Marie bekommt Infos aus erster Hand.
Dienstag, 14 Uhr, Senioren-begegnungszentrum „Prager Zeile“. Krücken stehen an der Wand, Rollatoren sind geparkt. Ich betrete den Spieleraum und werde von einer Gruppe von 20 älteren Herrschaften erwartet. Sie spielen Bingo. Ein Spiel, das ich, wenn überhaupt, nur vom Hörensagen kenne. Nach einer kurzen Vorstellrunde werde ich von der Spielleiterin Frau Pose an den „Profi “, Frau Treichel, übergegeben. Frau Treichel erklärt mir die Regeln: Jeder bekommt eine Bingokarte mit Zahlen von eins bis 75 und dazu 15 Chips. Dann dreht Frau Pose die Bingotrommel und eine Kugel fällt aus der Trommel. Die Zahl wird laut vorgelesen. Wenn sie auf der eigenen Spielkarte steht, darf man einen Chip darauf legen. Wer als Erstes eine Diagonale, Horizontale oder Vertikale mit den Chips abgedeckt hat, brüllt laut „Bingo!“.
Die Basic-Machinery des Bingos
Ich bin total überrascht, als sie mir erzählen, dass um Geld gespielt wird. Für jede Runde beträgt der Einsatz pro Spieler Zehn Cent. Diese werden in einer Schüssel gesammelt und dann an die „Schatzmeisterin“ Frau Täubricht gegeben. Die kontrolliert, ob auch jeder seinen „Groschen“ gegeben hat. Ich beschließe, auch eine Runde mitzuspielen, und bekomme gleich von einem netten Herrn ein paar Groschen, die ich einsetzen soll. Unter der Bedingung, dass er den Gewinn bekommt.
Dann geht´s los: Die Bingotrommel rattert und die erste Zahl wird aufgerufen. Juhu! Ich habe sie auf meiner Karte und darf einen Chip platzieren. Das war doch ein guter Anfang. Konzentriert lausche ich auf die nächsten Zahlen und merke, dass auch die anderen ganz aufmerksam dasitzen. Bald habe ich eine Reihe fast voll, nur noch eine Zahl fehlt. Ich hoffe sie kommt noch, doch dann, es sind inzwischen circa 15 Zahlen gezogen worden, ruft eine der Frauen „Bingo!“. Die Senioren ärgern sich im Spaß darüber, welche Zahlen ihnen noch gefehlt haben, als schon die nächste Runde losgeht. „20 Runden werden in den zwei Stunden des Bingonachmittags jede Woche gespielt“, erklärt mir Frau Treichel, „so kann jeder höchstens zwei Euro verlieren.“
Jetzt darf Marie mal ran...
Dann darf ich auch selbst einmal als Spielleiterin ran. Ich nehme auf dem Stuhl an der Stirnseite Platz und bekomme von Frau Pose erklärt, wie man die Bingotrommel bedient. Vorwärts drehen, rückwärts drehen: Zack! Eine Kugel fällt heraus. Diese soll ich jetzt laut vorlesen. Gar nicht so leicht, laut genug zu sprechen, dass sie mich verstehen. Irgendwie bringe ich den Senioren nicht so viel Glück. Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis jemand „Bingo!“ ruft. Es ist die Schatzmeisterin. Sie gewinnt jetzt schon zum zweiten Mal.
Nach sechs Spielen gibt es dann erst einmal eine Kaffeepause mit Kuchen. Die Gelegenheit nutze ich, um mich mit den Senioren zu unterhalten. Dabei erfahre ich, dass einige schon seit sechs Jahren Bingo spielen und auch weite Wege auf sich nehmen, um zu dem Treff zu kommen. Die meisten Spieler wohnen allerdings direkt im Haus. Für die Gruppe ist der Bingo-Nachmittag einfach ein bisschen Abwechslung zum normalen Alltag und außerdem eine Möglichkeit, viel Spaß zu haben.
Ja, wer hat denn da schon wieder
gewonnen?
Nach der Pause geht das Spiel weiter. Mein Ehrgeiz ist jetzt geweckt. Ich will auch mal gewinnen! Ich bekomme sogar eine neue Spielkarte. Doch dann gewinnt schon wieder die Schatzmeisterin. Dazu erklärt mir Frau Treichel: „Wenn jemand das vierte Mal gewinnt, gibt es eine Freirunde. Dabei bleibt das Geld in der Schüssel und es wird eine neue Runde gespielt.“ Dann versuche ich noch ein letztes Mal mein Glück, aber das ist heute nicht auf meiner Seite.
Wider meinen Erwartungen war der Nachmittag echt spannend – sieht man darüber weg, dass man das Spiel eh nicht beeinflussen kann. Meine Erkenntnis: Senioren zocken also auch. Vielleicht ein wenig ruhiger, analoger und mit ihrem Einsatz vorsichtiger. Aber wenn es drauf ankommt, dann sind sie voll dabei.
Text: Marie Schäfer
Fotos: Daniel Scholz