Die Vorstellung, dass wir uns eine Aufführung im Theaterbus vom Hamburger Schauspielhaus anschauen würden, weckte in mir Interesse. Ich wusste nicht genau, wie ich mir das vorstellen sollte. Uns Schülern war die Thematik des Stückes zunächst nicht bewusst, da wir lediglich mit unserer Deutschlehrerin absprachen, ob wir bereit wären, uns das anzuschauen. Unsere Klasse sagte geschlossen zu und im Anschluss verloren wir über den Inhalt, bis zur Aufführung, kein Wort mehr.
30. November 2012 - 00:17 von SPIESSER-Autorin MadameEuropa.
Als unsere Klasse dann am Montag, den 22. Oktober in den Bus stieg, begrüßte uns in dem besagten Theaterbus ein Mann mittleren Alters, der – wie sich herausstellte -Michael Müller, der Autor dieses uns noch unbekannten Stücks, ist. Nach einer kurzen Einführung in das Stück und einer Entschuldigung dafür, dass der Hauptdarsteller Patrick Abozen (Jonas) leider verhindert sei und somit Michael Müller selbst die Rolle des Jonas spontan übernehme, begann die Aufführung:
Ein Wecker klingelt eine Zeit lang, bis sich eine junge Frau aus dem Bett erhebt. Sie scheint irritiert zu sein, weil sie ca. 23 Augenpaare anstarren. Doch sie fängt sich schnell und bietet uns Tee an. Ich nehme dankend eine Tasse entgegen und trinke, während sie fortführt.
Sie erzählt uns eine Geschichte, die sie sehr zu rühren scheint. Es ist die Geschichte eines jungen Mannes namens Jonas, der ihr sehr vertraut ist. Einem verträumten, romantischen jungen Mann, der oft über den Sinn des Seins philosophiert. Es entwickelt sich ein Dialog zwischen Jonas und Emilia.
Die Episoden der Geschichte spielen an verschiedenen Orten. Immer wieder steigt Emilia als Erzählerin aus den Dialogen aus und erläutert Jonas‘ Gefühle, ihre Gefühle oder eine Sachlage; je nachdem, was in der vorherigen Szene passiert ist.
Dies vermittelte uns das Gefühl, ein Teil der Aufführung zu sein.
Die Intensität der Beziehung zwischen den beiden wird mit der Zeit immer deutlicher, die Liebe zur Musik und zum Theater bringt sie zusammen. Man merkt, dass Emilia trotz ihres Verständnisses für Jonas‘ Verträumtheit und seinen Wunsch nach Flucht aus der „verlogenen Zivilisation“ mit beiden Beinen auf dem Boden steht.
Jonas, dessen Held „Alex Supertramp“ aus dem Buch „Into the Wild“ ist, träumt davon, in Alex‘ Fußstapfen zu treten und nach Alaska zu reisen, um dort selbst die große Freiheit zu finden, nach der er sich so sehnt und von der er im o.g Roman so nachhaltig fasziniert ist.
Als Emilia merkt, dass es Jonas mit den Plänen, in die Wildnis zu gehen, ernst ist, wird sie sehr emotional, es kommt zum Wortgefecht. Es wird deutlich, dass sie nicht will, dass er geht. Er, der ihr engster Freund wird und zu dem sie sich offensichtlich hingezogen fühlt. Im Verlauf des Stückes kann man spüren, wie sich auch Jonas‘ freundschaftliche Gefühle in romantische wandeln. Jonas sucht sich explizit einen Mittwoch zum Ausreisen aus, weil seine Mutter an diesem Wochentag immer bei ihrem Liebhaber ist. Die Familie lebt monoton vor sich hin, jeden Tag aufs Neue. Er ist keineswegs ein Außenseiter, er hat viele Freunde, doch auch die scheinen seine Sehnsucht nach Unabhängigkeit nicht zu verstehen.
Nach Jonas‘ Abreise nach Alaska, wahrscheinlich ein paar Wochen später, bekommt Emilia einen Brief von Jonas, der für mich persönlich wie eine „endgültige Versöhnung“ klang. Seine Worte sind weich und voller Liebe, Jonas scheint mit sich und seiner Entscheidung im reinen zu sein. Daraufhin fasst Emilia den Entschluss, nie wieder über Jonas zu sprechen. Durch diese Haltung von Emilia hatte es den Anschein, dass sie nun ihre eigene Richtung und ihr eigenes Glück im Leben finden will, um dann vielleicht zu sich selbst zu finden…
Die Inszenierung von „Morgen Alaska“ ist eine Hommage an den Film „Into the Wild“, der über eine wahre Begebenheit berichtet: Über Chris McCandless, der sich in den „Fesseln der Zivilisation“ nicht mehr wiederfindet, durch die USA reist mit minimalistischem Gepäck, um in Alaska das Leben im Glück, in der „puren Wildnis“ zu leben.
Michael Müller zeigt sehr gut, dass die Welt nicht immer schwarz oder weiß ist, das ein Richtig oder ein Falsch nicht immer objektiv ist, sondern für jeden Menschen individuell. Er versteht die Verwirrung der jungen Menschen, wenn sie sich für eine Richtung entscheiden müssen. Diese ist ganz oft anders als die der Erwachsenen mit mehr Erfahrungen. Und Michael Müller zeigt, dass ein Entschluss eines jungen Menschen nicht immer als „naiv“ bewertet, sondern von jedem akzeptiert werden sollte, wenn diese Entscheidung vom Herzen kommt.
Während der Aufführung empfand ich Verständnis, vor allem für Jonas, der sich durch nichts beirren lässt und seinen Traum vom Glück nie verrät. Jede Person kann dies wohl auf sich projizieren. Jeder kennt das, wie sehr man, gerade als junger Mensch, oft nicht genau weiß, wohin man gehört und zu welcher Seite es einen eines Tages zieht.
Die Jungschauspielerin Karolina Fijas hat ihre Rolle so authentisch und poetisch gespielt, dass ich mich auch sehr gut in sie hineinversetzen konnte. Gerade als heranwachsende Frau kennt man diese Kluft zwischen Selbstverwirklichung und Trennungsschmerz sehr gut.
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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