„Siehsch des net?“ frage ich Frank, nachdem er wissen wollte, welcher Fußballspieler denn gerade ausgewechselt wurde. Er lacht.
Wir stehen im Stadion. Im Fanblock natürlich. Frank ist blind und autistisch.
Nicht die Art von Autist, die ihr euch jetzt wahrscheinlich vorstellt. Frank ist nicht ruhig und auch nicht in sich gekehrt. Eher das Gegenteil. Frank ist ein junger Mann, 20 Jahre alt, der sich unglaublich gerne mit Menschen unterhält und mit ihnen lacht. Aber er kann auf Grund seiner Krankheit manchmal nicht einschätzen, wie man sich in einem Gespräch oder in einer alltäglichen Situation verhält.
So auch im Stadion. Als gerade der ganze Fanblock aus Angst vor einem möglichen Gegentreffer mucksmäuschenstill ist und keiner zu atmen wagt, fängt Frank plötzlich lauthals an ein Lied anzustimmen. In dieser Situation wohl das unpassendste was man sich vorstellen kann.
Ich als Begleitperson erröte etwas, doch die anderen Fans lachen. Aus dem Gegentreffer wurde nichts und es wurde ein andres Lied angestimmt. Frank wackelt mit seinem Kopf und Körper. Das ist ein Zeichen dafür, dass er aufgeregt ist und sich freut.
Blind aber nicht schwerhörig
Es kommt nicht oft vor, dass ihn Menschen so akzeptieren und integrieren. Auch ich freue mich, denn viele hätten in dieser Situation einfach nur dumm geschaut und sich etwas zugeflüstert, und das ist wohl die schlechteste Reaktion, denn Frank ist zwar blind, aber nicht schwerhörig.
Auf dem Heimweg reden Frank und ich über alltägliche Dinge, wie die Liebe, die Schule oder die Party vom letzten Wochenende. Für mich ist es in Gesprächen mit Frank unheimlich interessant zu versuchen, „die Welt mit seinen Augen zu sehen“ und andersherum genauso. Wir können beide wirklich viel voneinander lernen. Ich kann versuchen, ihm zu erklären, wie er sich unter seinen Schulkameraden einerseits durchsetzen kann und gleichzeitig seine Freundschaften behält. Er zeigt mir immer wieder, wie lächerlich es ist, das wir uns oft mit klitzekleinen Problemen das Leben so schwer machen.
Natürlich merke ich manchmal, dass Frank blind ist und natürlich merke ich manchmal, dass er ein Autist ist. Zum Beispiel, als eine alte Dame an uns vorbeigeht. Das Alter kann Frank ihr natürlich nicht ansehen, aber er pfeift ihr hinterher, weil er das von einem Kumpel gelernt hat. Das ist zwar lustig, aber daran erkennt man auch, dass er oft nicht richtig weiß, was er eventuell lieber sein lassen sollte. Denn solche Dinge passieren ihm nicht nur ihn Situationen, in denen man darüber lachen kann.
"Wann kommt die Bahn?"
Inzwischen sind wir am Bahnhof angekommen und warten auf die nächste Straßenbahn. Sie hat zehn Minuten Verspätung und das macht Frank nervös. Er hasst es, wenn etwas nicht nach Plan verläuft. Das hat er seinem Autismus zu verdanken. Wir stehen also da und warten. „Wann kommt denn die Bahn?“ fragt er. Ich versichere ihm, dass es nicht mehr lange dauert.
„Sollen wir nicht lieber meine Mutter anrufen, dass sie uns abholt?“ „Nein, das ist schon in Ordnung, Frank, die Bahn kommt gleich.“
„Ich rufe jetzt meine Mutter an, damit sie uns abholt.“
„Nein, echt, lass gut sein, sie muss doch dann extra herkommen und wir müssen nur noch kurz warten.“
Stille.
