Ein Auslandsjahr in Israel: SPIESSER-Autorin Polina hat sich ihren Traum erfüllt, hat das Land und seine Bewohner lieben gelernt. Auch Terroranschläge gehören zu ihrem Alltag dort.
09. June 2016 - 13:05 SPIESSER-Autorin Individuot.
„Das war so super witzig!“, ruft Hannah lachend, während einer Szene in einem typisch
amerikanischen ChickFlick, den wir uns heute Abend angucken. Shuli – Französin, Hannah –
Amerikanerin, Lara – Kanadierin und ich sitzen auf Laras Sofa mit Weißwein in der Hand und
Wassermelone, Schokolade und Chips auf einem kleinen Wohnzimmertischchen in unserer Mitte.
Ein klassischer Mädelsabend. Wir sprechen über Jungs, über Haare, über unsere Entscheidungen, unsere Erfahrungen, über die Medien, über Kurioses, Unbekanntes, über Politik. Und wir sprechen über die Zukunft – unsere Zukunft. Typische Mädelsgespräche vier jüdischer Mädchen im Zentrum Tel Avivs, von denen zwei nach Israel immigrieren wollen.
Es ist Juni, Anfang Juni und wir haben bereits einige Monate Hitze hinter uns, Sommerbadenächte, Übergänge von Sonnenunter- zu Sonnenaufgang am Strand, unaufhörliches Schwitzen. Die Klimaanlage ist auf 22° runter gedreht und trotzdem ist die Luft voll, süffig und drückend. Und trotzdem lieben wir sie, diese Luft in dieser Stadt. Sie ist um uns, in uns, verbindet uns.
Soeben lernen wir die tollpatschige, jedoch liebenswerte Heldin unseres ChickFlicks kennen, als unsere Handies im Sekundenabstand anfangen „Brrrrrr“ zu machen und aufzublinken. Noch nichts realisierend fliegen unsere Blicke über die handflächengroßen Bildschirme und vertraute Worte flimmern im Unterbewusstsein auf bevor sich ein Verständnis dieser erschreckenden Nachricht bildet. Worte wie „Tel Aviv“, „Terror“, „Tote“ leuchten auf in den Sätzen, die unsere Augen aufnehmen. Im Augenwinkel sehe ich wie Laras schlanker Arm sich zum laptop reckt, um den Film anzuhalten.
Und dann passiert es. Schon wieder. Ein Terroranschlag. Hier. In Tel Aviv. Dieser Stadt, die nur
Strände, Musik, Cafés, Restaurants und Sonnenbrände zu beherbergen scheint. Wir lieben diese Stadt. Das ist es, was uns verbindet. Und dass wir jüdisch sind. Dass wir Freunde, Verwandte, Bekannte oder auch bloß eine undefinierbare Verbindung in diesem Land haben. Eine Verbindung, die die folgenden Stunden mit Anrufen, Tränen, SMS-Whatsapp-Whatever-Nachrichten füllt. Und mit Informationen, die von Sekunde zu Sekunde konkreter und unfassbarer zugleich werden. Drei Tote, vier Tote; Acht Verletzte, neuen Verletzte; Ein Terrorist, zwei Terroristen. Die Ausmaße dieses Anschlags, in jeglicher Hinsicht, steigen. Bis sie es nicht mehr tun. Beide Terroristen eliminiert, bleibt Zuhause, betet. So heißt es aus unterschiedlichen Quellen und jeder kann sich aussuchen, was er davon befolgen will.
Und wir? Wir sind verwirrt als wir wieder auf „Play“ drücken. Unsere Lieben sind in Sicherheit
doch, was das eigentlich bedeutet, wurde heute Nacht wieder erschüttert. Wir denken nicht daran als wir uns ein Taxi rufen für eine Strecke von maximal 20 Minuten durch unser Viertel, erfüllt von wundervoller Sommernachtsluft. Wir denken nicht daran, wenn wir ins Taxi steigen und erst ausatmen, wenn die Türen zugezogen sind.
Teaserbild: flickr-User xiquinhosilva, flickr.com, CC-Lizenz (CC BY 2.0)
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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