Ein Mundwinkel zieht sich hoch, als ich mich daran erinnere, wie ich damals als kleines Mädchen immer am Herd stand, wenn es Nudeln mit Käsesoße gab. Ich hielt mich mit meinen Patschhändchen am Herdrand fest, stellte mich auf die Zehenspitzen, schaute verspitzt über den Rand des Kochtopfes, wagte es ein Händchen loszulassen um den Zeigefinger in die Soße zu stupfen und ihn anschließend genüsslich abzuschleckten. Ich liebte dieses Gericht, es war mein liebstes von allen.
Mein hochgezogener Mundwinkel senkt sich wieder. Wir haben nun so oft und noch viel öfter Nudeln mit Käsesoße gegessen, dass ich mich in das Wohnzimmer auf die Couch verziehe um das Essen nicht riechen zu müssen. Ich schalte den Fernseher an und schaue langeweileerfüllt eine dieser Quizshows an, in denen die Fernsehsender mit dem Geld nur so um sich schmeißen.
Ich will, ich will, ich will.
Der Moderator fragt den Knadidaten, was er denn mit dem Geld anstellen wolle, falls er es gewinnen sollte.
„Ich will ein neues Auto, ich will ein großes Haus, ich will, ich will, ich will.“
Während er aufzählt, was er denn nun alles für notwendig halte, überlege ich mir, was ich denn gerne alles hätte in meinem Leben. Wenn alles Möglich wäre, jeder Wunsch und jedes Bedürfnis.
Da wäre zunächst einmal ein Schallplattenspieler. Dazu ganz viele Schallplatten. Ein ganzes Zimmer voller Gitarren. Eine Bahncard 100 und eine Dauerkarte für meinen Fußballverein. Ein eigenes Auto hätte was, dazu ein Motorrad, für das ich allerdings gerne noch den Füherschein hätte. Natürlich ohne die ganzen Theoriestunden vorher. Ich hätte gerne ein Fässchen Bier, das niemals leer wird. Und jeden Tag genau die Klamotten, nach denen mir in dem Moment zumute ist.
Meine Augen werden groß, ich stelle mir vor ich müsste nur mit dem Finger schnipsen und hätte das alles.
Einen Freund, der mir meine Bedürfnisse von der Stirn abließt. Stets Geld auf dem Konto. Immer schönes Wetter aber – ich schaue auf meinen Unterarm – niemals Sonnenbrand. Nur gute Noten. Nie mehr krank sein und immer mein Lieblingsessen auf dem Tisch.
Momentchen, wie war das? Ich stocke und runzel die Stirn. Der Geschmack der deftigen Käsesoße liegt mir auf einmal im Mund.
Ich spüre, wie sich meine Euphorie in Zweifel wandelt, was mir ganz und gar nicht gefällt und schimpfe mit mir.
„Du kannst doch schlecht daran zweifeln, es sei toll, alles zu haben was Du Dir wünschst.“ Doch ich kann tun, was ich will, der Versuch die aufregende Träumerei wieder herzustellen und weiter glücklich vor mich her zu phantasieren scheitert kläglich.
Bin ich wirklich ein glücklicherer Mensch, wenn ich immer alles, was ich will, sofort haben kann?
Ich werde nachdenklich.
Habe ich mich nicht immer genau dann am meisten über die Nudeln mit Käsesoße gefreut, wenn es am Tag davor Brokkoli gab? Erzeugt das Zischen der kühlen Bierflasche, die ich Freitagabends öffne, nicht immer dann die größte Gänsehaut, wenn ich eine anstrengende Woche hinter mir hatte?
Bin ich wirklich ein glücklicherer Mensch, wenn es in meinem Leben keine Träume und Wünsche mehr gibt, weil sie sofort zur Realität werden?
Oder ist es nicht so, dass ich im Leben das am meisten genieße, was ich mir lange ersehnt und vielleicht sogar selbst hart erarbeitet habe?
Ihm würde es nicht auffallen, einen 10-Euro-Schein als Klopapier zu benutzen.
Mir kommt ein alter Bekannter in den Sinn, ein Rechtsanwalt dem es nicht auffallen würde, wenn er 10-Euro-Scheine als Klopapier benutzen würde. Er kann sich alles leisten in seinem Leben.
Wenn er sich einen neuen Mercedes kaufen will, dann tut er das. Wenn er keine Lust hat zu kochen, dann geht er eben ins Restaurante.
Doch ist er tatsächlich deshalb glücklicher als ich?
Wenn ich mir bespielsweise eine neue Gitarre kaufe, dann strahlen meine Augen so sehr, dass ich Angst haben muss, meine Sicherung brennt gleich durch.
Kauft der Rechtsanwalt hingegen ein neues Auto, dann liegt für eine halbe Minute anstandshalber ein Lächeln auf seinen Lippen.
Der Quizkandidat gewinnt 64000 Euro. Das erste Mal in meinem Leben wünsche ich mir nicht so sehr, an seiner Stelle zu sein. Er freut sich mächtig und hüpft in die Luft.
Ja, denke ich mir, jetzt freust Du Dich über das viele Geld, so viel Geld bekommt man nicht alle Tage. Das ist schon toll. Etwas Besonderes eben. Aber ich wette mit Dir, meine Lieber, in ein paar Monaten ist davon kaum noch etwas übrig, denn Du hast Dir alle Deine Wünsche erfüllt und dann meckerst Du mießgelaunt, weil Dir Dein Chef keine Gehaltserhöhung gegeben hat.
Ich schalte die blöde Quizshow, in der sie mir vermitteln wollen, Geld mache glücklich, aus. Ich springe auf und renne in die Küche.
„Mama, die letzten Tage hat es nur geregnet und heute ist wunderschönes Wetter, wollen wir nicht draußen essen?“
„Wenn es Dich glücklich macht.“
Oh ja, ich setzte meine knallrote Sonnenbrille auf, decke draußen den Tisch und die Sonnenstrahlen kitzeln in meiner Nase. Ich schließe meine Augen, strecke die Arme aus und spüre, wie sich durch die hochgezogenen Mundwinkel Grübchen auf meinen Wangen bilden.
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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