Verrückt, wie viele Ängste Menschen ausstehen müssen. Ein paar Wissenschaftler oder Wissenschaftlerinnen, denen das tägliche Eier- beziehungsweise Eierstöckeschaukeln zu langweilig wurde, haben sich von der Angst vor Arbeit befreit.
Sie haben sich überlegt, welche Fremdwörter sie für die individuellen Schrecken erfinden könnten. Die Familie Phobie hat Zuwachs bekommen: Die Angst vor Männern, vor der Haut, die sich auf dem Kakao bildet, die Angst vor Wein, dem Wind und dem ungewollten Drang pullern zu müssen - all diese Ängste haben jetzt Vornamen. Androphobie, Glucodermaphobie,Enophobie, Anemophobie, Urophobie heißen sie und was ich von ihnen halte, ist eine andere fäkalienreiche Geschichte.
Wir machen uns Sorgen um Milch- und Alkoholgetränke, den Einkaufszettel und unsere Fußzehenmuskulatur, können aber weitaus bedeutendere Dinge nicht beim Namen nennen. Gibt es denn auch einen Begriff für die Angst, Menschen zu verlieren?
Hat irgendein Arzt die Furcht, hilflos anderen bei ihrem Niedergang zuschauen zu müssen, mit einem komplizierten Lateinwort versehen? Oder hat sich jemand einen hochgestochenen Begriff ausgedacht, der die Lähmung beschreibt, wenn man nicht mehr weiß wie man helfen kann? Wenn es nur einen Begriff dieser Art gibt, soll mein Kinderarzt den auf einen rosa Zettel schreiben, damit ich mir dagegen Medikamente besorgen kann.
Die hätte ich gerne, denn gerade ist der Wurm drin. Kurz vor den Abiprüfungen liegt mein Tutor im Sterben. Ihm keine Chancen mehr einzuräumen, ist grausam und schrecklich unoptimistisch. Aber wird uns nicht beigebracht realistisch zu sein? Wenn ich realistisch bin, weiß ich genau,dass keiner der schönen Menschen um mich ewig da sein wird.
Meine Oma, die den besten Kuchen im mittleren Erzgebirgskreis backt. Meine Mutter, die mich immer zum Tanzen begleiten will aber nicht darf und mir das Fahrradfahren beibrachte. Mein Vater, der die gruselige gelbe Klobrille mit dem Grinsegesicht besorgt hat und ruhig bleibt, wenn ich das Auto fast zu Schrott fahre. Meine besten Freunde werden gehen. Bestimmt muss ich selbst einmal sterben und mein Tutor eben auch.
Jeder, der mehr als nur einen Zettel mit Wort HIRN drauf im Kopfhaut, weiß das. Trotzdem versetzt der Tod eines Menschen die gesamten Rocky Mountains in die Magengrube. Währenddessen schieben die Bergmänner Sonderschicht und sprengen viele tiefe schwarze Löcher hinein.
Wenn eine Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass die Hoffnung und der Bestand an funktionierenden Organen synchron sinken, helfen nüchterne Realitätsbetrachtungen àl a "Jeder muss mal gehen" sicher nicht. Aber was hilft? Genau diese verdammt beängstigende Unwissenheit verdient einen lateinischen Fachbegriff und nicht die Kakaolappen und Windlappalien.
Lateinstunden fand ich immer überflüssig. Meine Latein- und Klassenlehrerin mochte ich aber. Präteritum. Auch sie ist plötzlich verstorben. Kann sein, dass für manche die Trauer über tote Lehrer unerklärlich ist. Pauker, wegen denen ich nicht selten Aggressionen hatte, deren Stunden manchmal kein Ende finden wollten, deren Benotungen viel zu niedrig waren.
Von denen habe ich gelernt und es ist dieses Wissen, was uns Menschen formt. Sie hatten Einfluss auf die Leute an meiner Schule und auch auf mich, egal ob wir das nun gut oder schlecht fanden. Deshalb schmerzt der Abschied mehr, als ich gedacht hätte.
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Ich bin mehrmals aus Fenstern im 7. Stock gesprungen,
woraus ein Musikvideo zu meinem Song LIMITS entstanden ist:
https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
Bei meinem letzten Sturz fiel ich in Kunst hinein:
[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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