für Anfänger tolle Erfahrungen gemacht. Mit Kindern und Jugendlichen zu drehen sei für ihn neu. Aber gut: „Die sind super drauf und schon total professionell.“

Kompliziert seien die rechtlichen Auflagen für Darsteller unter 18 Jahren. Jonas dürfe beispielsweise nur fünf Stunden arbeiten. Der Regisseur sieht zu dem Schauspieler hinüber. Jonas spielt gerade mit seinem Kinderbetreuer Karten – der Betreuer ist auch Vorschrift des Jugendarbeitsschutzgesetzes.

Wer 18 ist, kann dann die volle Zeit arbeiten. „Zehn Stunden drehen, elf Stunden Ruhepause“, erzählt Jella Haase, die zuletzt im Tatort „Puppenspieler“ eine Prostituierte spielte. Sie sieht den Dreh, wie die meisten hier, als lustiges Abenteuer. „Manchmal tut’s schon weh, weil wir so viel lachen“, sagt Jella.

Drei Stunden für keine Minute

Jetzt muss die Automaten-Szene doch nochmal aus drei anderen Perspektiven gedreht werden. Dem Blick der „Skript/ Continuity“ entgeht dabei nicht das kleinste Detail. Sie hat das Drehbuch in der Hand. Kontrolliert den Text. Protokolliert den Drehtag. Und notiert immer die exakte Position der Schauspieler im Bild, um später einen nahtlosen Schnitt zu ermöglichen. Nach drei Stunden sind sie fast durch - mit einer Szene, die im Film keine Minute füllt.


Kurz vor Zehn am Set: Bevor überhaupt etwas
aufgenommen wird, finden etliche Vorproben statt.
Diese einminütige Szene hat insgesamt mehr als drei
Stunden gedauert.

Das Gemurmel schwillt an. Essenszeit. In der Kantine stehen schon einige Schlange. Der Hauptdarsteller M'Barek hat das Mittagessen binnen Sekunden heruntergeschlungen. Dann ist er schon wieder weg. M´Barek spielt fast in jeder Szene mit, hat kaum Ruhe und wirkt etwas erschöpft. Vor der Kamera  lässt er sich das nicht anmerken.

 
Doch noch ein Statement ergattert

Jetzt wird die erste Schulstunde in der 10. Klasse gedreht. Elyas M'Barek alias Herr Müller erträgt die Streiche und Launen der Jugendlichen. Das Klassenzimmer sieht furchtbar aus. Die Produktionsfirma hat extra Fenster eingeschlagen und Wände besprüht. Überall Müll.

Besonders die fiesen Schüler spielen gut. Aber das Licht stimmte noch nicht. Nochmal die Szene. Zum siebten Mal brüllt Elyas: „Mein Name ist Müller, ich bin hier nur vorübergehend – Schnauze jetzt, sonst kriegt ihr alle `ne Note Abzug!“ Schluss.

Dann hat der Hauptdarsteller endlich Zeit für ein kurzes Interview: „Sehr, sehr witzig und ziemlich talentiert“, sagt M'Barek über seine jungen Kollegen. Das Interview ist leider schnell vorbei. Der Hauptdarsteller wird beim Dreh gebraucht.  „Alles auf Anfang! Ruhe! Wir drehen!“

Text: Friederike Krüger
Fotos: Said Burg

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