„Und wenn die Bahn doch nicht mehr kommt?“
Frank kann in solchen Situationen echt nerven. Aber andere Menschen können mich auch nerven und so, wie ich dann zu denen sage:
„Hey, Du nervst!“ sage ich nun auch zu Frank: „Hey, Du nervst!“ und da kommt auch schon die Bahn.
Zuhause angekommen beschließen wir Musik zu machen.
Frank spielt Klavier. Ich begleite ihn auf der Gitarre und gemeinsam singen wir. Jedes Mal komme ich aus dem Staunen nicht heraus, wenn ich höre, was der Kerl für ein musikalisches Talent hat. Er muss ein Lied nur einige Male hören, setzt sich dann an das Klavier und nach ein paar Probeversuchen spielt er es beinahe fehlerfrei nach.
Dieses Talent ist mindestens so groß wie das, Menschen nachzuahmen. Wenn er das tut, dann lache ich Tränen.
In solchen Momenten frage ich mich immer, wie blind Menschen doch sein können, wenn sie nicht sehen, was für großartige Menschen auch jene mit Behinderung sein können.
Auf einmal horcht Frank auf. „Schau mal, da kommt meine Mutter.“ „Wo?“ frage ich. „Siehsch des net?“, antwortet er. Wir lachen.
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Dein Bericht ist einfach nur großartig geschrieben.
Ich bin 4 Jahre mit Down-Syndrom Kindern in eine geschmischte Klasse (nicht behinderte und behinderte Kinder) gegangen und fands einfach nur eine tolle Zeit.
Ich finde behinderte Menschen und ihre Art sehr interessant.
PS: Vielleicht kannst du ihn ja in eurer Schülerzeitung unterbringen, und dich dann damit bewerben - viele Jugendpresseverbände der Bundesländer haben eigene Wettbewerbe.
Auch mein Kompliment! Ein wirklich schöner Text. Ich habe noch nicht wirklich mit autistischen Menschen zu tun gehabt, habe nur mal ein diakonisches Praktikum mit einem tauben Jungen gemacht. Man kann so viel von diesen Menschen lernen. Der Text ist wirklich gut geschrieben und geht sehr sensibel auf das Thema ein, super=)!
Ich find, der Text ist toll geschrieben und auch real und ja, ich weiß nicht...
er gefällt mir!
Aufgrund des Berufes meiner Mutter kenn ich von klein auf Blinde und Sehbehinderte und hab auch sonst viel mit Behinderten zu tun.
Ich kann nur sagen, Daumen hoch!
Sowas von ansehnlich geschrieben und man kann sich wunderbar in euch hineinfühlen. Das einzige, was mir nicht klar ist: ist Frank ein Freund von dir oder bist du "nur" seine Begleitperson aufgrund von FSJ o.ä.? Oder hab ich das überlesen?
Aber ansonsten - wundervoller Text und einer der schönsten, die ich seit langem hier gelesen habe.
ein richtig schöner text über autismus...
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https://youtu.be/dc3EW7fgqk8
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[Bild:1]
Viel Spaß
mxk
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Dankeschön - und schon bin ich wieder 3cm größer, dabei wollte ich doch gar nicht mehr wachsen :)
Frank ist der Sohn von der Freundin meines Vaters und ich betreue ihn ab und zu.
Ich find, der Text ist toll geschrieben und auch real und ja, ich weiß nicht...
er gefällt mir!
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Ich kann nur sagen, Daumen hoch!
Absolut genialer Text.
Sowas von ansehnlich geschrieben und man kann sich wunderbar in euch hineinfühlen. Das einzige, was mir nicht klar ist: ist Frank ein Freund von dir oder bist du "nur" seine Begleitperson aufgrund von FSJ o.ä.? Oder hab ich das überlesen?
Aber ansonsten - wundervoller Text und einer der schönsten, die ich seit langem hier gelesen habe.
ein richtig schöner text über autismus...
ich pass selbst auf einen autistischen jungen auf (um babysitten zusagen ist er zu alt, aber er kann auf grund seiner krankheit nicht allein zuhause bleiben) kenn da her die nervigen und die schönen seiten autistischer menschen auch.