Johanna Ely zieht den Reißverschluss ihres Ballkleides zu, setzt die Krone auf und blickt in den Spiegel. Zehn Monate voller Erinnerungen stecken in diesem Kleid. Letztes Schuljahr wagte die 16-Jährige den Sprung ins Ungewisse und zog zu einer Gastfamilie in die USA. Trotz Angst vor dem Neuen. "Erst am Flughafen wurde mir überhaupt bewusst, dass ich mein ganzes Leben hier zurücklasse, ohne zu wissen, was auf mich zukommt". Außerdem fiel es schwer, Freunde, die Katze und das deutsche Essen hinter sich zu lassen. "Amerika ist ja doch ziemlich anders", sagt Johanna. "Burger statt Potatos sind da Alltag."
Auch das Highschool war für Johanna zunächst ungewohnt. Dort ging es am Pyjamatag in Schlafanzug und Pantoffeln zur Schule, man putzte sich im Schulbus die Zähne oder lief im Footballoutfit durch die Flure. "Ich vermisse es jetzt schon, in Jogginghose zur Schule zu kommen", sagt Johanna lachend. Einen ähnlichen Kulturschock erlebt vielleicht auch der 19-Jährige Gregor Matz demnächst, der letzte Woche nach Frankreich aufgebrochen ist, um dort ein freiwilliges soziales Jahr in einem Mehrgenerationenhaus zu absolvieren. Mit dem Meer vor dem Balkon und Klettergebiet im Rücken zog er als Bergsteiger mit seinem Auslandsjahr das große Ass. "Ich habe aber etwas Angst vor Problemen mit der Sprache", erzählt er. "Hoffentlich knüpfe ich dennoch schnell Kontakte". Auch ihm fiel es schwer, seine Freunde zurückzulassen. Deswegen mussten eine Karte Neubrandenburgs sowie Fotos von Freunden und Familie unbedingt mit auf Tour. Auch Sophie Trittins(16) großer Traum war schon immer ein Jahr im Ausland. 2007 war es dann so weit: Nebraska. Als Sophie in ihrem neuen Heimatdorf ankam, war sie zunäch´st geschockz über die bescheidene Anzahl von 930 Einwohnern im Ort. Aber schnell lebte sie sich in Kultur, Familie und Sprache ein. "Es gibt so viele schöne Momente, die ich nie vergessen werde", schwärmt sie. Ihre Entscheidung nach Amerika zu gehen bereute sie keine Sekunde. Doch so eine lange Zeit im Ausland kann auch schlechte Seiten haben, wie Johanna Ely erfahren musste. "In meiner ersten Gastfamilie habe ich mich oft benachteiligt und unbeachtet gefühlt", verrät sie. "Und einen echten Ansprechpartner hatte ich nicht, da die Familie weit weg war". Deswegen wechselte sie nach acht Monaten zu einer Freundin in die Familie, wo sie sich augenblicklich wohl fühlte. "Doch allein für die guten Sprachkenntnisse, die man erwirbt, lohnt sich so ein Jahr", sagt Johanna. "Außerdem habe ich nun Freunde aus der ganzen Welt- und eine zweite Familie, zu der ich immer zurückkommen kann. Man erhält eine neue Weltanschauung, wird toleranter und weltoffener". So konnten auch die Vorurteile gegenüber den Lederhosen tragenden Deutschen aufgeklärt werden, und die Waffen tragenden Amerikaner erwiesen sich als erstaunlich gastfreundlich. Letztendlich zählt, was man aus seinem Auslandsjahr macht. "Ist man selbstbewusst, tolerant und eigenständig, kann man ein unvergessliches Jahr erleben", ist sich Johanna sicher. Schon jetzt arbeitet sie hart, um ihrer Gastfamilie bald einen Besuch abstatten zu können. Agnes MatzDir gefällt dieser Artikel?
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Kommentare
Ein KommentarEinloggen
Damit kann ich mich (bald?!) identifizieren, wenn ich diesen Text lese, bekomme ich schon direkt Vorfreude: Für mich geht es auch bald los, für ein halbes Jahr in die USA.
Schöner Text, angenehm zu lesen!