Max begutachtete die Spielzeuge und Kuscheltiere, die er vor sich ausgebreitet hatte. Die alte Kiste, die er neben sich stehen hatte, barg viele Kindheitserinnerungen. Jedes der 12 Spielzeuge erzählte eine eigene Geschichte, doch im Prinzip hatte er sie alle auf die selbe Art und Weise bekommen.
06. March 2012 - 23:26 von SPIESSER-Autorin k0librix.
Da seine Mutter morgens arbeitete, beschäftigte Max sich meist noch etwa zwei Stunden alleine mit seinem König der Löwen-Puzzle, bis sie ihn holte und die beiden spazieren gingen. Die anderen Kinder spielten unter Aufsicht in der Halle, denn der Spielplatz draußen war zu gefährlich. Max aber wollte alleine sein, seine Mutter war die einzige, die er sehen wollte.
Plötzlich fällt sein Blick auf eine kleine Gipsfigur, eine Eule. Er denkt daran, wie die Betreuung sich immer lustige Spiele überlegte, unter anderem Mensch-ärgere-dich-nicht und das Basteln von Gipsfiguren. Während die anderen Patienten dieses gemeinsam erledigten, ging Max mit seiner Mutter in sein Zimmer, wo die beiden mit Mühe die Eule erstellten. Im Nachhinein fällt ihm auf, dass sie wohl das meiste davon geformt hat, denn sonst wäre die Figur nicht so perfekt geworden. Diese Spiele und die Puzzles machen einen Großteil von Max' Erinnerungen aus - die negativen Seiten hat er mit der Zeit erfolgreich verdrängt. Damals dachte er, das Krankenhaus diente zum Spielen und Ausruhen. Er wusste zwar, dass etwas nicht stimmte, dass er die Medikamente immer mehr wurden, er an Apparate angeschlossen war und er abnahm, doch er war sich nicht wirklich bewusst, was los war. Er weiß noch, wie er ein einziges Mal in diesen drei Monaten mit seiner Mutter auf dem Spielplatz war und dort schaukelte. So frei und glücklich hatte er sich lange nicht mehr gefühlt.
Ein Spielzeug in Form eines lila Einhorns springt ihm ins Auge. Dieses löst ein merkwürdiges Gefühl bei ihm aus: einerseits Vertrauen und Halt, aber auch tiefe Trauer.
Max hatte gerade eine Spritze hinter sich gebracht, als die Krankenschwester mit der Spielzeug-Truhe kam. Er war immer noch verspannt und sein Arm schmerzte, doch mittlerweile war das nichts Neues - er bekam die Spritzen und damit die Spielzeuge genau wie die Medikamente und Therapien in regelmäßigen Abständen. Er freute sich jedes Mal erneut. Jedes Kind, das brav und stark die Nadel ausgehalten hatte, durfe sich etwas aussuchen: es gab kleine Fußbälle und Spielzeugautos, doch ihm fiel das Einhorn sofort auf. Entschlossen zog er es heraus, als seine Mutter und die Krankenschwester verwundert reagierten, schließlich sei das doch ein Mädchenspielzeug. Das lila Einhorn hatte ihn jedoch den ganzen restlichen Krankenhausaufenthalt über zuverlässig begleitet.
Langsam fallen Max auch andere Ereignisse ein. Einmal hatte er die halbe Nacht auf seine Mutter gewartet, aber sie kam nicht. Es hatte ein lautes Gewitter draußen gegeben und er fürchtete sich. Er zwang sich, seine Augen offen zu halten, doch irgendwann wurde er so müde, dass er noch komplett angezogen einschlief. Am nächsten Morgen spürte er getrocknete Tränen auf seiner Wange.
Am nächsten Tag erfuhr Max, dass seine Mutter ebenfalls ins Krankenhaus musste. Sie erzählte ihm weinend, dass alles wieder gut werde und sie nur eine Operation brauche, weil sie zu viele Zigaretten geraucht habe. Danach könnten sie beiden einen Urlaub an die Nordsee machen, wo die Luft besser war.
Er verstand nicht wirklich, was los war, doch nun sah er seine Mutter öfter. "Mami, wirst du wieder gesund?", wollte er von ihr wissen. "Aber sicher, mein Schatz, genau wie du", versprach sie ihm.
Manchmal hörte er Nachts ein Schluchzen aus ihrem Zimmer.
Max hält für einen Moment inne. Er schließt die Augen und packt die Kiste zurück; das ist zu viel für ihn. "Max, komm runter, es gibt essen!", ruft eine Stimme von unten. Seine Mutter. Sie beide haben überlebt und plötzlich denkt er: Das ist es, was zählt. Das einzige, was ihm verlieben ist, sind zwei Narben auf seinem Hals und seiner Schulter.
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
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mxk
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