Im süßen, kleinen Freiberg sind heute die großen Stars der Vermarktungskünste angereist: Thomas und Felix, die Gründer von myboshi. Wer sich nun fragt, ob myboshi mit Ketchup oder Majo besser schmeckt, an dem ist die neuste Kopfmode wohl vorbeigegangen. Also raus auf die Straße und mal umgucken. Irgendwie haben alle sehr ähnliche Mützen an? Genau das ist myboshi!
Myboshi wickeln alle um den Finger.
Thomas hat an der TU Freiberg Wirtschaftsingenieurwesen studiert und hier sitze ich jetzt neben Studenten, Mitarbeitern und Professoren, denen alle die Häkelnadel in den Händen brennt. Zum 250. Jubiläum der Uni sollen 250 Mützen gehäkelt werden. Und im Workshop heute sollen die Jungs hier den verkopften Uni-Leuten das Häkeln beibringen. „Zwei Jungs die Häkeln? Hä? Haben die keine coolen Hobbys gefunden?“, denke ich mir und bin überrascht, wie viele junge Leute außer mir an dem Workshop teilnehmen. Klar, schätze ich die selbst gehäkelten Mützchen, mit denen meine Oma mich immer wieder beschenkt. Aber das ist halt auch meine Oma – die darf das. Ich frage mich, was es mit diesem neuen Trend auf sich hat, der alt, jung, männlich und weiblich zumindest an der TU Freiberg augenscheinlich verbindet.
Vor fünf Jahren arbeiteten Thomas und Felix als Skilehrer in Japan. Was sie nicht wussten, ist, dass ihre Unterkunft so luxuriös sein würde wie ein Käsebrot: Die Jungs waren in einer unbeheizten Turnhalle untergebracht und merkten ziemlich schnell, dass die Kälte sich an ihren Oberstübchen bemerkbar machte. Also lernten sie kurzerhand von einer Kollegin das Häkeln und durften sich bald darauf stolze Besitzer selbst gehäkelter Mützen nennen. Als ihnen diese auf einer Reise quasi vom Kopf weg gekauft wurden, kam ihnen die verrückte Idee, Mützen zu Geld zu machen.
Mit dem Ziel auf dem Kopf geht's leichter.
Dass den Jungs im japanischen Winter nicht die wirtschaftsstrategischen Gehirnzellen weggefroren sind, zeigt ihr Erfolg. Unterstützt durch das Gründernetzwerk SAXEED haben sie mittlerweile eine Webseite mit einem Mützengenerator, bei dem man Form und Farben der Mütze individuell zusammenstellen kann, zahlreiche fränkische Omis, die für sie arbeiten und die Mützen häkeln, und eine Buchreihe mit Häkelanleitungen. „Der dritte Band unserer Buchreihe hatte eine höhere Auflage als der dritte Band von Harry Potter“, erzählt Felix stolz.
Die Jungs wissen ganz genau, wovon sie sprechen. Geduldig erklären sie, wie die Mütze zu häkeln ist. Und auch wenn meine Finger nach nur wenigen Häkelreihen schon verkrampfen, stellt sich schnell ein Erfolgserlebnis ein. Ich stelle hier etwas her! Ich alleine! Naja, nicht ohne Hilfe der Mitarbeiterinnen der TU, die mir mit einer Engelsgeduld aushelfen, während in ihren Fingern die Mütze mit beeindruckender Geschwindigkeit Form annimmt. „Bei der Weltmeisterschaft im Häkeln wurde so eine Mütze in sechs Minuten 40 gehäkelt“, erzählt Thomas. Sein persönlicher Rekord liegt bei etwa 17 Minuten. Die sei aber nur mit viel Wohlwollen als Mütze erkennbar.
Es ist erstaunlich, dass zwei Jungs mit gehäkelten Mützen tatsächlich Geld verdienen, aber sie haben es mit einer Kombination aus charmanter Geschichte, dem individuellen Touch des Produkts und der Niedlichkeit der Herstellungsbedingungen – fränkische Omis und so – geschafft, ein Unternehmen zu gründen. Vielleicht liegen sie mit ihrer Idee auch einfach im Strom der Zeit: Selbstgemachtes ist cool, die Vermeidung von Kinderarbeit in Indien liegt den Menschen am Herzen und individuell genug kann's eh nicht sein.
Mützen sind sexy.
So oder so sitze ich am Ende des Workshops erschöpft und stolz wie Holz zwar nicht mit einer Mütze da, dafür aber mit einem recht ansehnlichen Topflappen. Wie genau da nun eine Mütze draus werden soll, ist mir zwar noch nicht klar, aber ich habe definitiv Blut geleckt und werde mit Hilfe der Anleitung sicherlich auch diese Hürde nehmen. Häkeln ist nicht nur nicht so langweilig, wie ich erwartet hab, es hat auch definitiv Suchtpotential: Es ist kniffelig, fördert die Konzentration und verschafft schnell Erfolgserlebnisse. Meine allererste Mütze schenke ich wohl meiner Oma – oder meinen allerersten Topflappen.
Text: Polina Boyko
Fotos: Mario Köhler