Ich sitze am Schreibtisch und fülle ganz spontan – drei Tage vor Bewerbungsfrist – meinen Bewerbungsfragebogen aus. In ihm erkläre ich der weltweiten Initiative für soziales Engagement, dass es mein Traum ist, mit dieser Organisation einen Freiwilligendienst im Ausland zu absolvieren. Ich möchte mich selbst weiter entwickeln, möchte eine andere Art und Weise zu Denken und zu Leben kennen lernen, und dabei in einem Entwicklungsland meine kostenlose Arbeit anbieten.
Claudia ist zurzeit inSüdafrika. Dort arbeitet sie für ein Jahr als Freiwillige für die Harding Special School. Regelmäßig schreibt sie, was sie erlebt.
Die Hoffnung, zu den 80 Bewerbern zu gehören, deren Traum in Erfüllung geht, ist groß. Der Glaube daran jedoch ziemlich klein, da sich insgesamt über 1200 beworben haben. Das war Ende Dezember.
Ein Traum geht in Erfüllung
Heute sitze ich in Südafrika. Mein Traum ist in Erfüllung gegangen. Ich darf ein Jahr lang hier leben und für die Harding Special School arbeiten. Alles ging auf einmal furchtbar schnell: Die Einladung zu einem Auswahlseminar flatterte ins Haus, gefolgt von einer Zusage für das Seminar. Abituraufgaben mischten sich mit beißenden Zweifeln, aber auch Vorfreude hinsichtlich des bevorstehenden Jahres. Doch sowohl das Abitur als auch die Zweifel konnte ich hinter mir lassen. Auf einem Vorbereitungsseminar, einem Vortreffen und einem länderintimen Treffen bereitete ich mich auf dieses Jahr vor. Verschiedene Fundraisingaktionen und eine Spendersuche mit überwältigendem Erfolg erbrachten mir das nötige Geld. Dann saß ich auch schon im Flieger. Unsere Vorgänger erleichterten uns elf Südafrika-Neufreiwilligen den Einstieg in das unbekannte Leben, bevor wir in unsere jeweiligen Städte und WGs zogen. Doch den Einstieg in die Arbeit hatte sich keiner so vorgestellt, wie er eintraf.
Mit Schlagstock in die Schule
Von der Arbeit mit den Kindern konnte ich am Anfang nur träumen...
Der öffentliche Dienst in Südafrika streikte. Die betroffenen Arbeitskräfte — darunter auch Lehrer — legten wie deutsche Streikende ihre Arbeit nieder. Allerdings nicht nur für einige Tage, sondern gleich für einige Wochen. Statt wie bei uns Fähnchen auf den Straßen zu schwingen, gingen sie mit Stöcken in die Schulen. Die Arbeit niederzulegen konnte dabei nicht schnell genug gehen: Ärzte verließen mitten in einer Operation die OP – einige Menschen kostete der Streik dementsprechend das Leben. Die Harding Special School stand leer. Der Direktor hatte die Kinder wegen der gefährlichen Situation nach Hause geschickt. Die Lehrer blieben ebenfalls zu Hause. Nicht etwa, weil sie streiken wollten. Die meisten waren mit ihrem Gehalt einigermaßen zufrieden, oder wollten zumindest nicht auf ihr Gehalt verzichten. Lohn bekommt man solange man streikt nicht.
Doch streiken mussten sie
Die Gewerkschaften drohten mit Gewalt. Der Streik wurde von der größten Gewerkschaft der Lehrer mit angeführt: SADTU (South African Democratic Teachers Union). Sie forderte 8,6% mehr Gehalt und 1000 Rand „Hausgeld“ pro Monat (was ca. 100 Euro entspricht). Geld, das zum Beispiel für die Miete verwendet werden kann. Das Geld war der offizielle Grund für den Streik. SADTU ist allerdings auch teil von „Cosatu“, einem großen Zusammenschluss vieler Gewerkschaften. Cosatu ist genau wie die Partei „SACP“ (South African Communist Party) mit der momentan in Südafrika regierenden Partei „ANC“ befreundet. ANC beschließt vieles zusammen mit Cosatu und SACP. Nun hört man viele Stimmen in Südafrika, die sagen, ein weiterer Grund für den Streik sei der, dass Cosatu gerne wieder mehr Macht und Mitspracherecht hätte.
Überlegtes Zeitmanagement
Weltenbummelei auf SPIESSER.de
Vorherige Artikel von Claudia und anderen Weltenbummlern, wie zum Beispiel Kristin in Norwegen, Katharina in Mexiko und Lina in Brasilien, findet ihr unter der Serie Auslandsblogs.
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Der Zeitpunkt des Streiks wurde nicht unüberlegt gewählt. Die Fußball-Weltmeisterschaft, in welche die Regierung unglaublich viel Geld gesteckt hat, ist vorbei. Ein Grund für Arbeitskräfte wütend zu werden. Weshalb hat die Regierung Geld für all die teilweise überflüssigen Ausgaben bezüglich der WM, aber keines, um das Gehalt zu erhöhen? Zudem stehen die Schüler gerade kurz vor ihren Examen. Ein sehr ungünstiger Zeitpunkt für ausfallenden Unterricht und somit ein starkes Druckmittel gegenüber der Regierung. Doch die blieb eisern. Sie bot einen Zuschuss von 7,5% plus 800 Rand „Hausgeld“. Und dabei blieb sie auch – ungerührt von der Gewalt, den Toten und dem immer länger werdenden Unterrichtsausfall. Und sie hatte Erfolg: Die Gewerkschaften unterbrachen den Streik. Die Gründe waren verschiedene. Zum einen fanden die Gewerkschaften immer weniger Zuspruch unter den eigenen Gewerkschaftlern. Zum anderen erklärte die Regierung, dass, wenn sie dem öffentlichen Dienst mehr Geld gäbe, sie es von einem anderen Ort wieder nehmen müsste. Sie könnten Arbeitsstellen oder beispielsweise das Bildungsgeld kürzen. Und beides liegt nicht im Interesse der Gewerkschaften.
Endlich kann es losgehen
Die Schule ist inzwischen endlich wieder voller Kinder und Lehrer. Die Situation im Land hat sich beruhigt, es besteht momentan keine Gefahr. Ich habe eine große Freude daran, zu arbeiten. Vormittags helfe ich einzelnen Kindern im Unterricht. Nachmittags versuche ich zusammen mit meinem Mitfreiwilligen Simon möglichst viele der 130 Kinder zu beschäftigen und mit ihnen Spaß zu haben. Ich bin froh darüber, dass ich mich dazu entschieden habe, diesen Bewerbungsfragebogen auszufüllen. Mein Traum ist in Erfüllung gegangen und bisher ist er trotz der anfänglich unerwarteten Situation schöner, als ich ihn mir jemals erträumt habe.
Text & Bilder: Claudia Bergmann
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