"Wir sind ja auch vom Dorf": Unser Rentnerkompetenzteam hat sich die Tragikomödie "Schröders wunderbare Welt" angesehen - und ein hartes Urteil gefällt.
05. May 2007 - 22:50 SPIESSER-Autor Martin_Machowecz.
"Wir sind ja auch vom Dorf": Unser Rentnerkompetenzteam hat sich die Tragikomödie "Schröders wunderbare Welt" angesehen - und ein hartes Urteil gefällt.
Text: Martin Machowecz
Mit Oma und Opa ins Kino? Ja, wir sind verrückt: Wir stellen uns drei Rentnern und ihren Meinungen über Gott, die Welt und einen aktuellen Film. "Schröders wunderbare Welt" der Filmtitel ist fabelhaft, sorgt aber für Kontroversen.
Elsbeth: "Wir würden den Film sicher nicht gucken, wenn der Exkanzler wirklich dabei wäre." Inge: "Auf keinen Fall! Der Mann da sieht aber auch nicht aus wie der Schröder. Obwohl er einen Bauch hat. Ein Mann mit Bauch! Ich hätte meinen Mann nicht mit Bauch geheiratet."
Filmheld Frank Schröder schwimmt oberkörperfrei durchs Bild. Elsbeth, 87, sinkt in ihren Sessel, zupft an der Bluse und schaut zumindest in diesem frühen Vorführungsstadium noch recht wach aus der Wäsche. Daneben Elsbeths Freundinnen: Eleonore, 79, und Inge, 67. "Schröders wunderbare Welt" handelt vom großen Traum Frank Schröders, irgendwo im Dreiländereck bei Zittau ein zweites Tropical Island zu bauen, den "Lagunenzauber". Um die Länder zu vereinigen, will er Besucher in rauen Massen ins Dörfchen Tauchritz locken. Dazu braucht Schröder: Mitstreiter, Fördermittel, Investoren. Und wohlgesonnene Mit-Tauchritzer. Schröder, Heimkehrer aus dem Westen und gefühlt Mittdreißiger, ist bieder, statisch, emotionslos. Eigentlich gar nicht viel anders als die Tauchritzer selbst.
Inge: "Normalerweise kommen die Wessis rüber und wollen hier was aufbauen. Das war ja nach der Wende schlimm! Da konnte es gar nicht schnell genug gehen. Drüben in Maxen war ein Golfplatz das erste, was unbedingt her musste! Am Ende ist daraus nichts geworden. War ja klar." Eleonore: Da wurden Grundstücke für 'n Appel und 'n Ei gekauft, und dann sollte Werweißwas draus gemacht werden! Aber nichts davon hat geklappt."
Die aufbauende Wendezeit ist lange her. In Schröders Welt aber ist s auch heut noch wüst: tote Tagebauten, Dorfkaschemmen, Nebel. Schröder geht baden. Der Kapitalist kapituliert ob des ländlichen Zwists, er findet keine Mitstreiter und kein Geld - niemanden, der Lust hat und sich engagiert. Was beim Tropical Island im echten Leben geklappt hat, scheitert im Film: ein großer Kampf gegen Kleingeist.
Elsbeth: "Wir sind auch vom Dorf. Aber so wie die sind wir nicht." Inge: "Bei uns kennt man sich doch. Wir sind kein so zusammengewürfeltes Volk wie im Film." Eleonore: "Ja, man kennt sich. Trotzdem war die Gemeinschaft früher eine ganz andere. Jetzt gibt es das Fernsehen, da geht keiner mehr raus, alle sitzen nur noch davor." Elsbeth: "An vielem ist das Fernsehen schuld. Außerdem gibt es einfach keine Jungen mehr! Hier auf dem Dorf wohnt nur noch ein einziges Schulkind. Und das sind auch Zugezogene." Inge: "Es ziehen eben alle weg." Elsbeth: "Ja, in den Westen. Keiner bleibt hier. Gibt ja auch keine Arbeit."
Die Bewohner von Film-Tauchritz sind Kopf- und Körperprovinzler. Janaçeck aus Tschechien hat Angst, dass seinem Golfplatz die Schlagkraft ausgeht, wenn nebenan jemand ein Tropenparadies aufbaut, und deshalb wehrt er sich mit Händen und Füßen, Schläger und Gewehr. Schröders Chef John Gregory, ein amerikanischer Investor russischer Abstammung steht ständig stammelnd im Weg, obwohl er sich anfangs noch für die Tropenparty begeistern ließ. Schließlich scheitert Schröder am Dorf. Aus dem Tropical Island für Tschechen, Polen und Provinzdeutsche wird nichts. Aus dem Film darüber irgendwie auch nicht. Elsbeth nutzt die Gunst der Wolfsstunde, als ein paar isegrimmige Lausitzer Raubtiere durchs Bild trotten.
Elsbeth: "Großmutter können sie fressen, das Rotkäppchen ist ja schon im Westen. Aber mal im Ernst: Als normale Kinobesucherin wäre ich mittendrin gegangen." Eleonore: "So ein Rotz." Elsbeth: "Der Regisseur hat viel zu viel reingequetscht."
"Schröders wunderbare Welt" ist ein Sammelwerk aneinandergereihter Szenen, bewusst ohne gespannten Spannungsbogen. Eine Szene, die sich immerfort wiederholt: Einsame alte Frauen warten auf den Bus. Immerhin für einen kleinen Lacher gut.
Inge: "Das ist wie der Bus hier in Maxen. Da gibt es auch nur morgens den Arbeiterbus, einen mittags, und nachmittags hat man dann schon Probleme, in die Stadt zu kommen." Elsbeth: "Die jungen Leute sind ohne Auto hier richtig aufgeschmissen. Wer arbeiten geht, muss schon selbst fahren können. Sonst kommt er ja gar nicht mehr vorwärts."
Trotzdem, die Damen finden: Selbst Maxens verwaistes Bushäuschen hat mehr Linie als dieser Film.
Inge: "Ein Film zum Auf-die-Uhr-gucken, ohne Spannung. Das war schade um den Strom." Elsbeth: "Ein Film muss einem was mitgeben. Das tut dieser hier leider überhaupt nicht. Naja, ehrlich gesagt, bin ich sowieso nicht so die Kinogängerin. Meine Familie hat mich mal zu diesem Harry-Potter-Vorläufer mitgenommen... Herr der Ringe! Aber das war mir alles zu blutig." Eleonore: "Aber im Kino ist es doch so schön finster!" Elsbeth: "Kino hin, Kino her. Ich habe noch nie einen Film gesehen, der so durcheinander und unstrukturiert war. Als hätte einer zum ersten Mal einen gedreht."
Stimmt natürlich nicht ganz: Michael Schorr hat schon viele Filme gemacht. Unter anderem "Schultze gets the Blues" - ähnlicher Stil, sehr erfolgreich. Eleonore, Elsbeth und Inge ist das egal. Sie finden die Welt draußen eh viel wunderbarer.
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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